Die Verteidigung hält sich bedeckt
Fijáte 422 vom 05. November 2008, Artikel 2, Seite 3
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Die Verteidigung hält sich bedeckt
Guatemala, 03. Nov. Das Verteidigungsministerium hat in diesem Jahr 4,3 Mio. Quetzales (ca. US-$ 590´000) als Belohnung an mutmassliche InformantInnen gezahlt, ohne dass bislang bekannt ist, ob welcher Art von Informationen und hinsichtlich welcher Schwerverbrechen diese grosszügigen Ausgaben gerechtfertigt sind. Kurz bevor im kommenden Monat bis zum 30. November wohl der Staatshaushalt 2009 diskutiert wird, kommen bei AnalystInnen und PolitikerInnen einmal mehr Zweifel auf, die die eingeschränkte Transparenz in Bezug auf den Verwendungszweck öffentlicher Gelder in Frage stellen, die im Verteidigungsministerium unter dem Titel Sicherheit und Ermittlung laufen. Nicht zuletzt, weil das Innenministerium, die offiziell einzige Institution mit dem Mandat, sich um die öffentliche Sicherheit zu kümmern und diejenigen zu fassen, die Justizflüchtig sind. Und just dieses Ressort hat die diesbezüglich zweckgebundenen Haushaltsposten um die Hälfte auf rund 755´000 Quetzales gekürzt und selbst davon bislang keinen Centavo ausgegeben. Dagegen hat das Verteidigungsministerium - ohne vorhandene Kriminalermittlungsabteilung seine Belohnungsgeldkasse von 1,2 auf 5,4 Mio. aufgestockt Die Abgeordnete Nineth Montenegro von der Partei Encuentro por Guatemala, die traditionell ihr Argusauge auf die Haushaltsverwaltung speziell, aber nicht nur im Ressort der Streitkräfte gerichtet hält, berichtet, dass ihre Partei bereits im ersten Trimester eine gewisse Unausgewogenheit in der Zuweisung und Ausführung des Etatposten Belohnung sowohl im Innen- als auch im Verteidigungsministerium beobachtet hatten und deswegen die jeweiligen Minister zur direkten Anfrage zitierten. Der damalige Innenminister, Vinicio Gómez, konnte nichts dazu sagen, Marco Tulio García als Verteidigungsminister gab Zahlungen an Informanten in Fällen wegen Drogen und organisiertem Verbrechen an. Doch während dieses Jahres ist weder ein gesuchter Drogendealer noch ein relevantes Mitglied des organisierten Verbrechens gefasst worden, ausser dem ehemaligen Abgeordneten Manuel Castillo Medrano aus Jutiapa. Für Montenegro ist die Belohnungszahlung im Sicherheitsbereich eine rein zivile Verantwortlichkeit, entsprechend lautete auch der Originaltitel des Postens im Haushaltsplan "Prämien für Zivile Sicherheit". Doch in diesem Jahr ist der Name umformuliert worden in "Prämien für die Staatssicherheit" - Montenegros Reim darauf ist die Einbindung der Armee in diese Aufgabe. Die Haushaltserläuterung für den öffentlichen Sektor führt unter dem entsprechenden Posten 198 zum einen eben die Zahlung gegen Information auf, die für die Verhaftung von eines Verbrechens verdächtigen oder beschuldigten Personen dienlich sind. Daneben sind jedoch auch Ausgaben für Informationen von Privatpersonen an die staatlichen Geheimdienste als Nachweisoption aufgelistet, die an keinen festgelegten Zweck gebunden sind. Und auf diesen Zusatz beruft sich das Militär zur Rechtfertigung der Prämienzahlung. Und gleichzeitig ist an genaue Informationen nicht heranzukommen, also ungewiss, ob die Erklärung stimmt, da das Verteidigungsministerium sich jeglicher Offenlegung seiner Ausgaben verweigert. Marco Antonio Barahona, Analyst der Vereinigung für Forschung und Sozialstudien (ASIES) belässt seine Schlussfolgerung diplomatisch, wenn er sagt, dass diese Ausgaben Verdacht weckten, denn sie liessen die Vermutung aufkommen, dahinter würde eine willkürliche Handhabung der Ressourcen stecken. Montenegro kritisiert vielmehr die Definitionsformulierung: "Solche Haushaltsposten sind die, die meistens zur Verdeckung von Korruption genutzt wird." Auch wenn sich die Armee hinter dem Argument verschanze, es handele sich um Informationen der Staatssicherheit und sei somit geheim, müsse der Rechnungshof die Sache überprüfen, so die Abgeordnete. Aktuell stehen 30´000 Haftbefehle zur Ausführung durch die Zivile Nationalpolizei (PNC) aus, in 15 Fällen bietet die Regierung Belohnungszahlungen für Informationen - derweil jedoch heuer noch keine Verhaftung vonstatten ging, die eine Geldprämie Wert gewesen sei. Indes stehen die entsprechenden Telefone bei der PNC nicht still, doch Rendel Larios, stellvertretender Direktor, gibt an, die meisten Informationen seien falsch. Ausserdem würden Prämien nur in den Fällen gezahlt, in denen sie vorher angekündigt worden waren. Diese bewegen sich zwischen 50´000 und 250´000 Quetzales für Informationen über drei ausgebrochene Häftlinge des Gefängnisses Infiernito, zu neuen Personen, die in Verbindung gebracht werden mit der Veruntreuung von Gelder in den Banken Bancafé und Banco de Comercio Ende 2006, sowie über zwei Angeklagte wegen Drogenhandels, einer gesuchten Person wegen Mordes und über drei, die in Fällen der Wegnahme von Minderjährigen beschuldigt werden. Nach oben |
Doch das Verteidigungsministerium beruft sich nicht nur in finanziellen Fragen auf das Argument des Staatsgeheimnisses, dem seine Dokumente unterliegen sollen. Seit mehr als acht Monaten verweigert es die von Präsident Álvaro Colom zu Beginn seiner Regierung angekündigte Offenlegung der Militärarchive (siehe ¡Fijáte! 415) Nach zuvor vager Argumentation zieht jetzt Minister García die Verfassung, speziell deren Artikel 30 zur Begründung heran: Dieser besagt, dass alle Akten der öffentlichen Verwaltung öffentlich zugänglich sind - was durch das kürzlich verabschiedete Gesetz über den Zugang zu Information unterstützt wird - und die interessierten Personen haben das Recht, Kopien der Dokumente zu erhalten, ausser, wenn es sich um militärische Angelegenheiten oder diplomatische Vorgänge der nationalen Sicherheit handelt. Und solange nicht rechtlich geklärt sei, was unter einem Geheimnis der nationalen Sicherheit zu verstehen ist, könne er die Archive nicht herausgeben, so García. Iduvina Hernández, Leiterin der Organisation Sicherheit in Demokratie, zog unterdessen noch ein anderes Druckmittel aus der Tasche: Colom - in Funktion als Präsident gleichzeitig Oberster Befehlshaber über die Streitkräfte - habe im Februar den Befehl zur Herausgabe gegeben, somit müsste García wegen Befehlsverweigerung abgesetzt werden. Ausserdem habe das Verfassungsgericht schon 2004 längst einmal entschieden, dass die Unterlagen und Zeitdokumente aus dem internen bewaffneten Konflikt nicht dem Staatsgeheimnis unterlägen, das Archiv müsste also zur Sichtung und Analyse freigegeben werden. Derweil durchlaufen bereits 60 speziell angestellte MitarbeiterInnen des Friedenssekretariats (SEPAZ), das für die Untersuchung und Sicherstellung zuständig sein wird, eine Spezialausbildung in Archivierungstechniken und warten auf das Material. Das Menschenrechtsprokurat (PDH) hat dieser Tage im Zuge einer von der Myrna-Mack-Stiftung vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIIDH) vorgetragenen Klage im Namen von 28 Familien von Opfern des Konflitks Dokumente aus dem "Militärtagebuch" der CIIDH übergeben, die aus dem Archiv der Nationalpolizei stammen, das von der PDH derzeit konserviert wird. Für 16 der 28 Fälle kann das PDH-Material wohl als Beweismittel dienlich sein. Insgesamt enthält das Tagebuch Details über das Schicksal von 183 Personen. |
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