Mysteriöse Entführung des Zentralbankpräsidenten
Fijáte 255 vom 13. März 2002, Artikel 7, Seite 5
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Mysteriöse Entführung des Zentralbankpräsidenten
Guatemala, 9. März. Seit dem 25. Februar kursierten Gerüchte über eine Entführung des Zentralbankpräsidenten (BANGUAT) und Notenbankchefs, Lizardo Sosa, die zwei Tage später offiziell bestätigt wurden. Am 1. März tauchte Sosa wohlbehalten bei seiner Familie auf. Sosa ist eine der einflussreichsten Personen im Wirtschaftskabinett der Regierung, obwohl er nicht der FRG angehört. Er gilt als eine integre Person, die sich nicht korrumpieren lässt. Während der ganzen Woche wusste niemand genau, was eigentlich geschah. Die von Familienangehörigen, der Polizei und der Regierung verbreiteten Informationen waren spärlich und widersprüchlich. Auch zwei Wochen nach der Befreiung Sosa's ist nichts genaueres bekannt über die Hintergründe der Entführung und die Verhandlungen, die zur Befreiung geführt hatten. Die Version des Zentralbankpräsidenten über seine Entführung lautet folgendermassen: Er sei auf seiner morgendlichen Jogging-Tour gewesen, als er von zwei bewaffneten Männern gestoppt und in ein Fahrzeug verfrachtet wurde. Er sei in ein Haus gebracht worden, wo er die ganze Zeit festgehalten wurde. Man habe ihn höflich behandelt, immer mit Don Lizardo angesprochen und auf Bitte seiner Frau die Medizin gekauft, die er einzunehmen pflegt. Er sei nichts über seine Arbeit ausgefragt worden, einzig am letzten Tag habe er persönliche Fragen beantworten müssen, dies aber, um seiner Familie zu beweisen, dass er noch am Leben war. Am 28. Februar hätten sie ihn nach Villa Nueva gebracht und in der Nähe des Hauses einer Verwandten freigelassen. Laut Sosa habe seine Familie die Polizei nicht eingeschaltet, man habe alle Publizität vermeiden und einzig sein Leben schützen wollen. Die Summe, die seine Familie und FreundInnen für seine Freilassung bezahlt habe, liege deutlich unter den in der Presse gehandelten zwei Millionen US-$. Dieses Stillschweigen gab natürlich Anlass zu unzähligen Vermutungen über den Grund der Entführung. Diese Spekulationen reichten von Destabilisierungsversuchen mit dem Ziel, eine Machtverschiebung innerhalb der Regierung zu erreichen bis zu internationalen Verschwörungstheorien. Die These, dass es sich um einen Destabilisierungsversuch bzw. um einen versuchten Staatsstreich handelte, nahm im Verlaufe der Woche immer mehr Form an. Speziell, nachdem bekannt wurde, dass zeitgleich zur Entführung Sosa's in den Militärbasen von Quetzaltenango, Huehuetenango und San Marcos ein Aufstand junger Offiziere stattgefunden hatte. Was genau diesen Aufstand ausgelöst hatte, ist ebenfalls unklar. Der Politologe Fernando Solís hat zwei mögliche Erklärungen: Entweder die Offiziere haben sich gegen Entscheide ihrer unmittelbar Vorgesetzten gewendet, oder gegen bevorstehende, von Präsident Portillo angeordnete, interne Versetzungen. Die andere Möglichkeit, die Solís sieht, ist ein Kräftemessen zwischen Portillo und Ríos Montt-treuen FRG-Leuten, die die jungen Offiziere dahingehend manipulierten, dass es zu einem Aufstand kam. Nach oben |
In diesem Zusammenhang muss berücksichtigt werden, dass es innerhalb des Militärs Kreise gibt, die unzufrieden sind mit der Ernennung von (Ex-Verteidigungsminister) Eduardo Arévalo Lacs zum Innenminister. Bei seinem Amtsantritt verkündete er, er werde gegen das organisierte Verbrechen vorgehen und die Sicherheit im Land wieder herstellen. Die Entführung Sosa´s könnte in diesem Fall auch das Ziel gehabt haben, zu beweisen, dass dem nicht so ist. Auch wenn zwei Wochen nach der Entführung die Hintergründe der Tat immer noch unklar sind, einer hat sicher davon 'profitiert': Ex-Innenminister Byron Barrientos, auf den ein Haftbefehl ausgestellt ist im Fall der Hinterziehung von 50 Mio. Quetzales aus der Staatskasse und der sich seiner Verhaftung durch einen Spitalaufenthalt bisher entziehen konnte. Während die guatemaltekische Öffentlichkeit mit der Entführung von Zentralbankpräsident Lizardo Sosa beschäftigt war, bezahlte Barrientos eine Kaution von 1.2 Mio. Quetzales und ging nach Hause... |
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