Freihandelsabkommen mit den USA trägt erste (faule) Früchte
Fijáte 382 vom 4. April 2007, Artikel 2, Seite 3
Original-PDF 382 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 --- Nächstes Fijáte
Freihandelsabkommen mit den USA trägt erste (faule) Früchte
Guatemala, 14. März. Ganz im Schatten des Medienrummels rund um den Staatsbesuch von US-Präsident Bush und während dieser und sein guatemaltekischer Kollege Oscar Berger die Vorteile und Erfolge des am 1. Juli 2006 unterzeichneten Freihandelsabkommens lobten, wurde unter Berufung auf ebendieses die erste internationale Klage wegen "Gewinneinbusse" eines US-amerikanischen Privatunternehmens gegen den Staat Guatemala eingereicht. Klägerin ist die Railroad Development Corporation (RDC), die während der Privatisierungswelle unter dem damaligen Präsidenten Alvaro Arzú im Jahr 1996 das guatemaltekische Eisenbahnunternehmen FEGUA für 50 Jahre in Konzession übernahm. Begründet wird die Klage damit, dass Guatemala seinen Teil des Kaufvertrags nicht eingehalten habe, der darin bestehen würde, einerseits einen gemeinsamen Unterhaltsfonds mit 3 Mio. US-$ zu öffnen, andererseits das Durchgangsrecht zu garantieren und die illegal besetzten Armensiedelungen entlang der Bahnlinie zu räumen, damit die Strecke überhaupt wieder in Betrieb genommen werden kann. Gefordert werden Entschädigungen in der Gesamthöhe von 65 Mio. US-$, die 15 Mio. bereits getätigte Investitionen der RDC und weitere 50 Mio. zukünftige Gewinneinbussen decken sollen. Dieser Klage vorausgegangen war eine Anzeige der guatemaltekischen Regierung gegen RDC im August 2006, in der das Unternehmen beschuldigt wird, im Gegenzug für die Benutzung der 12 noch aus FEGUA-Beständen stammenden Lokomotiven nicht in die Reparatur und Wiederinbetriebnahme des Bahnbetriebs zu investieren und damit die guatemaltekischen Staatsinteressen zu schädigen. Dabei hatte die Klägerin, also die guatemaltekische Regierung, vergessen, dass sie kurz zuvor mit den Vereinigten Staaten das Freihandelsabkommen CAFTA unterzeichnet hatte, in dessen Kapitel 10 den ausländischen (Privat-) Investoren diverse Freiheiten und juristische Mittel in die Hände gelegt wurden. Während die Klage guatemaltekischer Staat vs. RDC in den guatemaltekischen Gerichtsmühlen stecken geblieben ist, wird die Klage RDC vs. guatemaltekischer Staat vor dem Internationalen Zentrum für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) in Washington, einer "unabhängigen internationalen Organisation", die jedoch der Weltbankgruppe angehört, verhandelt werden. Die juristischen Interessen der RDC werden ausgerechnet von Regina Vargo vertreten, die bei der Verhandlung des CAFTA Leiterin der US-amerikanischen Delegation war und entsprechend jedes Wort dieses Vertrags kennt. "RDC hat das absolute Recht, diesen Fall vor ein internationales Schiedsgericht zu tragen", lautet ihr simpler Kommentar zu der Angelegenheit. Die guatemaltekische Regierung hat nun zwei Monate Zeit, um sich eine juristische Strategie zurechtzulegen. Ein solcher Prozess kann laut ExpertInnen bis zu zwei Jahren dauern. Wird der guatemaltekische Staat verurteilt, muss er zur auferlegten Entschädigungszahlungen mit einer zusätzlichen Strafzahlung bis zu 15 Mio. US-$ rechnen. Darauf angesprochen, meinte der guatemaltekische Generalprokurator Mario Gordillo, RDC handle wohl etwas überstürzt. Zuerst würde ihnen im Land selber noch ein Gerichtstermin bezüglich der Klage wegen "Schädigung der Staatsinteressen" bevorstehen. Weiter meinte er, dass Guatemala gemäss Kapitel 10 des CAFTA höchstens zu einer Strafzahlung von 15 Mio. US-$ verurteilt werden könne und nie und nimmer zu den von der RDC geforderten 65 Mio. Eine andere konkrete Folge des Inkrafttreten des Freihandelsabkommens CAFTA ist gemäss der Nachrichtenagentur Poonal eine starke Zunahme der Polizeieinsätze gegen den Handel mit falschen Markenprodukten. Der letzte Einsatz, bei dem die Nationale Zivilpolizei PNC beinahe eine Million Raubkopien von CDs und DVDs bei StrassenhändlerInnen im Zentrum der Hauptstadt beschlagnahmte, fand Anfang Februar statt. Im Zuge der Aktion, an der 160 BeamtInnen der Polizei (PNC) und 40 Kräfte der Militäreinheit beteiligt waren, wurde ein Verkäufer verletzt und ein weiterer verhaftet. Bei den Protesten am darauf folgenden Tag wurden weitere zehn VerkäuferInnen verhaftet, denen man "Terrorismus und Störung der öffentlichen Ordnung" vorwirft. Nach oben |
Nach dem Einsatz gab die Guatemaltekisch-Amerikanische Handelskammer (AmCham Guatemala) die Veröffentlichung einer Studie mit dem Titel "Piraterie in Guatemala" bekannt, nach der jedeR GuatemaltekIn monatlich 25 US-Dollar für den Kauf von gefälschten Produkten aufwende. Jährlich handle es sich um rund 392,4 Millionen US-Dollar, die dem Fiskus aufgrund der nicht gezahlten Mehrwertsteuer verloren gingen. Kopierte CDs zählten zu den am meisten verkauften illegalen Produkten (28%), gefolgt von Kleidung (16%), Schuhen (14%), Parfüm (10%), DVDs (8%) und Sportschuhen (5%). Die Abteilung für Patentrecht und Markenschutz der USA schult PNC-BeamtInnen in der Erkennung gefälschter Produkte und in der Prozedur einer Razzia. Dies sei nach der Auffassung von Carolina Castellanos, der Vorsitzenden der AmCham Guatemala, deshalb notwendig, weil die PNC zwar gefälschte Produkte beschlagnahme, nicht aber die Geräte, die während der Produktion zum Einsatz kommen. "Es ist notwendig, alles, was mit dem illegalen Vorgehen in Verbindung steht, zu beschlagnahmen, auch Computer und andere technische Geräte zur Verpackung, Etikettierung sowie Stühle und Lampen wenn nötig." Castellanos wies weiter darauf hin, dass hinter der Herstellung und Verbreitung illegaler Produkte Netzwerke des organisierten Verbrechens stünden und unterstellt ihnen die Verbindung zum Drogen- und Waffenhandel. Die Informationen der Staatsanwaltschaft deuten hingegen auf eine andere Version als die von AmCham hin. Laut Mynor Melgar von der Abteilung für Verstösse gegen das Patentrecht werde ein Teil der Produkte in Guatemala selbst produziert. Ein weiterer Teil stamme aus China und gelange über die mexikanische Grenze nach Guatemala. Melgar ist der Auffassung, dass CDs und DVDs vorwiegend in kleinen Familienunternehmen hergestellt würden. Zur Herstellung genüge ein einfacher Computer im Wert von 650 US-Dollar und die meisten der Familien, die in diesem Geschäft tätig sind, gehörten zum ärmeren Teil der Bevölkerung. Nach Angaben Melgars gibt es auch keine Hinweise darauf, dass das zugegebenermassen "lukrative Geschäft" des Verkaufs von Produktfälschungen im Zusammenhang zum organisierten Verbrechen stünde. Bevor das Freihandelsabkommen in Kraft trat, lag die Strafe für Patentrechtsverletzungen bei ein bis vier Jahren auf Bewährung, nach in Kraft treten, wurde diese auf sechs Jahre ohne Bewährung angehoben. Die Handelskammer AmCham, die eine konsequente Umsetzung der im Abkommen festgelegten Vereinbarungen fordert, verlangt die Anhebung des Strafmasses auf zehn Jahre, was laut Melgar "keine Lösung darstellt". Angesichts der hohen Zahl von beteiligten Personen würde das nur zu einer Überlastung des Justizapparates führen. |
Original-PDF 382 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 --- Nächstes Fijáte