Sicherheit endlich per Dekret?
Fijáte 341 vom 17. Aug. 2005, Artikel 6, Seite 5
Original-PDF 341 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 --- Nächstes Fijáte
Sicherheit endlich per Dekret?
Guatemala, 11. Aug. Das Urteil der Zivilgesellschaft in ihrer Evaluation der ersten 18 Monate der Regierung Berger fällt traurig aus: Anstieg der Gewalt, Anstieg der Arbeitslosigkeit, masslose Erhöhung der Preise des sog. Warenkorbs zur Deckung des täglichen Bedarfs. Gar als Scheitern bewertet das Kollektiv der Sozialen Organisationen (COS) das Fehlen jeglicher Kontrolle sowohl des gemeinen als auch des organisierten Verbrechens und des Drogenverkehrs sowie schliesslich und endlich die deutliche Verschlechterung der allgemeinen Lebensqualität. Die genauen Zahlen schwanken, mal ist von 11 Toten täglich, mal von 25 gewaltsam Ermordeten pro Woche die Rede, das Innenministerium hat seit Beginn der Berger-Regierung bereits 10 vermeintliche Arbeitspläne in Sachen Sicherheit vorgelegt, doch kein einziger davon zeitigte Erfolg. Zwar betonen sowohl Präsident Berger als auch Innenminister Vielman in ihren Diskursen stets ihre Besorgnis um die Sicherheit der Bevölkerung als Priorität ihrer Agenda, doch von der Dringlichkeit, sich diesem Thema ernsthaft und baldmöglichst anzunehmen, scheinen die Regierenden nicht wirklich überzeugt zu sein. Obwohl diverse Gesetzesinitiativen, die einen legalen Aktionsrahmen zur Stärkung der Sicherheit bieten könnten, bereits teilweise seit Jahren bekannt sind, diskutiert werden und allein ihrer Verabschiedung harren, dominieren Blockaden und Protagonistenstreben den Umgang mit dem Thema. In kürzester Zeit wurden so umfassende Gesetzesvorhaben wie der Freihandelsvertrag zwischen Zentralamerika, der Dominikanischen Republik und den USA (DRCAFTA) oder endlich auch das Katasterthema durchgewinkt, doch trotz gross angekündigter Voranstellung der Sicherheitsgesetze für die im August begonnene zweite Parlamentssaison nach einmonatige Pause, suchte man diese TOPs auf der Kongressagenda der ersten Sitzungswoche vergeblich. Einmal im Gespräch, zieht die Regierungspartei GANA neue Stolpertricks aus der Kiste, präsentiert Gesetzesvorschläge anderer Parteien als die eigenen, was ihnen den Plagiatsvorwurf dieser einbringt, im Moment der Redaktion der einzelnen Gesetzesartikel kündigt sie auf einmal Beschlüsse an, die den vorliegenden Vorschlag komplett ersetzen sollen oder ordnet die Einforderung einer Stellungnahme vom Innenministerium ein, ob der Antrag denn auch alle gewünschten Aspekte enthalte. Dabei sind die Notwendigkeiten mehr als klar und konkretisieren sich in vier Gesetzen: dem des Zivilen Geheimdienstes, dem der Waffen und Munitionen, dem Gesetz der Sicherheitsunternehmen und schliesslich der legalen Reformierung des Gefängnissystems. Dass auch die Strafprozessordnung einer Erneuerung bedarf, steht ausser Frage. Welche möglichen Konsequenzen sind nun von den neuen Rechtsbestimmungen zu erwarten, sollten sie denn einmal vorzugsweise im Paket verabschiedet werden? Das Gesetz zum Zivilen Geheimdienst soll im Grunde das Monopol des Geheimdienstes beseitigen, das bislang die Armee gehütet hat. Operativ betrachtet, sollen per Rechtsgrundlage die Regulierung und Legalisierung vom Abhören von Telefonaten, der Inanspruchnahme von verdeckten ErmittlerInnen, die Bezahlung von InformantInnen sowie die Normierung der Speicherung und Lagerung von Ermittlungsinformationen geklärt werden. Die Verabschiedung dieses Dekrets würde die Grundlage für die Arbeit des Geheimdienstes im Kampf gegen das organisierte Verbrechen und den Drogenverkehr setzen und gleichzeitig als eine Unterstützung des Regierungshandelns dienen. Das zweite Gesetz, jenes in Bezug auf Waffen und Munitionen, würde Privatpersonen das Tragen von schweren Waffen, wie dem Gewehr Typ AK-47, verbieten, die Gefängnisstrafen für die, die illegal Waffen tragen, auf bis zu zehn Jahre erhöhen, die Freilassung unter Kautionszahlung unterbinden und die Abteilung, die für die Kontrolle von Waffen und Munitionen zuständig ist, würde nicht weiter der Armee, sondern dem Innenministerium unterstellt sein. Nach oben |
Das Gesetz zu den Sicherheitsfirmen bezieht sich unterdessen auf die privaten Unternehmen, die gewinnbringend unter anderem privaten Wohnanlagen, Geschäften und Privatpersonen Sicherheitsdienste leisten. Neben der Tatsache, dass sich eine tiefe Kluft zwischen jenen, die über die finanziellen Mittel verfügen, sich diese Dienste leisten zu können und der grossen Masse der Bevölkerung, die sich allein von den staatlichen Diensten helfen lassen kann, steckt ein weiterer Wurm darin, dass die meisten dieser Firmen illegal sind. Es wird geschätzt, dass es mehr als 120´000 Privatagenten gibt, von denen lediglich die Hälfte in autorisierten Unternehmen arbeiten. Die übrigen sind bewaffnete Gruppen die ohne Genehmigung und angemessene Kontrolle ihre Dienste anbieten. Vor diesem Hintergrund vertritt die Gesetzesinitiative höchstes Interesse daran, dass keine Sicherheitsunternehmen ohne Autorisierung arbeiten dürfen. Vielmehr sollen sie über alle ihre Aktivitäten informieren, regelmässig Bericht erstatten über ihre Angestellten, Waffen und Operationen und dieses Detail darf nicht fehlen - ihre Kleidung oder Uniform muss sich von der der Zivilen Nationalpolizei (PNC) und der des Militärs unterscheiden. Mit dem Gesetzesvorschlag, der das Gefängnissystem betrifft, wird die Absicht verfolgt, das unglaubliche Chaos zu beseitigen, welches bislang den Reformbemühungen der Institution im Wege steht. In erster Linie sollen die Inhaftierten gemäss ihren Delikten klassifiziert werden, nach dem Absitzen von 70% ihrer Strafe sollen sie beschränkte Freiheit geniessen, es soll Nachdruck auf die Professionalisierung der Wächter gelegt werden und schliesslich doch dieser Punkt wird den meisten Unmut in den Haftanstalten hervorrufen soll den Inhaftierten die Kontrolle der internen Sicherheit in den Gefängnissen abgenommen werden. Zusätzlich zu diesen Gesetzen, stehen noch weitere aus, die mit der Beharrlichkeit des herrschenden Gewaltklimas selbst gefordert werden, auch wenn es sich um Vorschläge handelt, die in den Friedensverträgen beinhaltet sind, die vor mehr als acht Jahren unterzeichnet wurden. Dies sind der Freie Zugang zur Information, das Gesetz zum Nationalen Sicherheitssystem und ferner das Gesetz zur Klassifikation und Bewertung von Militär-, Diplomatischen und Vertraulichen Angelegenheiten zur Nationalen Sicherheit. Zusammen könnten die Gesetze jene Lücken füllen, die den Staat behindern, jene Gruppen effektiv zu kontrollieren, die am Rande des Gesetzes agieren. Dennoch, die Wahrscheinlichkeit, dass einige dieser Initiativen in der nächsten Zeit verabschiedet werden, ist gering, vornehmlich, weil sie gewisse Interessen von ,,Zunft" und Wirtschaft verletzen. So beispielsweise das saftige Geschäft mit dem Verkauf von Waffen und Munition. Gegen die entsprechende Rechtsinitiative leisten fast radikalen Widerstand die konservativen Rechten. Auch wird es nicht einfach sein, das Gesetz zu den Privaten Sicherheitsfirmen voranzubringen, denn diese bringen ihren Besitzenden umfangreiche finanzielle Einkünfte, die nicht selten pensionierte Militärs sind. Ein weiteres Problem besteht darin, dass die Zivile Nationalpolizei nicht über die technische Kapazität verfügt, sie zu überwachen. |
Original-PDF 341 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 --- Nächstes Fijáte