Ramiro Choc verurteilt
Fijáte 433 vom 22. April 2009, Artikel 4, Seite 5
Original-PDF 433 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 --- Nächstes Fijáte
Ramiro Choc verurteilt
Guatemala, 30. März. Die Strafgerichtsinstanz in Izabal verurteilte am 26. März diesen Jahres Ramiro Choc zu acht Jahren Gefängnis ohne Bewährung. Mehr als ein Jahr nach seiner Festnahme wird der BäuerInnenaktivist nun verantwortlich gemacht für schweren Raub am Staat. Mitte Februar 2008 hatte Choc, auch Führungsmitglied der Nationalen Koordinationsstelle der Bäuerlichen Organisationen (CNOC), gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung gegen das fehlende Interesse der Regierung an der bestehenden lokalen Landproblematik protestiert. Laut der ZeugInnen seiner Verhaftung sei diese illegal, weil sie ohne Beweisgrundlage vonstatten gegangen sei. Vielmehr sei sie auf eine Anzeige eines Grossgrundbesitzers zurückzuführen, mit dem es einen Streit um die Legalisierung einer Finca in Livingston gibt. Schon länger gilt Choc als Anstifter für Landbesetzungen in Schutzgebieten und Fincas in den Departemtens Izabal und Alta Verapaz. Seit Februar nun forderten die lokalen BäuerInnen - unterstützt von internationalen Eilaktionen - Chocs Freilassung und hatten diesbezüglich selbst mit der Geiselnahme von zunächst einer Gruppe von PolizistInnen und schliesslich von vier belgischen TouristInnen, die mit grossem Gewaltaufmarsch von Seiten der Streitkräfte aufgelöst wurde, keinen Erfolg (siehe ¡Fijáte! 406). Bei der Urteilsverkündung erklärten die Richter, die Staatsanwaltschaft habe nicht ausreichende Beweise geliefert, um auch die Verantwortlichkeit von Choc wegen der ihm zunächst vorgeworfenen schweren widerrechtlichen Aneignung und illegalen Festnahme nachzuweisen. Chocs Anwalt, Sergio Beltetón, kündigte an, Einspruch gegen das Urteil zu erheben, denn es sei nicht verbürgt, dass die vermeintlich gestohlenen Waffen überhaupt in den Deklarationen der PolizistInnen genannt werden, zudem widersprächen diese sich in ihren Zeugnisaussagen. Während der Urteilsverkündung demonstrierten vor dem Gerichtsgebäude rund 300 BäuerInnen mit roten Tüchern und Kappen mit dem Emblem des Komitees der BäuerInneneinheit (CUC) und Plakaten für Chocs Freilassung. "Ich bin politischer Häftling, sie haben mich verurteilt, weil ich Indígena bin", meinte Choc beim Verlassen des Gerichtes. Im ganzen Tumult der Nachrichten Ende März war die Notiz über Chocs Verurteilung eine kleine am Rande. Zwar wurde sie in manchen Kommentaren als beispielhaft erwähnt, doch nur die Antroplogin Irmalicia Velásquez Nimatuj setzte sie in einen ausführlicheren Kontext. Sie schreibt in der Tageszeitung el Periódico folgendes: "Ich verstehe nicht, wie der Staat heutzutage angesichts der verfügbaren Informationen von wissenschaftlichen Studien bis hin zu Luftaufnahmen, die den Landraub und die historischen wie aktuellen Übergriffe gegen das Volk der Q´eqchi´ dokumentieren, in die Unverantwortlichkeit abrutschen kann, Ramiro Choc zu beschuldigen, 26 Gemeinden anzuführen, um Land zurückzufordern, das ihnen gehört. Es scheint, dass der Blick derer, die das Land verwalten, blind ist und es ihnen verbietet zu verstehen, dass die Gemeinden, mit oder ohne Ramiro, nicht von ihren Forderungen abkommen werden. Seit ich Ramiro kennengelernt habe, habe ich die dicke Akte seines Falls durchgeschaut und festgestellt, dass hinter seiner Lebens- und Kampfesgeschichte zugunsten der Landgerechtigkeit, ganz klar die wesentlichen Unterdrückungsmechanismen zu erkennen sind, die das Leben der Indígenas gezeichnet haben. Chocs Haltung ist nicht so aussergewöhnlich, wie es die LandbesitzerInnen, die ihn bezichtigen, darstellen, unterstützt von einigen Umweltschutzorganisationen, die starke wirtschaftliche Interessen in der Gegend vertreten und sich an den Forderungen der BäuerInnen stören. Nach oben |
Interessant ist, dass die Presse die Anschuldigungen ohne irgendeine Prüfung übernommen hat, beispielsweise, dass Ramiro ein Dutzend Bodyguards habe, dass er moderne Waffen besitze, dass er Fincas besetze und später verkaufe. Dass er ein Klima von Terror und Anarchie verbreite, denn 'er betrüge die BäuerInnen, indem er ihnen sagt, dass das Land aufgrund der historischen Vorgeschichte ihnen gehöre'. Dieses letzte ist ein eindeutig rassistisches und überholtes Argument, das ausblendet, dass es die BäuerInnen als Familien oder Gemeinden sind, die ihre Ländereien und die Vertreibungen, die sie erlebt haben, am besten kennen und niemanden brauchen, der sie wie eine Schafherde hereinlegt und zum Schlachter führt. Es ist das gleiche Argument, dass in den 70er und 80er Jahren im kalten Krieg genutzt wurde, als dem Kommunismus unterstellt wurde, den Verstand der BäuerInnen zu vergiften und der verantwortlich gemacht wurde für die Massaker und den Völkermord, um die Taten des Militärs und des Staates zu rechtfertigen. Diejenigen, die dieses hinfällige Argument anführen, merken nicht, dass die BäuerInnen noch nicht einmal den ersten Band von Marx´ Kapital zu lesen brauchen, denn sie leben die Umstände der extremen Ausbeutung Tag für Tag, die sie von ihren Eltern geerbt haben und die sie, wenn sie nicht handeln, an ihre Kinder weitervererben". |
Original-PDF 433 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 --- Nächstes Fijáte