Aus der Distanz...
Fijáte 376 vom 10. Januar 2007, Artikel 4, Seite 4
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Aus der Distanz...
Miseria bedeutet in seiner Summe Ausbeutung, Von Edith Bitschnau, Guatemala Komitee Zürich. Nach dreissig Jahren bewaffnetem Widerstand hatte die Inzwischen sah die Welt völlig anders aus als noch zu Beginn der Guerilla und niemand von der Solidarität glaubte während der 90er Jahre noch ernsthaft an die Umsetzung unserer einstigen Träume. Doch die Bedingungen, die ursprünglichen Ziele nun in der Legalität weiter zu verfolgen, hatte sich die URNG erkämpft. Dies bedeutete, den Kampf für Gerechtigkeit mit weniger Toten und weniger Angst fortführen zu können. So folgten nach der Unterzeichnung der Friedensabkommen die Jahre der Politik und der Parteibildungen, welche die URNG "Demokratisierung der eigenen Strukturen" nannte. Während dieser Zeit geschah eine Entwicklung, die wir uns in diesem Ausmass nicht vorstellen konnten. Mit zunehmendem Staunen sahen wir Compañeros und Compañeras ins Abseits verschwinden, welche noch während des Krieges Heldenhaftes geleistet hatten, und mit ungläubigem Entsetzen wiederum beobachteten wir unsere ehemaligen Helden die Seiten wechseln oder sich in korrupte Geschichten verwickeln. Die Uneinigkeit um die Führung der URNG führte dazu, dass nun die Stunde der Emporkömmlinge gekommen war. Compas, mit denen wir jahrelang zusammengearbeitet, denen wir vertrauten und die uns vertraut hatten, verschwanden auf Nebengleisen, kaltgestellt. Die vielen |
Das bedeutete, dass wir grundsätzlich Abschied nehmen mussten von unseren Heldinnen und Helden von damals, um uns der Realität zu stellen. Wir hatten nicht gedacht, dass ein zutiefst korruptes System selbst gestandene Compas zu verschlingen vermag. Wir hatten auch nicht gedacht, dass jahrzehntelange Diktatur und die Eliminierung einer ganzen Generation der Linken, keine grosse Auswahl an politisierten und erfahrenen OrganisatorInnen und PolitikerInnen hervorzubringen vermag. Und dass die Not so gross werden würde, dass die Devise: "Rette sich, wer kann" heute vielen Menschen nahe liegender ist als Solidarität und Widerstand, das haben wir uns ebenfalls nicht vorstellen wollen. Innerhalb der letzten Jahre sind unzählige soziale Bewegungen entstanden, welche sich den Problemen Guatemalas annehmen und sich weiterhin mit den Repressionskräften buchstäblich herumschlagen müssen. Dass sich die Partei URNG aus den Kämpfen dieser Bewegungen heraushält, hat jedoch nicht nur mit Unvermögen oder Ignoranz zu tun, sondern auch mit der immer noch sehr verbreiteten Angst der Bevölkerung, durch Kontakt mit der ehemaligen Guerilla in Schwierigkeiten zu geraten. An dieser Angstblockade arbeiten ehemaligen Compas, indem sie die Jahre des bewaffneten Widerstandes der Bevölkerung zugänglich machen und sie in die Geschichte Guatemalas zu verankern versuchen. Nach den Jahren der Enttäuschung und Verwirrung haben sie damit begonnen, sich wieder untereinander zu treffen, um einander ihre eigene Geschichte zu erzählen und ihre schrecklichsten und schönsten Erfahrungen des Krieges auszutauschen. Heute sind aus diesen Erzählungen zwei Bücher entstanden. Auch der Traum von einem Museum, das den Widerstand dokumentieren soll, ist noch nicht ausgeträumt. Diese Compas von damals treffen wir in ihren Gemeinden wieder, wo sie an Projekten für ihre comunidad arbeiten oder auch auf der Strasse bei Demonstrationen der sozialen Bewegungen. Mit ihnen sind wir heute noch verbunden. Die internationale Solidarität ist heute dem grossen Feld der NGOs gewichen. Kämpfe aus der Bevölkerung werden von ihnen kaum unterstützt. Die Volks -und Menschenrechtsorganisationen anderseits haben während einigen Jahren gelernt sich in der Legalität zu organisieren und zu kämpfen. Ihre Aktivität ging auch nach den Friedensabkommen und ohne URNG den gewohnten Gang. Mit Nachtrag:Am 24. November 2006 ist Jorge Rosal, genannt Chayo, im Alter von beinahe 80 Jahren gestorben. Chayo war während vieler Jahre Europavertreter der URNG. Als Herzspezialist und Vater von vier im Widerstand kämpfenden Kindern legte er, nach der Ermordung einer seiner Söhne, seine bürgerliche Existenz ab, um Nomade für die Guerilla, der URNG, zu werden. Er mitunterzeichnete anstelle seines Comandanten |
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