Folgen des Panama-Skandals
Fijáte 256 vom 27. März 2002, Artikel 2, Seite 3
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Folgen des Panama-Skandals
Panama/Guatemala, 22. März. "Sind sie nun korrupt oder nicht?" bzw. "Kann man ihnen die Korruption nachweisen oder nicht?" ist die Frage, die in Guatemala Zeitungsspalten und Tagesgespräche füllt, seit die Existenz privater Konten vier hoher Regierungsmänner in Panama bekannt wurde. Während der panamaische Anwalt Sydney Sitton bekannt gab, er verfüge über Informationen, die beweisen, dass die veröffentlichten Daten nur die Spitze des Eisbergs seien, kam der guatemaltekische staatliche Rechnungsprüfer, Marco Tulio Abadía Molina, zum Schluss, die ganze Geschichte sei eine Show, um den Präsidenten zu diskreditieren. Nach seinem Besuch in Panama, wo er sich mit Anwalt Sitton und seinem panamaischen Berufskollegen traf (die Banken, auf denen die Konten eröffnet wurden, bezogen sich aufs Bankgeheimnis und gaben ihm keine Auskunft) meinte Abadía Molina, die JournalistInnen von Siglo XXI und der panamaischen La Prensa seien von wirtschaftlich einflussreichen und solventen Kreisen in Guatemala gekauft worden. Zu einem ganz anderen Schluss kam der Ausschuss des guatemaltekischen Kongresses, der mit der Untersuchung des Skandals beauftragt wurde. Auch die Mitglieder dieser Kommission reisten nach Panama, kehrten jedoch mit der Überzeugung zurück, dass Präsident Portillo, sein Sekretär, Vizepräsident Reyes López und dessen Sohn durchaus in illegale Geschäfte verwickelt sind. Der Kongress verlängerte die Arbeit der Kommission von fünfzehn auf sechzig Tage, damit detailliertere Informationen eingeholt werden können. In Guatemala selber hat sich nach Bekanntwerden des Skandals sofort eine neue Bewegung gebildet mit dem Ziel, mit Massenprotesten gegen die Korruption auf Regierungsebene vorzugehen. Dem Moviemiento Cívico por Guatemala (BürgerInnenbewegung für Guatemala) gehören die unterschiedlichsten Persönlichkeiten an, u.a. der Generalsekretär der sich formierenden Partei Nationale Union der Hoffnung, Alvaro Colom und der Ex-Militär und Generalsekretär der sich ebenfalls formierenden Patriotischen Partei, Otto Pérez Molina. Weitere Mitglieder sind Miguel Angel Sandoval vom Menschenrechtszentrum CALDH, die ehemalige Präsidentin des Verfassungsgerichts, Conchita Mazariegos, und Miguel Angel Albizures von der Allianz gegen Straffreiheit. Die Hauptforderung an ihrer ersten Demonstration vom 13. März an die in den Skandal involvierten Staatsmänner ist der Verzicht auf die Immunität, sowie die Entlassung aller in Korruption verwickelter Staatsangestellter. Die Parolen der rund 8000 Demonstrierenden (5000 laut Prensa Libre und 3000 laut Polizei) "Weg mit den Dieben" und "Sie sollen abtreten" wurden vom Glockengeläute der neben dem Regierungspalast liegenden Kirche San Sebastian und dem Singen der Nationalhymne dramatisch untermalt. An diesem Tag wurde auch mit dem Sammeln von 500'000 Unterschriften für die Absetzung Portillos begonnen. (Dies in Bezug auf ein Wahlversprechen Portillos, dass er zurücktreten würde, wenn 500'000 Personen dies forderten.) Nach oben |
Im Vorfeld der Demonstration wurden Radiospots verbreitet, die die Bevölkerung davon abhalten sollten, am Protest teilzunehmen. In den anonymen Spots hiess es, das Movimiento Cívico verfolge parteipolitische Interessen, was sicher nicht ganz falsch ist in Anbetracht der Tatsache, dass zwei der Anführer dieser Bewegung daran sind, ihre eigenen Parteien aufzubauen. Die Urheberschaft dieser Kampagne wurde der Regierung angehängt, doch ist diese nicht die einzige, die dem Movimiento Cívico kritisch gegenübersteht. Sicher nicht mit den selben Gründen wie die Regierung warnen auch verschiedene PolitologInnen davor, dass die Aktionen des Movimiento eine kontraproduktive Dynamik entwickeln könnten. So weist z.B. Otto Zeissig vom Institut für politische, wirtschaftliche und soziale Studien (IPES) darauf hin, dass, falls sich Portillo wirklich zum Rücktritt gezwungen sieht, der Übernahme der (interimistischen) Präsidentschaft durch Efraín Ríos Montt nichts mehr im Wege steht. Weiter kritisiert Zeissig, dass es nicht damit getan sei, nach der Absetzung korrupter Staatsmänner zu schreien ohne nicht gleichzeitig über das Fehlen eines Rechtsstaates und die Existenz paralleler Machtstrukturen zu sprechen. Dass dies offenbar im Movimiento Cívico nicht geschieht, hat vielleicht mit seiner Zusammensetzung zu tun und damit, dass man sich in gewissen Kreisen noch nicht sicher ist, wie man sich dieser Bewegung gegenüber positionieren will: Von den 'klassischen' Volks- und Menschenrechtsorganisationen haben nur CALDH und die Allianz gegen Straffreiheit aktiv zu den Protesten aufgerufen. Der UnternehmerInnenverband CACIF hat sich überhaupt nicht verlauten lassen, offenbar ist man sich dort noch nicht im Klaren darüber, ob man die Gruppe Gutiérrez unterstützen will, der Colom und Pérez Molina angehören, oder die Gruppe von Eduardo González und der PAN. Von einer 'breit abgestützten' BürgerInnenbewegung kann also im Fall des Movimiento Cívico por Guatemala nicht gesprochen werden. Dies war auch an der zweiten Demonstration des Movimiento vom 21. März spürbar, an der nur noch rund 500 Personen teilnahmen. Am 16. März wurde der Departementsekretär der Patriotischen Partei (PP) von Suchitepéquez, Jorge Rosal Zea, von unbekannten Männern auf offener Strasse ermordet. Laut Information des Generalsekretärs der (sich formierenden) Partei, Otto Pérez Molina, ist die Ermordung von Rosal Zea ein Einschüchterungsversuch gegen die PP, aufgrund derer Aktivitäten innerhalb des Movimiento Cívico. |
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