Álvaro, wo bleibt deine Intelligenz?
Fijáte 420 vom 08. Oktober 2008, Artikel 2, Seite 4
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Álvaro, wo bleibt deine Intelligenz?
Das kürzlich erschienene Memorandum der US-amerikanischen Exekutive über die am stärksten von der Drogenmafia beherrschten Länder schenkt Zentralamerika weit mehr Aufmerksamkeit als in vergangenen Jahren. Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass die ergriffenen Massnahmen gegen den Drogenhandel in Mexiko und Kolumbien dazu geführt hätten, dass sich das Geschäft nun stärker in Zentralamerika ausbreite. Beispiele dafür sind die immer häufiger auf guatemaltekischem Boden ausgetragenen Drogenbanden-Kriege wie die als "Schlächterei von Zacapa" in die Geschichte eingegangene Abrechnung zwischen zwei Drogenkartellen, die im letzten März neun Tote forderte. Guatemala wird konkret geraten, aggressiver gegen diese Form des organisierten Verbrechens vorzugehen. Zwar wird im Bericht darauf hingewiesen, dass die Tatsache, dass ein Land auf der Liste der vom Drogenhandel beherrschten Länder stehe, noch lange nicht bedeute, dass dieses Land sich nicht bemühe, dem Übel etwas entgegenzusetzen. Bloss drei Länder werden namentlich genannt, weil sie die internationalen Anti-Drogen-Abkommen nur ungenügend umsetzten: Bolivien, Venezuela und Burma. Ob als Antwort auf den Bericht oder nicht - der guatemaltekische Präsident Álvaro Colom reagierte umgehend und verkündete seine neuesten Ideen zur Drogenbekämpfung: Als erstes wurde in Puerto Barrios, Departement Izabal, eine im Rahmen der Friedensabkommen geschlossene Militärkaserne wieder in Betrieb genommen und mit 500 Vertretern der militärischen Spezialeinheit "Kaibiles" mit ihren entsprechenden israelischen Waffen bestückt. Auch die schon im Sommer andiskutierte Idee, das Militär von aktuell 15'500 auf 19'000 und bis zum Jahr 2010 auf 25'000 SoldatInnen aufzustocken, ist nicht zuletzt auf Druck der USA und der eigenen politischen Opposition entstanden. Zudem sollen speziell für die Drogenhandelsbekämpfung ausgebildete und dschungeltaugliche sogenannte Grünhelme eingesetzt werden. Wollte Colom noch während seiner Wahlkampagne den Drogenhandel und das organisierte Verbrechen "mit Intelligenz" bekämpfen, nähert er sich immer mehr dem Kampfmittel seines damaligen Konkurrenten Otto Pérez Molina an: der eisernen Faust. Nur zu gerne ist er dabei bereit, diese Faust auch zur hohlen Hand zu machen, wenn es darum geht, die finanzielle Unterstützung für die Bekämpfung des Drogenhandels und die Aufstockung des Militärs von den Vereinigten Staaten zu bekommen. Nach oben |
Vergessen wird in dieser ganzen Diskussion, dass der zunehmende Drogenhandel in Zentralamerika eine Folge der US-amerikanischen Drogenpolitik der letzten 20 Jahre ist. Noch in den 70er und 80er Jahren führte die Lieblingsroute der Drogenkartelle von Medellín und Calí durch die Karibik, doch die Präsenz der US-amerikanischen Anti-Drogen-Behörde in dieser Region zwang die Drogenhändler, neue Routen zu suchen. Bereits 1998 durchquerte 59% des Kokains, das in die USA eingeführt wurde, Zentralamerika, heute sind es rund 90%. Gemäss dem US-amerikanischen Journalisten Frank Smyth, der seit 15 Jahren die Drogenthematik in Guatemala verfolgt, wurde seitens der USA mit einer kleinen Ausnahme im Jahr 2003, als Guatemala für kurze Zeit auf der Schwarzen Liste der drogendurchlässigen Länder stand, nie grosses Interesse an den drogenhändlerischen Vorgängen in diesem Land gezeigt. Viel lieber konzentrierte sich die US-amerikanische Regierung darauf, die Länder mit linker Regierung wie Bolivien oder Venezuela der Drogenproduktion und des Drogenhandels zu beschuldigen. Dieses politisch begründete Desinteresse rächt sich heute, denn während all der Jahre konnte sich ein System ausbreiten, das durch Korruption genährt und durch Straflosigkeit geschützt ist. Dagegen hilft auch der diesen Sommer verabschiedete Plan Mérida, mit dem die Vereinigten Staaten Mexiko und Zentralamerika bei der Drogenbekämpfung unterstützen wollen, nicht viel. Gemäss der US-amerikanischen Nichtregierungsorganisation WOLA ist der Plan Mérida reine Pflästerchenpolitik, die hier und dort kleine (und innert kürzester Zeit korrumpierbare) Sondereinheiten à la Grünhelme aufstellen will, aber grundsätzliche politische Reformen ausser acht lässt. Das Thema der Straflosigkeit hingegen wolle man gemäss Frank Smyth seitens der Republikaner im US-amerikanischen Kongress nicht angehen. Denn dabei käme man nicht umhin zu sehen, dass deren Wurzeln bei den Menschenrechtsverletzungen der 80er Jahre zu suchen sind. |
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