Die politische Dimension des Transportproblems: Was/Wer steckt dahinter?
Fijáte 210 vom 10. Mai 2000, Artikel 4, Seite 4
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Die politische Dimension des Transportproblems: Was/Wer steckt dahinter?
Guatemala, 3. Mai. PolitikerInnen verschiedenster Couler, PressekolumnistInnen und AnalytikerInnen überbieten sich in gegenseitiger Schuldzuweisung, Kommentaren und Analysen bezüglich der durch die Preiserhöhung im öffentlichen Busverkehr ausgelösten gewalttätigen Auseindersetzung der letzten Woche. Der folgende Artikel beruht auf einer Analyse des Institut für politische, wirtschaftliche und soziale Studien (IPES). Die Protesttage gegen die Preiserhöhung im hauptstädtischen Buswesen brachten einerseits den Führungsmangel der für die öffentliche Sicherheit zuständigen Institutionen an den Tag. Zum andern wurden einmal mehr die unterschiedlichen Interessen der verschiedenen, die Regierung beherrschenden Sektoren, deutlich gemacht. Zwischen dem 24. und dem 28. April hatte die guatemaltekische Gesellschaft mit Schrecken und Panik beobachten können, wie in wichtigen Einkaufszonen der Hauptstadt infiltrierte Banden (Maras) zu Figuren in einem Schachspiel zwischen der Regierungspartei FRG und der die Hauptstadt regierenden PAN wurden. Das Ziel dieses Spiels zwischen den beiden rechten Parteien war alles andere als die Suche nach einer weniger dramatischen Lösung für die Million HauptstädterInnen, die auf den öffentlichen Verkehr angewiesen sind. Präsident Alfonso Portillo und Kongresspräsident Efraín Ríos Montt (beide FRG) weigerten sich, gemeinsam mit dem Bürgermeister Fritz García-Gallont (PAN) eine sowohl für die Bevölkerung wie auch für die Busunternehmen akzeptable Lösung zu suchen. Im Gegenteil, sie liessen García-Gallont leerlaufen, was zu seinem politischen Ruin führte, mit dem Hintergedanken, bei den nächsten Wahlen im Jahr 2004 die Regierung der Hauptstadt wieder zurückzugewinnen. Dies konnte aber nicht über die unterschiedlichen Vorstellungen und Interessen der beiden (Ríos Montt und Portillo) bezüglich des täglichen politischen und ökonomischen Handelns und ihre innerparteilichen Schwierigkeiten hinwegtäuschen. Verschiedenste Interessen standen also auf dem Spiel während den gewalttätigen Auseinandersetzungen der letzten Woche. Das Szenario wurde von langer Hand geplant und hatte unter anderem die Schwächung der bürgermeisterlichen Autorität und somit das Provozieren seines Rücktritts zum Ziel, was ein klar manifestiertes Ziel des Vizepräsidenten Francisco Reyes López war. Den paramilitärischen Kräften gelang es, durch das Manipulieren der Maras, das politische, soziale und wirtschaftliche Geschehen der Hauptstadt während mehrerer Tage zu destabilisieren. Die Zivile Nationalpolizei sowie deren Spezialeinheiten hatten gegen die aus den marginalisierten Gebieten der Stadt ins Zentrum strömende Bevölkerung keine Chance. Rund 4000 PolizistInnen waren im Einsatz, trotzdem hatte die Polizei sowohl personelle als auch materielle Defizite aufzuweisen, ging ihr doch am 27. April das Tränengas aus... Ein anderes Ziel war es demnach, die Unfähigkeit des Polizeidirektors Baudilio Portillo Merlos (dem der FRG-Kongressabgeordnete Leopoldo Clavería den Rücktritt nahlegte) und des Innenministers Guillermo Wong (auf dessen Posten der ebenfalls FRG-Abgeordnete Byron Barrientos scharf ist) zu demonstrieren. Eine weitere Absicht hinter dem ausgeklügelten Szenario war es, mit den randalierenden Maras den pazifistischen Hungerstreik der StudentInnen in ein schlechtes Licht zu rücken und den immensen Aufmarsch der Volksbewegungen zu bremsen. Dies gelang jedoch nicht, sondern stärkte im Gegenteil die sozialen Bewegungen, die mit ihren friedlichen Demonstrationen ihr Potential unter Beweis stellen konnten. Ein Ziel vor allem Ríos Montt nahestehender Kreise war es, die Wirklungslosigkeit des Sekretariats für strategische Analysen (SAE) und dessen Leiters, Edgar Gutiérrez, unter Beweis zu stellen. Die Aufgabe des SAE war es, den Präsidenten auf die möglichen Konsequenzen der Fahrpreiserhöhungen hinzuweisen. Laut Gutiérrez wurde dies auch getan. Er habe dem Präsidenten einen ausführlichen Bericht übergeben, wo er ihn vor gewalttätigen Demonstrationen, Zusammenstössen und inklusive Toten gewarnt und darauf hingewiesen habe, dass die politischen Kosten nicht der Bürgermeister sondern die Regierung zu tragen haben werde. Portillo wurde entsprechend kritisiert, trotz Warnung keine Vorkehrungen getroffen zu haben. Der Polizeidirektor seinerseits versicherte, nichts von dem Dokument der SAE gewusst zu haben. Portillo gab zu, frühzeitig von der SAE gewarnt worden zu sein, rechtfertigt sich aber damit, dass ihm die Situation 'aus den Händen geglitten' sei, was aber offensichtlich nicht nur ihm so gegangen sei, sondern auch dem Bürgermeister, der Zivilgesellschaft, dem Kongress und den Medien. Nach oben |
Nebst den bereits aufgezählten, gab es noch andere Gründe, die für einen 'Destabilisierungsplan für die Hauptstadt' sprachen. Einer davon ist sicher, das Bild der Militärs etwas aufzupolieren, das durch die Anklage einiger (ehemals) ranghoher Militärs durch Rigoberta Menchú auf internationaler Ebene ziemlich angekratzt ist. Nun ging es darum, zu demonstrieren, dass das Militär die einzige Institution ist, die in diesem Chaos Gesetz und Ordnung wiederherstellen kann. Das Militär stand (mit Soldaten und Panzern) einsatzbereit an den strategisch wichtigen Stellen der Hauptstadt. Weshalb es schliesslich nicht eingegriffen hatte, ist unklar. Vielleicht hatte Portillo endlich begriffen, welches Ausmass der Konflikt angenommen hatte und dass mit dem Eingreifen des Militärs alles nur noch verschlimmert würde. Vielleicht kamen aber auch die Urheber des Plans zur Vernunft und realisierten, dass der Massenprotest der sozialen Organisationen bei der internationalen Gemeinschaft auf Solidarität und Verständnis stossen würde und eine militärische Intervention für Guatemala auf internationaler Ebene negative Folgen haben könnte. Immerhin wurde erreicht, dass für ein paar Tage die Schlagzeilen über Guatemala den Inhalt wechselten und die Klage Rigoberta Menchús gegen Ríos Montt etwas in den Hintergrund rückte. Zweifellos ging es bei dem ganzen Plan um die parteiinternen Streitereien der FRG: Die AnhängerInnen Ríos Montt's hofften dabei, die 'Portillistas' zu überrunden. Auch wenn es in den Medien heisst, Portillo sei nicht derjenige, der das Land regiert, haben sie ihr Ziel nicht ganz erreicht. Dafür haben sich die Differenzen zwischen den beiden Strömungen zugespitzt und etwas klarer definiert: Unter anderem geht es um die Kontrolle des Innenministeriums, der Polizei und des Sekretariats für strategische Analysen (SAE). Für die internationale Gemeinschaft haben die Vorkommnisse der letzten Tage klar gemacht, dass ohne die Umsetzung der Friedensabkommen der Frieden in Guatemala gefährdet ist, ebenso die bereits erreichten gesellschaftlichen und politischen Veränderungen. |
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