Bergers "gerechter und solidarischer Ort"
Fijáte 389 vom 11. Juli 2007, Artikel 5, Seite 5
Original-PDF 389 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 --- Nächstes Fijáte
Bergers "gerechter und solidarischer Ort"
Guatemala, 5. Juli. Heuer wurde er zum dritten Mal wieder öffentlich begangen, der Nationaltag der Armee am 30. Juni, Datum, das 1871 die Liberale Revolution markierte. Seit 1997 war die Feier in Folge der Friedensverträge suspendiert, 2005 jedoch unter Präsident Oscar Berger und mit der Erklärung des damaligen Verteidigungsministers Aldana, eine "Botschaft der Einheit" an die Streitkräfte senden zu wollen, wieder eingeführt worden. (siehe Fijáte ¡338!). Während dieses Jahr die Militärparade durch die Stadt zog, kam es zu zahlreichen Zusammenstössen zwischen den Sicherheitskräften und Angehörigen von Opfern des internen bewaffneten Konfliktes. Rund 200 Jugendliche, von denen die meisten zu der Organisation Söhne und Töchter für die Identität und Gerechtigkeit, gegen das Vergessen und das Schweigen (HIJOS) gehörten, sowie MenschenrechtsaktivistInnen forderten, dass die Verbrechen, die während des Konflikts vom Militär begangen wurden, bestraft werden. Derweil wohnten RegierungsfunktionärInnen, DiplomatInnen sowie Angehörige der Militärs dem Festakt bei. Mit dem Ruf "Mörder, Mörder!" warfen die Demonstrierenden Plastikflaschen mit roter Farbe als Symbol für das vergossene Blut. Nur Minuten später antworteten die Sicherheitskräfte mit Schlagstöcken und Tränengas, um sie auseinander zu treiben. "Dieser Tag sollte als Gedenktag an den Völkermord begangen werden und nicht, um diesen zu feiern. Wir fordern Gerechtigkeit für die Tausenden von Verschwundenen", erklärte Wendy Méndez, eine der AktivistInnen. Eduardo Hernández von HIJOS hob hervor: "Trotz der Friedensverträge zeigt die Ausbildung neuer SoldatInnen, dass die Regierung weitermacht mit der Einweisung des Militärs, um die sozialen Bewegungen und den Kampf der BürgerInnen zu unterdrücken, wenn sie diese für eine Bedrohung ihrer Interessen hält". Präsident Oscar Berger hielt bei der Veranstaltung eine seiner letzten Reden: "Dies ist das letzte Mal, dass ich mich an Sie als Ihr Oberbefehlshaber wende", dramatisierte er. "Seit sie besteht, hat die guatemaltekische Armee ihre Loyalität und ihren Respekt gegenüber diesem Vaterland bezeugt, sowie ihr tiefes Interesse am Wohlergehen der Bevölkerung, dem Kampf gegen den Drogenhandel sowie den nationalen wie internationalen Terrorismus". Des Zynismus nicht genug schloss der Präsident: "Wenige Monate, bevor ich die Flagge dem neuen Präsidenten von Guatemala überreiche, den das Volk wählt, möchte ich Ihnen versichern, dass wir gemeinsam mit unserer Armee Schulter an Schulter daran gearbeitet haben, aus diesem Land einen gerechten und solidarischen Ort zu machen." Wenige Minuten nach der ersten Konfrontation zwischen DemonstrantInnen und Polizei versuchten die AktivistInnen erneut, die Parade auszubremsen. Nun versuchten jedoch Familienangehörige der Militärs, sie und die anwesenden JournalistInnen mit Fäusten und Gürteln zurückzudrängen. Festnahmen wurden keine gemeldet. So resümiert das Boulevardblatt Nuestro Diario, dass die Geschehnisse dieses 30. Junis ein Beweis dafür gewesen seien, wie wenig doch die Gestaltung des Friedensprozesses vorangeschritten sei, zehn Jahre nach Unterzeichnung der Friedensverträge, die dem 36 Jahre währenden Konflikt ein Ende setzten, in dem mehr als 200´000 Menschen umgekommen und verschwunden sind. Demgegenüber, so die Zeitung, herrschen bislang zwei Positionen vor, die scheinbar unvereinbar seien: "Es gibt Leute, die sich dafür aussprechen, in die Zukunft zu schauen und die schmerzvollen Ereignisse dem Vergessen zu übergeben. Die Gegenseite betont, dass es ohne Gerechtigkeit, die die Bestrafung der Verantwortlichen für die Kriegsverbrechen beinhaltet, keine wirkliche Vergebung und nationale Versöhnung geben kann." Dennoch scheinen die offenbare Schwäche der Nationalen Zivilpolizei (PNC) und die hohe Verbrechensrate zahlreiche Wahl-KandidatInnen für unterschiedliche Posten von der Notwendigkeit zu überzeugen, das Militär, wenn auch teilweise mit Einschränkungen bzw. Nach oben |
unter bestimmten Bedingungen, für die Wahrung der Inneren Sicherheit auf die Strasse zu schicken. Auf verschiedenen Foren sprachen sich nicht nur VertreterInnen der Patriotischen Partei (PP) von General Otto Pérez Molina, sondern auch der Nationalen Einheit der Hoffnung (UNE) von Álvaro Colom und selbst Nineth Montenegro und Rigoberta Menchú von der Allianz zwischen Encuentro por Guatemala und Winaq´ für einen entsprechenden Einsatz der SoldatInnen zur Unterstützung der PNC-AgentInnen aus. Dieser Tage wurden allerdings Zahlen veröffentlicht, die diesen Plänen keine Grundlage bieten. Im Gegenteil. Das auf die Strasse entsendete ReservistInnen-Spezialkorps für die BürgerInnensicherheit (CERSC) hat zum einen nicht die Erwartungen erfüllt und zum anderen Unsummen von Geldern verschlungen: In den letzten 15 Monaten, dem Zeitraum, seit das CERSC operiert, haben 7´246 Personen - laut PNC-Statistik - ihr Leben auf gewaltsame Weise verloren. In den 15 Monaten davor registrierte die PNC 6´833 Morde, 413 oder auch 6% weniger. Gleichzeitig flossen in Gehälter und Funktionieren des CERSC, das aus 3´000 MilitärreservistInnen zusammengestellt ist, insgesamt 226,4 Mio. Quetzales (ca. US-$ 30,2). Dazu kommen Q 29 Mio., die das Verteidigungsministerium von seinem Etat beigesteuert hat und 36 Mio. des Ministeriums für die Ausrüstung. |
Original-PDF 389 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 --- Nächstes Fijáte