Pyrrussieg für das Freihandelsabkommen DR-CAFTA
Fijáte 341 vom 17. Aug. 2005, Artikel 1, Seite 1
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Pyrrussieg für das Freihandelsabkommen DR-CAFTA
In den letzten Jahren haben wir im ¡Fijáte! regelmässig über die Diskussionen und die Pro- und Kontra-Argumentationen rund um das Freihandelsabkommen zwischen den USA, Zentralamerika und der Dominikanischen Republik (DR-CAFTA für seine englischen Initialen oder schlicht TLC, was für Freihandelsabkommen auf Spanisch steht) berichtet. Nun ist es soweit, mit der Annahme durch den US-amerikanischen Kongress tritt das Abkommen mit jenen zentralamerikanischen Ländern, die es bisher unterzeichnet haben (El Salvador, Honduras und Guatemala) ab 1. Januar 2006 in Kraft. Die folgenden Artikel beschäftigen sich noch einmal mit den Argumenten (vor allem dagegen) und der politischen Stimmung, in der das Abkommen unterzeichnet wurde. Der zweite Artikel ist eine Analyse des Diskurses, mit dem versucht wurde, die GegnerInnen zu diskreditieren. Er erschien in Inforpress Centroamericana Nr. 1618. Im dritten Artikel, publiziert am 5. August in Incidencia democrática, berichtet Marc Thibault-Bellerose über den CAFTA-Abstimmungsprozess im USRepräsentantInnenhaus. Mit 217 zu 215 Stimmen nahm der US-amerikanische Kongress am 28. Juli das Freihandelsabkommen zwischen den USA, Zentralamerika und der Dominikanischen Republik (DRCAFTA) an. Das knappe Ergebnis und die der Abstimmung vorausgegangene 20-stündige Debatte sind Ausdruck der Kontroverse rund um das Thema. GegnerInnen des Freihandelsabkommens sind sowohl in Zentralamerika wie in den USA zu finden, wenn auch die Gründe ihrer Ablehnung zum Teil sehr unterschiedlich sind. In den USA sind die GegnerInnen u. a. unter den ZuckerproduzentInnen und in der Textilindustrie zu finden, die befürchten, dass die zentralamerikanischen Länder Exportvorteile aus dem Abkommen ziehen. Die ZuckerbaronInnen, weil das bisher gültige Importlimit sowie der Fixpreis aufgehoben werden, die Texilindustrie, da es den zentralamerikanischen ProduzentInnen erlaubt ist, zukünftig Rohmaterial aus anderen Ländern als den USA und entsprechend billiger zu importieren. Entsprechend fiel auf, dass sowohl demokratische wie republikanische Abgeordnete aus Staaten, in denen die Zucker- bzw. die Textilindustrie floriert, gegen das Abkommen stimmten schliesslich wollen sie sich ihre Wiederwahlchancen nicht verspielen. Aber auch sonst gibt es Abgeordnete der RepublikanerInnen wie der DemokratInnen, die in Frage stellten, dass die Öffnung des Marktes tatsächlich ein Mittel für die Überwindung der Krise ist, in der die USA momentan stecken. Linke DemokratInnen sowie GewerkschafterInnen sprachen sich mit umweltschutz- und arbeitsrechtlichen Argumenten gegen das Abkommen aus. Während Grossunternehmen und Millioneninvestoren profitieren, seien keinerlei Massnahmen zum Schutz der Arbeitsrechte festgelegt, man befürchtet, dass viele Unternehmen aus den USA abwandern und in die billigere Produktionszone Zentralamerika ziehen, wo es um Arbeitsrechte und Umweltschutz noch schlechter steht. Im Fall von Mexiko, wo das Freihandelsabkommen mit den USA (und Kanada - NAFTA) 1994 in Kraft trat, wurden etwa eine Million Arbeitsplätze von den USA nach Mexiko verlegt. Dies nützte aber den mexikanischen ArbeiterInnen wenig, da die Löhne rasant gesenkt wurden, mit der Folge, dass sich die mexikanische Migration in die USA verdoppelte. Auf der guatemaltekischen Seite verläuft die Trennung der BefürworterInnen und der GegnerInnen eher nach der ,,klassischen" Links-Rechts-Linie. Nach oben |
Während Präsident Berger den US-amerikanischen Diskurs vom ,,Sieg der Demokratie und des Fortschritts" nachplappert und die guatemaltekischen UnternehmerInnen die Annahme des Freihandelsabkommens mit Champagner begossen, riefen die Gewerkschaften und sozialen Organisationen zu Protesten und Demonstrationen auf und der linke ANN-Kongressabgeordnete Alfredo de León denunzierte Todesdrohungen, die er klar im Zusammenhang seiner Kritik am Abkommen erhielt. In gewissen Kreisen breitet sich offenbar auch so etwas wie Pragmatismus oder gar Akzeptanz gegenüber der Freihandels-Realität aus. So zielt z. B. das Zentrum für Mayastudien (CECMA) mit seinem im Hinblick auf die Freihandelsabkommen ausgearbeiteten Entwicklungsplan Maya K'ayb'al auf eine Stärkung der indigenen KMU's ab. Vor allem kleine und mittlere Betriebe im Tourismusund Dienstleistungssektor sowie die landwirtschaftliche Diversifizierung sollen im Hinblick auf die Freihandelsabkommen und den Plan Puebla Panamá (PPP) unterstützt werden. Gemäss Pedro Bal, Direktor von CECMA, ist es notwendig, aus dem wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsmodell der indigenen Bevölkerung, das bisher vor allem in der landwirtschaftlichen Subsistenzwirtschaft bestand, einen selbsttragenden Wirtschaftszweig zu machen. Dazu braucht es aber laut Bal eine Allianz zwischen der Regierung, der Privatwirtschaft und den sozialen Organisationen, um gemeinsame Strategien zu entwickeln. Sein Rezept ist einfach: Die Regierung stellt die Infrastruktur, die Privatinitiative das technische Know-How und die indigenen Gemeinden das Humankapital. Auf einem von der Universität Rafael Landivar organisierten und von 800 Personen besuchten Forum war man sich einig, dass unabhängig von den positiven oder negativen Auswirkungen des Abkommens auf die lokale Wirtschaft und möglichen Alternativen, die entwickelt werden können, die institutionelle Kapazität der zentralamerikanischen Regierungen bezüglich Administration und Umsetzung der Abkommen fehlt. Reny Bake, Expertin für internationalen Handel, zeigte anhand der Liberalisierung der Quoten im Textilexport von Anfang 2005, welche eine regelrechte Überflutung des Marktes mit chinesischen Produkten zur Folge hatte, auf, dass weder die Unternehmen noch die Regierung auf solche Entwicklungen vorbereitet sind. Nun ist zwar das Freihandelsabkommen DR-CAFTA eine Realität, der Kampf der GegnerInnen geht jedoch weiter. In Guatemala konzentrieren sich die oppositionellen Kräfte im Moment darauf, Einfluss zu nehmen, damit die Rahmengesetze (Arbeitsgesetz, Konzessionsgesetz, etc.) möglichst bevölkerungs- und arbeiterInnenfreundlich gestaltet werden. Auch in den USA geht die Opposition weiter: ,,Wir sind noch weit vom Ende unseres Kampfes entfernt. Das Bewusstsein, das wir mit unserer Kampagne über die negativen Auswirkungen des sogenannten ,,Frei"handelsabkommen geschaffen haben, stärkt un- sere Kräfte, um Abkommen wie das CAFTA oder das NAFTA und das destruktive Wirtschaftssystem, das solche Verträge überhaupt möglich macht, zu stürzen", schreibt Andrew de Sousa vom Solidaritätsnetzwerk mit Guatemala (NISGUA) und ist optimistisch: ,,Wir sind inspiriert vom Widerstand der Volksbewegungen Amerikas und wissen, dass wir mit der Zeit das Kräfteverhältnis zu unseren Gunsten kippen können". |
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