Jugendbanden: Eine militärische oder eine soziale Sicherheitsbedrohung?
Fijáte 367 vom 30. August 2006, Artikel 3, Seite 3
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Jugendbanden: Eine militärische oder eine soziale Sicherheitsbedrohung?
"In meiner Familie wurde ich geschlagen, vor allem von meinem Vater. Diese Narben an meinem Arm sind Brandwunden, die er mir zugefügt hat." "Ich habe auf der Strasse gelebt, Leim geschnüffelt, gekifft. Schliesslich bin ich der M18 beigetreten. Anfänglich wurde ich dort gut behandelt. Man hat sich um mich gekümmert, sie waren wie eine Familie für mich, wie Brüder". "Als ich zum ersten Mal stahl, war ich 5 Jahre alt. Ich bin allein in einen Laden rein und habe etwa 4000 Q erbeutet, Bargeld und Süssigkeiten. Nach dem ersten Mal hatte ich keine Angst mehr und ich stahl regelmässig. Normalerweise habe ich mich zuvor mit Die Jugendbanden oder Maras bedrohen die alltägliche Sicherheit der zentralamerikanischen Bevölkerung. Ihre internen Hierarchiestrukturen und ihr externes Handeln sind von Gewalt und Brutalität geprägt. Ihre Verbindung zum Drogen- und Menschenhandel und zum Dies alles ist erwiesen. Doch ist auch offensichtlich, dass die zentralamerikanischen (und die US-amerikanische) Regierungen die Existenz der Maras benutzen, um die Bevölkerung eingeschüchtert und traumatisiert zu lassen, um vorsintfluchtlich anmutende Massnahmen zu diskutieren (z.B. die Anwendung der Im diesem Artikel soll es nicht darum gehen, das Phänomen der Maras zu verharmlosen, sondern es in einen grösseren und historischen Zusammenhang zu stellen. In Zentralamerika sind mehr als 50% der Bevölkerung unter 24 Jahren alt. Die Mehrheit dieser Jugendlichen stammen aus armen Familien, haben beschränkte Zugangsmöglichkeiten zum Bildungs- und Gesundheitssystem und ihre Aussicht auf eine Ausbildung oder formale Arbeitsstelle ist gering. Viele von ihnen stammen aus zerrütteten Familien, waren Opfer von innerfamiliärer Gewalt, wuchsen im Krieg auf. Um etwas zum Einkommen der Familie beizutragen, sehen sich viele dieser Jugendlichen gezwungen, die Schule aufzugeben und irgendeinen Job anzunehmen, häufig als StrassenverkäuferInnen, wo sie Opfer von Belästigung, Missbrauch und anderen Formen von Gewalt werden. Diese Situation zwingt jährlich Tausende von Jugendlichen, ihre Ursprungsländer zu verlassen und auf der Suche nach Arbeit in den Norden zu migrieren. Ebenso viele bleiben im Land und wählen als Überlebensstrategie die Mitgliedschaft in einer Jugendbande. Der Begriff "Mara" bezeichnet äusserst komplexe, unterschiedliche Realitäten. Die gängige Übersimplifizierung dient einer repressiven Hetze. Wer tätowiert ist, wer Drogen konsumiert, wird als Mitglied einer Mara klassifiziert. Gerne ordnen die Behörden praktisch jeden Mord den Maras zu, was sie selber zu Freiwild werden lässt. Täglich berichten die Medien über Jugendliche, die gefoltert, erschossen, erstochen, gevierteilt, oder wie auch immer brutal ermordet aufgefunden werden. Die Behörden schreiben diese Morde den Rivalitäten zwischen den verschiedenen Maras zu. Menschenrechtsorganisationen leugnen dies nicht, sprechen aber auch von sozialen "Säuberungsaktionen" durch parastaatliche Kommandos, die in absoluter Die vergangenen Jahrzehnte waren in Zentralamerika geprägt von bewaffneten Konflikten. Tausende von Jugendlichen haben auf beiden Seiten gekämpft. Viele starben, andere wurden verwundet, wieder andere flohen und/oder wurden zu Waisen. Mit den In den neunziger Jahren ist eine Radikalisierung des Gewaltverhaltens der Jugendbanden festzustellen. Der Grund dafür dürfte in der weiteren gesellschaftlichen Verelendung liegen, aber auch im Einfluss von Gangmitgliedern aus den |
Die von den zentralamerikanischen Regierungen praktizierte Mara-Politik der "Harten Hand" führt die Zeitschrift Foreign Affairs vom Mai 2005 auf entsprechende Vorgaben Washingtons zurück. So hat die US-Bundespolizei In der Pentagon-Studie Strassenbanden: Der neue Aufstand in den Städten" vom März 2005 schreibt Max Warmaning: "Aufständische und Gangs sind an einem hochkomplexen politischen Problem beteiligt: dem politischen Krieg". Der Autor arbeitet für das Südkommando der US-Streitkräfte (Southcom). In seinen jährlichen Auftritten vor dem US-Kongress pflegt dessen Kommandant die Maras als eine der wichtigen militärischen Sicherheitsherausforderungen des Kontinentes zu bezeichnen. Er knüpft dabei an das Theorem der "gescheiterten Staaten und Zonen" an, wo die "internationale Gemeinschaft" die staatliche Autorität wieder herstellen müsse. Die Maras bewirkten "rechtsfreie" städtische Zonen. Southcom-Chef Bantz Craddock Ende Mai 2005: "Wir wissen, dass die Zonen ohne Gesetz und ohne Regierung Gebiete sind, welche terroristische Elemente anziehen." Die Parallele, etwa zum "Sicherheit" und "Terrorismusbekämpfung" sind zentrale Themen in Zentralamerika. Es wäre aber absolut verkürzt, die herrschende Un-Sicherheit einzig den Maras anzulasten. Ebenso falsch ist es, die "Lösung" des Problems aus einer militärischen Sicherheitsperspektive anzugehen und sämtliche sozialen Sicherheitsaspekte auszublenden. In Guatemala werden die Polizeikräfte seit April 2006 durch 3000 Armeeangehörige unterstützt, um die Gewalt zu bekämpfen und die "Sicherheit" zu garantieren - gemäss einer Statistik der Menschenrechtsorganisation Selbst die staatliche US-amerikanische Entwicklungsorganisation |
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