Was isst die ländliche Bevölkerung?
Fijáte 387 vom 13. Juni 2007, Artikel 4, Seite 3
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Was isst die ländliche Bevölkerung?
Guatemala, 08. Mai. Die wachsende Nachfrage nach weissem und gelbem Mais für die Produktion des Agrobrennstoffs Ethanol hat die internationalen Maispreise in die Höhe schnellen lassen. Dies hat natürlich auch Einfluss auf den guatemaltekischen Maismarkt, wo im ersten Quartal 2007 die Maispreise um bis zu 70% angestiegen sind. In einem Land wie Guatemala, wo Mais eines der Grundnahrungsmittel ist, haben solche Preiserhöhungen drastische Auswirkungen auf das Budget und somit auf die Ernährung der einzelnen Familien. Die Welternährungsorganisation FAO befürchtet, dass durch den Anstieg des Maispreises in Kombination mit dem Klimawechsel ein wachsendes Risiko für die Garantie der Ernährungssicherheit vor allem der KleinproduzentInnen in ärmeren Regionen besteht. Die Produktion von Ethanol hat sich seit Beginn des Jahrhunderts vervierfacht und es wird damit gerechnet, dass im Jahr 2006 ein Fünftel der weltweiten Produktion von gelbem Mais in die Autotanks geflossen ist. Die Nichtregierungsorganisation CONGCOOP rechnet vor, dass sich Guatemala von einem Land, das sich noch im Jahr 1985 mit Mais selbst versorgen konnte, in ein vom Maisimport abhängiges gewandelt hat. Aktuell wird ein Drittel des landesweit konsumierten Maises importiert. Wie kommt das? Der Vizeminister für Ernährungssicherheit, César Fión, betont, dass die Verteuerung des Maises nichts mit der Inkraftsetzung des Freihandelsabkommens CAFTA mit den Vereinigten Staaten zu tun habe, da dort entsprechende Schutzmechanismen vorgesehen seien, die einen dermassen rasanten Preisanstieg, wie er im Moment festzustellen sei, verhinderten. Die schrittweise Aufhebung der Einfuhrzölle für Mais sei erst für das Jahr 2015 vorgesehen. Das Problem des steigenden Preises sei vielmehr, so Fión, dass Tausende von Zentnern Mais illegal nach Mexiko geschmuggelt würden und es so vor allem in den Grenzregionen zu Mexiko zu einer Verknappung und entsprechenden Verteuerung des Maises komme. (Der Maispreis in Mexiko wurde durch die ebenfalls wegen der Ethanolproduktion ausgelöste so genannte Tortilla-Krise Mitte letzten Jahres innerhalb kürzester Zeit verdoppelt, der billigere Mais aus Guatemala findet entsprechend guten Absatz auf dem mexikanischen Markt.) Eine weitere Besorgnis erregende Entwicklung findet im Osten des Landes statt, wo ausländische Unternehmen begonnen haben, von den BäuerInnen Land zu pachten, um darauf Zuckerrohr für die Ethanolproduktion anzubauen. Es ist absehbar, dass die BäuerInnen mit dem Pachtgeld nicht überleben können und darauf angewiesen sein werden, auf diesen Zuckerrohrplantagen Arbeit zu finden. GegnerInnen des Freihandelsabkommens mit den Vereinigten Staaten argumentieren jedoch, dass in diesem Abkommen zuwenig Schutzmechanismen eingebaut sind, um die Asymmetrien zwischen den Zentralamerikanischen und US-amerikanischen Wirtschaftssystemen auszugleichen. So können z.B. die MaisproduzentInnen Guatemalas, die an steilen Hängen und meist in Handarbeit produzieren, auch auf dem guatemaltekischen Markt nicht mit dem importierten, in mechanisierter Produktionsweise hergestellten und staatlich subventionierten US-Mais konkurrieren. Die gesteigerte Nachfrage nach Mais und die Inkraftsetzung des CAFTA habe Guatemala noch verletzlicher gemacht, was die Fluktuationen auf dem Weltmarkt des Maises betrifft, heisst es in einer Erklärung der CONGCOOP. Nach oben |
Gemäss dem Mesoamerikanischen Frühwarnungssystem für die Ernährungssicherheit (MFEWS), werden die kommenden Monate vor allem für die armen Familien schwierig werden. Es ist die Zeit, wo die selbst produzierten Vorräte zu Ende gehen, und bis zum Beginn der Ernte im August/September die Grundnahrungsmittel dazugekauft werden müssen. Die Erhöhung des Maispreises wird einen Rückgang des Konsums zur Folge haben, der jedoch nicht wettgemacht werden kann durch den zusätzlichen Konsum von Bohnen oder Reis, da die Preise dieser beiden Grundnahrungsmittel noch höher sind als derjenige des Maises. Im Fall des Reises hat die Preissteigerung u. a. damit zu tun, dass in den USA der Anbau von Reis durch den für die Ethanolproduktion verwendeten Mais ersetzt wurde. Der Dachverband der guatemaltekischen BäuerInnenorganisationen, CNOC, hat im ganzen Land rund 50 Gemeinden ausgemacht, die in den nächsten Wochen mit einer durch die Lebensmittelknappheit ausgelösten Hungersnot rechnen müssen. Die Antwort der guatemaltekischen Regierung darauf ist eine vorübergehende Lebensmittelhilfe für die betroffenen Familien. Der ehemalige Leiter des Sekretariats für Ernährungssicherheit (SESAN), Andrés Botrán, hat Ende Mai aus Protest gegen diese Politik seinen Posten gekündigt. "Nahrungssicherheit geht weiter als die Bekämpfung von Unterernährung. Wir können nicht einen Heiligen ausziehen, um damit einen anderen zu bekleiden", erklärte Botrán seine Rücktritt. Nichtregierungsorganisationen sind besorgt über die Kündigung des Sekretariatsleiters und die Richtung, welche die Regierung in Sachen Ernährungssicherheit eingeschlagen hat. Man könne die Situation nicht mit assistentialistischer Lebensmittelhilfe wie nach einer Naturkatastrophe lösen, sondern es müsste an den strukturellen Ursachen (er bezog sich damit u. a. auf das Freihandelsabkommen CAFTA) der Lebensmittelknappheit etwas verändert werden, erklärte Rony Palacios vom Guatemaltekischen Netzwerk für Ernährungssicherheit (Redsag). |
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