Ausnahmezustand: Bush war da
Fijáte 381 vom 21. März 2007, Artikel 2, Seite 3
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Ausnahmezustand: Bush war da
Guatemala, 13. März. Und sein 24stündiger Besuch in Guatemala auf seiner Lateinamerikareise (siehe ¡Fijáte! 380) hinterlässt bloss einen fahlen Nachgeschmack. Der einzige etwas konkretere Vorschlag des US-Präsidenten ist ein regionaler Plan gegen den Drogenhandel und gemeinsame Anstrengungen gegen die Jugendbanden. Der US-guatemaltekische Antidrogen-Plan Maya-Jaguar wird derweil fortgesetzt. Ach, und Bush ist bereit, die Internationale Kommission gegen die Straflosigkeit in Guatemala (CICIG) zu unterstützen. Hinsichtlich der guatemaltekischen Hauptsorge um die Landsleute, die ohne Dokumente in den USA leben, aber besonders in der letzten Zeit massiv, rücksichtslos und mit vielseitiger Schikane deportiert werden, zog sich Bush schamlos aus der Affäre: "Wir sind dazu verpflichtet, die Personen mit Respekt zu behandeln, aber wir müssen auch das Gesetz respektieren." Und solange sich an diesem nichts ändert, gehen die Deportationen weiter. Doch der US-Präsident zeigte sich optimistisch und kündete Änderungen des Migrationsartikels für August an, bei denen zumindest ein Zeitarbeitsprogramm verabschiedet werden soll, um die Mehrheit der "Illegalen" zu dokumentieren. Die endgültige Entscheidung wird beim US-Senat liegen. Aus verschiedenen Gründen war Bushs Kommen im Vorfeld als Beleidigung gegen Guatemala bezeichnet worden. Die Zivilbevölkerung, inklusive der Katholischen Kirche, kritisierte u.a. die Unverfrorenheit des Besuchers, dass noch am Tag seiner Abreise aus Washington in Massachusetts bei einer Fabrik-Razzia 332 GuatemaltekInnen festgenommen und deportiert und auf diese Weise 224 Minderjährige schutzlos zurückgelassen wurden. Während des Aufenthaltes von Bush, seiner Frau Laura und Staatssekretärin Condoleezza Rice herrschte in Guatemala an einigen Orten der Ausnahmezustand. In der Hauptstadt wurden von Sonntagmittag bis Montagabend ganze Strassenzüge für den Auto- und Fussverkehr gesperrt, der Luftraum wurde für privaten Verkehr komplett und für kommerzielle Flüge wiederholt für Stunden geschlossen, in dieser Zeit ankommende Fluggäste wurden in andere Länder umgeleitet. Zahlreiche Sicherheitskameras wurden installiert, verdeckte AgentInnen bevölkerten die Stadt und Konvois von 200 Autos transportierten die Sicherheitskräfte. Der US-amerikanische Secret Service hatte schon Tage vorher das Kommando übernommen. Aufgrund der gesperrten Strassen konnten viele Geschäftsleute ihre Läden gleich zulassen, zudem wurde die Versorgung der Hauptstadt mit Gemüse und Obst aus dem Hochland beeinträchtigt, wurden doch den Montag über 40 km der Panamericana gesperrt. Bush sollte nämlich das Dorf Santa Cruz Balanya und die archäologische Stätte Iximché in Tecpán, beides im Departement Chimaltenango, besuchen. Nach oben |
Doch auch hier ging der Ausnahmezustand gleich weiter. In Sta. Cruz, das als Landwirtschaftsmodellprojekt gilt, waren zuvor einige wohl zu elend aussehende Häuser mit neuem Dach und Farbe für ein "schönes Stadtbild" ausgebessert, währenddessen der Secret Service alle Häuser durchsuchte, sie teilweise besetzte und auf einschüchternde Weise die Bevölkerung bei Versammlungen instruierte, wie sie zu verhalten hätten - so wie es militärische Praxis während des internen bewaffneten Konflikts war. Als der hohe Besuch das Dorf betrat, wurden die nationalen JournalistInnen eine gute halbe Stunde in der Schule eingesperrt; Scharfschützen waren auf den Dächern rund um Bushs Flaniermeile positioniert, Kampfhubschrauber überflogen die Gegend. Derweil hatten Maya-Priester und -Organisationen den angekündigten Besuch von Bush in Iximché als Affront gegen die Ahnen und die indigene Kultur bezeichnet, die sich seit der Conquista gegen den Imperialismus verteidigt habe und jetzt nicht einmal konsultiert wurde, ob der Gast die heilige Stätte betreten dürfe. Ausserdem stelle es einen Missbrauch der Kultur dar, dass die AnwohnerInnen von der Regierung dazu aufgefordert wurden, traditionelle Tänze und das Maya-Ballspiel aufzuführen. Noch bevor Bush ankam, wurde angekündigt, nachher eine spirituelle Säuberung des Ortes durchzuführen, stelle Tecpán schliesslich Ende März den Sitz für den III. Kontinentalen Gipfel der indigenen Völker und Nationalitäten Lateinamerikas, auf dem just eine gemeinsame Strategie erarbeitet werden soll, wie der US-amerikanischen Politik zu begegnen sei. In Iximché wurden die nationalen JournalistInnen unterdessen ins Museum ein gesperrt. Die Tatsache, dass überhaupt nur die schriftliche Presse und zwei Fernsehsender autorisiert waren, die Visite zu dokumentieren, stellte den Höhepunkt der Einschränkung der Pressefreiheit dar. Während Bush am Montagabend im Nationalen Kulturpalast dinierte, kam es zu Zusammenstössen zwischen DemonstrantInnen und der Polizei, die, vom Militär tatkräftig unterstützt, mit Tränengas und Gewalt die siebenstündige Manifestation zu kontrollieren suchte. Zwei Personen wurden festgenommen, drei Mädchen und zwei Frauen wurden mit Tränengasvergiftungen ins Krankenhaus gebracht. Am Samstag zuvor hatten vornehmlich Studierende der Universität San Carlos einen Protestmarsch veranstaltet, der bis zur Nordamerikanischen Botschaft führte. Auf dem Weg besprühten sie diverse Wände und Monumente mit Anti-Bush-Graffitis und verbrannten vor der Botschaft US-amerikanische Flaggen. Vom Dach des Gebäudes aus wurden sie dabei vom Secret Service fotografiert und gefilmt. Und wieder einmal hat die Regierung die Souveränität des Landes aus der Hand gegeben. |
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