Politische oder apolitische Gewalt?
Fijáte 387 vom 13. Juni 2007, Artikel 7, Seite 4
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Politische oder apolitische Gewalt?
Guatemala, 05. Juni. Bis Ende Mai meldeten die guatemaltekischen Medien die Ermordung von bisher 45 KandidatInnen und SympathisantInnen verschiedener Parteien, alle umgebracht im Rahmen des aktuellen Wahlkampfes. Die jüngsten Beispiele sind die Ermordung des Bürgermeisterkandidaten für Zacapa der Partei Encuentro por Guatemala (Partei, für die Rigoberta Menchú kandidiert) und eines Aktivisten der Frente Republicano de Guatemala (Partei von Efraín Ríos Montt) in Escuintla am letzten Mai-Wochenende. Die meisten Tote hat bisher die Partei des die Umfragen anführenden Präsidentschaftskandidaten Álvaro Colom, die Unidad Nacional de Esperanza (UNE) zu verzeichnen. Gemäss der Wahlbeobachtungsmission der Organisation Amerikanischer Staaten (OEA) ist in den nächsten Monaten mit einer weiteren Zunahme der Gewalt zu rechnen. Allgemein ist man sich einig, dass es sich in diesen Fällen um "politische" Gewalttaten handelt und hat dafür auch bereits einen entsprechenden Begriff kreiert: Vor-Wahl-Gewalt, von der grundsätzlich jeder und jede betroffen sein kann, der oder die sich politisch exponiert. Fachleute unterscheiden dabei zwischen drei verschiedenen Arten politischer Gewalt: parteiinterne, zwischen den Parteien ausgeübte und vom organisierten Verbrechen ausgehende Gewalt. Gleichzeitig ist in den letzten Monaten eine Zunahme von Überfällen und Drohungen gegen Nichtregierungsorganisationen zu verzeichnen (siehe ¡Fijáte! 386). Diese Angriffe werden in der Regel von den Medien und den zuständigen Behörden als "kriminelle Raubüberfälle" bezeichnet, womit ihnen einerseits abgesprochen wird, dass sie möglicherweise politisch motiviert sind. Anderseits verbucht man sie lakonisch unter dem "Naturereignis" Vor-Wahl-Gewalt und geht zur Tagesordnung über. Nach oben |
Das jüngste Beispiel für einen solch "apolitischen Überfall" ist die Ermordung von María Crístina Gómez, und ihrem Sohn Conrado Gómez, die am 3. Juni in der Gemeinde El Chal, Petén, morgens um halb sechs in ihrem eigenen Haus erschossen wurden. María Crístina Gómez war Mitarbeiterin der Frauenpastorale von Santa Ana und El Chal und ebenso wie ihre Tochter Edith, die bei dem Überfall verletzt wurde, Mitglied der Frauenorganisation Ixqik. Die sich ehemals stark zum Thema der Frauenmorde engagierende Organisation, die ihre Büros in Santa Elena hat, wurde seit 2005 mehrmals überfallen und ihre Mitarbeiterinnen bedroht, was dazu führte, dass sich die Frauen eine neue Strategie für ihre Arbeit überlegten und einen Teil des Personals auswechselte. Die Hauptarbeit von Ixqik konzentriert sich seither auf politische Bildungsarbeit im öffentlichen und privaten Umfeld für Frauen, während der Bereich der juristischen Beratung und Begleitung gewaltbetroffener Frauen an die Sozialpastorale abgegeben wurde, bei der die ermordete María Gómez arbeitete. Die Morde an Frau Gómez und ihrem Sohn unter dem Klima der Vor-Wahl-Gewalt einzuordnen, wäre eine Simplifizierung der Tatsachen. Niemand in dieser Familie und keine der nationalen und internationalen Organisationen, die in den letzten Monaten überfallen wurden, sind parteipolitisch aktiv, sondern sie arbeiten für Entwicklung, Demokratisierung und Gerechtigkeit in Guatemala. Worum geht es dann, welche Botschaft will man an welche EmpfängerInnen richten? Gemäss eines Kommentars von Helmer Velázquez in der Internetnetzeitschrift Albedrío geht es bei solchen Drohungen darum, den internationalen Nichtregierungsorganisationen und ihren guatemaltekischen PartnerInnen klarzumachen, dass jegliche Bemühungen und Demokratie im Land keine Zukunft haben und dass die Internationale Zusammenarbeit mit Guatemala für die Katz ist. - Wenn das keine hochpolitische Botschaft ist! Die Redaktion des ¡Fijáte! solidarisiert sich mit allen sozialen Organisationen in Guatemala, die (politischen oder apolitischen!) Überfällen oder Drohungen ausgesetzt sind und ermutigt sie, mit ihrer wichtigen Arbeit weiterzumachen. |
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