Coloms Entscheidungen: "Unter Druck" oder "vertan"?
Fijáte 412 vom 18. Juni 2008, Artikel 5, Seite 5
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Coloms Entscheidungen: "Unter Druck" oder "vertan"?
Guatemala, 13. Juni. Angesichts der weltweiten Nahrungsmittelkrise und extremen Erdölpreise, die auch die aktuelle Situation in Guatemala verschärfen, entschied Álvaro Colom kürzlich, das Präsidiale Dekret 40-74 zu verhängen, das aus dem Jahr 1974 stammt und die Besitzer von landwirtschaftlichen Flächen, die über die Grösse von 70 Hektar hinausgehen, zwingt, auf 10% der Fläche Getreide anzubauen. Doch die Reaktion des Privatsektors, die Drohung der Landwirtschaftskammer, vor das Verfassungsgericht zu ziehen, sowie die Kritik von AnalystInnen wie JournalistInnen, die diesem Sektor nahe stehen, liessen nicht auf sich warten und fielen harsch aus: Das Dekret "ist verfassungswidrig, obsolet, verstösst gegen die individuelle Freiheit, die Freiheit des Unternehmens, des Marktes, etc." zitiert David Dubón in seinem Artikel in Inforpress Centroamericana einige der in die Debatte geworfenen Zuschreibungen. Einzig der Markt zählt, war die Botschaft. Schliesslich zog Colom sein Dekret denn auch wieder zurück, bezeichnete aber seine BeraterInnen als verantwortlich, sich in dem Verfahren vertan zu haben, das in der aktuellen Situation anzuwenden sei. Gleichzeitig bietet dieses Thema einen weiteren Stein des Anstosses innerhalb der Regierungspartei selbst. Denn nachdem Colom seine Partei für das Dekret erwärmt hatte, dieses, das er selbst inzwischen als "anachronistisch" bezeichnet, jedoch verworfen hat, verweist er jetzt nur noch auf den definitiv eingelegten Rückwärtsgang gegenüber der Initiative von 20 Mitgliedern von Coloms Partei der Nationale Einheit der Hoffnung (UNE), die einen dem Dekret ähnlichen Gesetzesvorschlag voranbringen wollen. Leonel Castañeda, Präsident der Landwirtschaftskommission im Kongress, erläutert die Opposition gegen den offiziellen Kurs, das Dekret sei zurückgezogen worden, ohne eine andere Alternative für die Bevölkerung zu haben. Für Daniel Pascual, Vorsitzender des BäuerInnenkomitees CUC, der die Rückzugsentscheidung von Colom als absurd bezeichnet, ist diese gleichzeitig ein Zeichen für Coloms Nähe zum Sektor der Grossgrundbesitzer des Landes und verspottet den Hunger und das Elend, in dem ein Grossteil der Bevölkerung lebt. Das Dekret dagegen wäre durchaus eine verantwortungsvolle Umsetzung des Versprechens der Nahrungssicherung gewesen. Einmal mehr habe der Präsident nun den Ärmsten des Landes den Rücken gekehrt, denn noch nicht einmal die entsprechende Gesetzgebung werde entschieden vorangetrieben. Dabei hätte, so Pascual, das Dekret nicht nur den BäuerInnensektor begünstigt, sondern hätte auch für eine Preissenkung für die städtische Bevölkerung gesorgt. Und gleichzeitig wäre es ein erster Schritt zurück zum Konsum von nationalen und qualitativ besseren Produkten als den importierten gewesen. Nach oben |
Inzwischen würden von der Industriekammer jährlich 15 Mio. Zentner gelber, gentechnisch veränderter Mais eingeführt. Dadurch seien im Jahr rund 30 Mio. Tageseinkommen im Produktionssektor der Grundgetreide verloren gegangen, berichtet Pascual. Nicht zum ersten Mal hatte der Mandatsträger im Vorfeld der Entscheidungsverkündung an die Solidarität appelliert als Konzept, das der Suche nach Lösungen für die herrschenden Probleme zu Grunde liegen sollte. Doch, so erinnerte der Kolumnist Tomás Rosada erst kürzlich: "Der Markt kennt diesen Begriff nicht". Und daran, so Dubón, sollte sich der Präsident jedes Mal erinnern, wenn er darüber nachdenke und entscheide, Massnahmen durchsetzen zu wollen, die den Anschein haben könnten, das Funktionieren des Marktes zu verändern. Ansonsten ginge es so weiter wie bereits mit einigen angekündigten politischen Vorhaben. Beispielsweise jene in den Bereichen Steuern, Arbeitsrecht, Handel, Zoll, Energie, Wirtschaft, Soziales und Sicherheit - viele davon sind auf eine starke Opposition gestossen, der Colom dann nachgegeben hat, indem er seine Pläne zurückzog. Darunter befanden sich sein durchaus sozialdemokratischer Vorschlag, aufgrund der unabsehbaren Preisentwicklung für zahlreiche Grundnahrungsmittel fixe Preise zu vereinbaren, aber auch sein Versprechen der Stellenvergaben an seine AnhängerInnen, die Ernennung von FunktionärInnen oder auch recht zu Beginn seiner Amtszeit sein Stimmungswechsel in Sachen Todesstrafe. |
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