Konzessionsgesetz Aus den Fehlern gelernt?
Fijáte 337 vom 22. Juni 2005, Artikel 1, Seite 1
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Konzessionsgesetz Aus den Fehlern gelernt?
Parallel zur umstrittenen und in Gewalt seitens der Sicherheitskräfte ausartenden Annahme des Freihandelsabkommens zwischen Zentralamerika, der Dominikanischen Republik und den Vereinigten Staaten (CAFTA-DR) durch den guatemaltekischen Kongress im vergangenen April, stand das ebenso kontroverse Konzessionsgesetz als eine Art flankierende oder ergänzende Massnahme der allgemeinen Liberalisierung zur Diskussion. Dieses Gesetz erlaubt die teilweise oder gänzliche Vergabe von Staatsaufgaben, wie z. B. der Bau und Unterhalt von Strassen oder die Wasserversorgung an private Unternehmen und führt im Endeffekt zu einer schleichenden Privatisierung des service public. Die Gesetzesinitiative wurde von den Kongresskommission für Kommunikation, Transport und öffentliche Dienste gutgeheissen und muss jetzt noch vom Gesamtkongress verabschiedet werden. Im Falle des Freihandelsabkommens ist die Strategie der Regierung, das Dokument quasi hinter verschlossenen Türen und ohne Konsultation der Bevölkerung zu unterzeichnen, mehr oder weniger aufgegangen. Die Anti-CAFTA-Proteste der sozialen Bewegung wurden brutal niedergeschlagen und konnten die Ratifizierung des Abkommens nicht verhindern. Dafür war ihre Aufmerksamkeit und der Mobilisierungsgrad im Fall des Konzessionsgesetzes etwas grösser, der Kongress musste einen Gang zurückschalten und die Regierung führt nun, wie von der sozialen Bewegung gefordert, sogenannte Volksbefragungen zum Thema durch. Ob es dabei tatsächlich um ein beidseitiges Interesse an einer Konsensfindung oder um eine definitive Verhinderung des Gesetzes auf der einen bzw. ein kompromissloses Durchbringen auf der anderen Seite geht, versucht der folgende Artikel zu analysieren, indem er verschiedene Positionen darlegt. Worum geht es? Im Artikel 1 der Gesetzesinitiative werden Konzessionsvergaben definiert als die Befugnis des Staates, Private zu bemächtigen, auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko, jedoch unter Kontrolle und oder in Koordination mit der entsprechenden staatlichen Instanz, öffentliche Bauwerke, Güter oder Angebote zu bauen, produzieren, installieren, verbessern, ergänzen, bewahren, restaurieren, betreiben, ausbeuten oder verwalten. Javier de León von Incidencia Política interpretiert dieses Gesetz als ,,Einen Privatisierungsprozess, dessen Konzept und Ausgestaltung auf ein Abspecken des Staates hinausläuft. Ausserdem zielt es darauf ab, den Staat aus dem öffentlichen Leben zu verdrängen und gibt damit dem neoliberalen Denken Vorschub, das die Rolle des Staates auf immer weniger Aspekte limitiert: Sicherheit, Gesundheit und Bildung, jedoch keinerlei Einmischung in die Wirtschaft erlaubt, auch wenn dadurch die BürgerInnen geschädigt werden". Gemäss Artikel 11 können Lizenzen vergeben werden für: Strassenbau und -unterhalt, Eisenbahnen, Flug- und Schiffshäfen, Wasserversorgung, Ölpipelines, Stromproduktion, Tourismusattraktionen, Parks und öffentliche Gebäude, Postsystem, Nahrungsmittelversorgung für Krankenhäuser, Gefängnisse und Schulen, Erstellen von Identitätsdokumenten, öffentlicher Verkehr, oder sonstige öffentliche Bauten und Dienstleistungen. Theoretisch sind die Bereiche Bildung und Gesundheit tatsächlich aus dem Konzessionsgesetz ausgeschlossen und bleiben Staatsaufgabe. Doch gemäss de León ist es eine Frage der Zeit, bis die neoliberale Logik greift und beweist, dass der Staat unfähig ist, diese Verantwortung zu erfüllen. Ein erster Schritt in diese Richtung ist z. B. das in einigen Regionen des Landes bereits laufende Projekt PRONADE, das im Bildungsbereich die Verantwortung über Auswahl, Bezahlung und Kontrolle von LehrerInnen den sogenannten Elternkomitees überlässt. Da diese zuwenig auf ihre Aufgabe vorbereitet sind und vom Staat nicht die notwendige Unterstützung bekommen, rechnen Fachleute damit, dass das Projekt in Kürze als ,,gescheitert" evaluiert und dieser Teil des Bildungswesens gänzlich privatisiert wird. Dialogversuch ,,Öffentliche Konversationszirkel" heisst das Instrument, mit dem die Regierung die Bevölkerung bzw. deren sozialen, intellektuellen, ethnischen und industriellen VertreterInnen an der Diskussion über das Konzessionsgesetz teilhaben lässt. Der seitens der Regierung für diesen Prozess verantwortliche Hugo Beteta vom Sekretariat für wirtschaftliche Planung der Regierung (SEGEPLAN), will in den verschiedenen Departements Diskussionsforen durchführen, zu denen Mitglieder der Zivilgesellschaft eingeladen werden. Beginnen soll der Dialog in den Departements San Marcos und Huehuetenango, die als am konfliktreichsten gelten. Der Konsultationsprozess findet in den Monaten Juni und Juli statt, mit der Idee, im August dem Kongress einen abgestimmten Gesetzesvorschlag übergeben zu können. Beteta betonte jedoch, dass diese VertreterInnen der Zivilgesellschaft als Privatpersonen und nicht als VertreterInnen ihrer Organisationen eingeladen werden und wies ebenfalls darauf hin, dass die in den Diskussionen erarbeiteten Positionen und Vorschläge nicht verbindlich für die Ausformulierung des Gesetzes sind und das Gesetz theoretisch auch ohne diese Konsultationen verabschiedet werden könne. Eine solche Äusserung ist sicher nicht die beste Voraussetzung für den Beginn eines Dialogs. Ebenso unflexibel wie die Haltung der Regierung ist die Kritik seitens einiger VertreterInnen der sozialen Organisationen, z. B. von Edwin Ortega vom Movimiento Indígena, Social, Campesino y Popular (MISCP). Für ihn ist die einzige Form, um mit der Regierung über Konzessionen zu sprechen, ,,die gänzliche Rücknahme dieses Gesetzes". VertreterInnen des Kollektivs der sozialen Organisationen (COS) ihrerseits verweigern jeglichen Dialog mit der Regierung, da dieser auf einer ausschliessenden, undemokratischen und wenig transparenten Methodik aufgebaut sei. Als einen demagogischen Akt, der die Manipulation der öffentlichen Meinung zum Ziel habe, kritisierte die nationale Maya-Koordination ,,Waqib' Kej" den Aufruf der sogenannten Volksbefragung zum Konzessionsgesetz und lehnte die Einladung, daran teilzunehmen, ab. Es ginge der Regierung nur darum, einen PseudoRückhalt in der Bevölkerung für ein Projekt vorzuweisen, das bereits beschlossene Sache sei und das die Bedenken der Zivilgesellschaft nicht berücksichtige, erklärte bei einer Pressekonferenz Francisco Raymundo, Vertreter von ,,Waqib' Kej". Die Tageszeitung La Hora schreibt dagegen in ihrem Editorial vom 28. April konziliant: ,,Wir sollten die Diskussion um das Konzessionsgesetz zum Anlass zu nehmen, eine Art Radiographie oder Tomographie der bereits getätigten Lizenzvergaben, z. Nach oben |
B. von ,,El Correo" (Die Post) oder der Autobahn von Palín nach Escuintla zu machen und die Vor- und Nachteile solcher Geschäfte gegeneinander abzuwägen, um die Risiken zu erkennen und begangene Fehler nicht zu wiederholen. Als Gefahren bei der Lizenzvergabe werden aufgezählt: Willkürlichkeit, mangelndes Ausschreibe- und Auswahlverfahren, fehlende Transparenz bei der Abrechnung, sowie Korruption, welche in diesem Fall nicht mit dem Auswechseln einer Regierung enden, sondern durch die Verabschiedung des Gesetzes ,,legal" verankert würde. Als möglichen Anhaltspunkt, um zu evaluieren, ob eine Konzession ,,gut" oder ,,schlecht" ist, empfiehlt La Hora einen Blick auf den Gewinn: Wer investiert und wer gewinnt wie viel bei einer Lizenzvergabe? Denn: ,,Die Idee eines jeden Geschäftes ist, wie die Regierungspartei GANA immer sagt, dass wir alle gewinnen. Aber wenn nur die einen gewinnen, müssen wir uns fragen, wo der Hund begraben ist". (Wortspiel: ganar = gewinnen) Genau diesen Blick auf den Gewinn haben Kongressabgeordnete der linken Parteien URNG und ANN kürzlich geworfen und sind in einer Studie über die Lizenzvergaben am Beispiel der Autobahn Palín Escuintla und des Minentagebaus in Huehuetenango zum nicht überraschenden Schluss gekommen: ,,Konzessionsvergaben sind ein unrentables Geschäft für Guatemala". Im Falle der Autobahn kassiert die mexikanische Konzessionsnehmerin, die für den Betrieb und den Unterhalt, inkl. Einkassieren von Autobahngebühren zuständig ist, über einen Zeitraum von sieben Jahren knapp fünf Milliarden Quetzales, während der guatemaltekische Staat bloss 47 Millionen verdient. Ebenfalls um die Suche nach einem sogenannten Mittelweg ging es bei einem Forum, das von der Abgeordneten Nineth Montenegro (Ex-Allianz Neue Nation (ANN), heute Encuentro por Guatemala) und der Friedrich-Ebert-Stiftung organisiert wurde. Eingeladen waren WissenschaftlerInnen und politische BeraterInnen, welche die pragmatische Linie von ,,Das Gesetz kommt sowieso, machen wir das Beste daraus"vertraten, sowie strikte GegnerInnen des Gesetzes. Gemäss Montenegro ging es darum, Gemeinsamkeiten zu definieren, um am Ende einen Gesetzesvorschlag zu haben, hinter dem eine möglichst breite Öffentlichkeit steht. So insistierte zum Beispiel der Universitätsprofessor Alejandro Baldizón darauf, dass eine Privatisierung des öffentlichen Dienstes mit einer garantierten Leistungsverbesserung desselben einhergehen müsse. Was im Fall der Privatisierung der guatemaltekischen Eisenbahn und des Postsystems nicht so war, wie der Konzessionsgegner und Vertreter des Kollektivs der sozialen Organisationen (COS), Ricardo Zepeta, sogleich konterte. Seitens der GewerkschaftsvertreterInnen wurden Bedenken geäussert, dass die Konsequenzen der Privatisierung für den ArbeitsnehmerInnensektor gravierend seien. Die Realität: Im Artikel 6 des Gesetzesvor- schlags heisst es, dass eine Lizenzvergabe gekoppelt ist an a) eine adäquate Einhaltung des KonsumentInnenschutzes; b) Anreize zum nachhaltigen Umgang mit und Gebrauch von Naturressourcen; c) die Förderung von privaten Investitionen und des Wettbewerbes und d) den Schutz des kulturellen Erbes und der Natur. Nimmt man den Minentagebau in Guatemala als Beispiel, um diese vier Punkte durchzudenken, wird schnell klar, dass es ,,dem privaten Kapital in erster Linie um Gewinn und erst danach um die Rechte der KonsumentInnen geht. Was die natürlichen Ressourcen betrifft, weiss man, dass der Privatsektor der Hauptverantwortliche für die Umweltzerstörung im Land ist. Was die private Investition und den Wettbewerb betrifft, kann man nur hoffen, dass der Protektionismus zwischen transnationalem und dem damit gekoppelten nationalen Kapital ein Ende hat. Und im Fall des Schutzes des kulturellen Erbes gibt es genügend Beispiele dafür, dass die Privatinitiative dieses nicht schützt sondern dessen Ausbeutung zum Ziel hat". (Ausschnitt der Stellungnahme der ANN zum Konzessionsgesetz) ,,Von vorne beginnen" Verfassungswidrigkeiten, Fehler und unpräzise Formulierungen sind die Mängel, welche die Univeristät San Carlos (USAC) der Gesetzesinitiative attestiert und deshalb vorschlägt, den vorliegenden Entwurf zu vernichten und einen neuen auszuarbeiten. In einer Pressekonferenz erklärte der Rektor der USAC, Luis Alfonso Leal, dass ProfessorInnen und StudentInnen eines Masterstudiengangs in Verfassungsrecht das umstrittene Projekt einer genauen Analyse unterzogen hätten und zum Schluss gekommen seien, dass es unklar und kontrovers sei und einer teilweisen oder noch besser totalen Revision unterzogen werden müsse. Unklarheiten fänden sich z. B. bei der Präzision der Konzessionsdauer, bei der Definition, wer überhaupt konzessionsberechtigt sei, bei der Frage der nationalen Souveränität, beim Thema Mitspracherecht der indigenen Bevölkerung gemäss ILO-Artikel 169, beim KonsumentInnenschutz, etc. Der Forderung der USAC nach einem gänzlichen Neuanfang schloss sich auch das COS an. Ob die Regierung bereit ist, diesen Radikalvorschlag zu überdenken, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. |
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