Gesundheitswesen: mehr Geld, aber mangelhaft
Fijáte 250 vom 12. Dez. 2001, Artikel 1, Seite 1
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Gesundheitswesen: mehr Geld, aber mangelhaft
Zwar erhält das Gesundheitsministerium Jahr für Jahr mehr Geld, doch verbessert sich sein Service nicht. Der Versuch, das Gesundheitswesen zu dezentralisieren, wird unterschiedlich bewertet und die Taktik, ausschliesslich in die Heilung und nicht in die Prävention der Krankheiten zu investieren, wird breit kritisiert. Der folgende Artikel erschien am 26. Oktober im Inforpress Centroamericana. Kürzlich machten ÄrztInnen und Krankenpflegepersonal des Hospital Roosevelt, eines der grössten im Land, publik, dass es in neun der insgesamt dreizehn Operationssälen des Spitals keine Klimaanlage gibt (nie gegeben hat). Dies erschwere die medizinische Arbeit während der Operation und gefährde die Gesundheit der PatientInnen. Das Roosevelt verfügt über 842 Betten und betreut monatlich rund 7000 PatientInnen. José Bethancourt, Direktor des Regionalspitals in Quetzaltenango, gab seinerseits bekannt, dass mangels Geld im grössten Spital des guatemaltekischen Hochlands Lebensmittel und Medizin knapp geworden seien. Die Angestellten des Spitals würden ihr Möglichstes tun, die NotfallpatientInnen menschenwürdig zu betreuen. Diese Aussagen sind Beispiele für die mangelhaften Bedingungen, unter denen viele staatliche Gesundheitseinrichtungen arbeiten, vor allem in ländlichen Gebieten. Dort ist es oft nicht möglich, eine gute Betreuung zu bieten, geschweige denn, die Arbeit und das Angebot auszudehnen. Laut einem Bericht des UNO-Programmes für Entwicklung (UNPD) muss ein Drittel der ländlichen Bevölkerung rund 12 Kilometer zurücklegen, um zum nächsten Gesundheitsposten zu gelangen. Ausserdem sind 60% der medizinischen Instrumente reparaturbedürftig bzw. ausser Funktion. Die vier Hauptursachen für oft tödlich endende Krankheiten wären präventiv heilbar: Dehydrierung (zu wenig Flüssigkeit im Körper), Durchfall, Unterernährung, Bronchialkrankheiten, etc. Dies, obwohl frühere Regierungen einiges unternommen haben, um das Gesundheitswesen zu verbessern. Als Ergebnis der Friedensabkommen wurde seit 1996 das Budget des Gesundheitsministeriums jährlich erhöht. Waren es im Jahre 1995 noch rund 12 Mio. US-$, stieg das Budget bis im Jahr 1999 auf 28 Mio. US-$. Doch auch dieses innerhalb von fünf Jahren mehr als verdoppelte Budget reicht nicht aus, um eine minimale Gesundheitsversorgung zu garantieren. Und verglichen mit dem prozentualen Anteil des Bruttoinlandproduktes (BIP), den andere Länder der Region dem Gesundheitswesen zukommen lassen, ist der Betrag Guatemalas nach wie vor der Niedrigste (2,1% in Guatemala, im Gegensatz zu Costa Rica, das 5,2% des BIP ins Gesundheitswesen investiert). Eine der Strategien, um die Betreuung zu verbessern, ist die Dezentralisierung und Modernisierung des Gesundheitswesens, mit der in den letzten Jahren begonnen wurde. Während der Regierung von Alvaro Arzú wurde das Basisgesundheitssystem (Sistema Integral de Atención en Salud, SIAS) eingeführt. Damit war der erste Schritt Richtung Dezentralisierung eingeleitet. Giovany Salazar von der Vereinigung für das Gesundheitswesen in den Gemeinden ASECSA begrüsst diesen Schritt. Nichtregierungsorganisationen und andere Kreise, die im Gesundheitsbereich arbeiten, schliessen Verträge mit der Regierung ab und verpflichten sich, einzelne Gemeinden gesundheitsmässig zu versorgen, z.B. die Durchführung von Impfkampagnen zu leiten, etc. Somit kommen auch diese Organisationen in den Genuss eines Teils der öffentlichen Gelder fürs Gesundheitswesen. Aber auch die SIAS leiden unter Geld- und Personalmangel: Laut Salazar verfügen sie über einen Arzt oder eine Ärztin pro 10'000 EinwohnerInnen und über ein Budget von jährlich 5 US-$ pro PatientIn. Damit könnten sie gerade mal Medikamente wie Aspirin und Amphetamine kaufen, für die Behandlung von chronischen Krankheiten reiche dies aber nicht aus. Laut UNPD deckten die Programme von SIAS im Jahre 1998 rund 2,5 Mio. Personen mit medizinischer Grundversorgung ein. Salazar lobt auch das Projekt der Regierung Portillos zur Dezentralisierung und Modernisierung des Gesundheitswesen, das Programm Gemeinden für Gesundheit und Frieden. Hauptakteure in diesem Projekt sind das Gesundheitsministerium und die Gemeinden. Das Ziel ist, auf Gemeindeebene über Krankheiten und ihre Prävention aufzuklären. Aufgabe des Gesundheitsministeriums ist es, die Information und die Mittel zur Verfügung zu stellen, Aufgabe der Gemeinden, den richtigen Personen und Organisationen diese Information zukommen zu lassen, damit diese wiederum mit der Bevölkerung arbeiten können. Dazu wird auf Gemeindeebene die regierungseigene Vereinigung für Gemeindegesundheit (APROSAM) installiert. Nach oben |
Am 28. September 2001 wurde dieses Programm in sieben Gemeinden im Departement Jutiapa als Pilotprojekt gestartet. Anfang 2002 soll mit der Ausweitung auf die total 331 Gemeinden des Landes begonnen werden. Noch steht die Verabschiedung eines Gesetzes durch den Kongress aus, das dem Programm die juristische Grundlage bietet. Viele Menschen sterben in Guatemala an Krankheiten, die hätten verhindert werden können. Deshalb ist auch eine der grössten Kritiken am bestehenden Gesundheitssystem, dass zuviel in die Heilung und zuwenig in die Prävention investiert wird. Carlos Gehlert Matto, Gesundheitsminister während der christdemokratischen Regierung von Vinicio Cerezo, versichert gegenüber Inforpress, dass "das Hauptproblem im Gesundheitswesen darin besteht, dass die abgeschiedenen Gebiete nicht erreicht werden. Zudem ist es eine verrückte Haltung, zu warten, bis die Leute krank werden, um sie dann zu heilen". Auch er gibt jedoch zu, dass die vergangenen Regierungen einzelne Verbesserungen angestrebt und erreicht haben. Laut Gehlert Matta betrug die Kindersterblichkeit in Guatemala vor zehn Jahren sechzig tote Kinder auf tausend Neugeborene. Heute hat sich diese Zahl auf 41pro tausend Neugeborenen reduziert. Dies ist aber immer noch eine der höchsten Statistiken im lateinamerikanischen und weltweiten Vergleich. Als weiteren Erfolg nennt Gehlert Matta, dass seit zehn Jahren kein Fall von Poliomyelitis (Kinderlähmung) und seit drei Jahren kein Fall von Masern aufgetreten ist. Für Giovany Salazar ist verständlich, dass angesichts der vielen kranken Personen im Land als erstes in die Heilung investiert wird. Mittelfristig müsse aber auf beide Bereiche gesetzt werden, um langfristig vor allem in der Prävention arbeiten zu können. Überhaupt müsse zuerst einmal von der nationalen Realität ausgegangen werden, erklärte Salazar. Guatemala sei ein wirtschaftlich schwaches Land. Es sei schwierig, über den Vorteil präventiver bzw. kurativer Medizin zu diskutieren, solange sich die sozioökonomischen Bedingungen in Sachen wie Unterernährung, Parasiten, Verschmutzung und anderen Mängeln ausdrückten, meinte er. Diese Ansicht teilt auch Gehlert Matta: Die Krankheiten seien immer ein Spiegel der wirtschaftlichen und sozialen Situation eines Landes. Die Regierungen müssten sich halt entscheiden, in was sie investieren wollen, ob ins Militär oder ins Gesundheitswesen. In diesem Zusammenhang erwähnt Matta auch das traditionelle Wissen der Mayas über Heilpflanzen. "Man muss auch diese Heilmethode anerkennen und nicht einfach nur das Gesundheitsbudget erhöhen." Eine weitere Möglichkeit sieht der ehemalige Gesundheitsminister in der besseren Ausbildung und Anerkennung der sog. "GesundheitstechnikerInnen" (Leute mit einer zweijährigen Ausbildung, die Krankheiten ersten Grades diagnostizieren und behandeln dürfen). Während der 80er Jahre sind viele dieser GesundheitstechnikerInnen verschwunden oder wurden umgebracht. Ihre Arbeit bestand darin, die Leute zu organisieren, sie über die Prävention einfacher Krankheiten aufzuklären und sie darin zu ermutigen, sich für die Verbesserung ihrer Situation einzusetzen. Diese Art von Arbeit war während des Krieges nicht gerne gesehen und wurde mit der Guerilla in Verbindung gebracht. In einem sind sich die Fachleute einig: Um wirklich eine Verbesserung im Gesundheitswesen Guatemalas zu erreichen, muss die Armut und extreme Armut bekämpft und die wirtschaftliche Situation der Familien und (im internationalen Kontext) des Landes verbessert werden. |
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