Gerardi und die Politiker
Fijáte 389 vom 11. Juli 2007, Artikel 2, Seite 3
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Gerardi und die Politiker
Guatemala, 2. Juli. "Die Kunst des politischen Mordes" heisst der Titel des neuen Buches des US-amerikanisch-guatemaltekischen Schriftstellers Francisco Goldman, das schon vor seiner Erstveröffentlichung auf Englisch vor allem in Guatemala hohe Wellen geschlagen hat. Mitten in der Wahlkampagne lässt Goldman nämlich die Bombe platzen, der Präsidentschaftskandidat Otto Pérez Molina sei massgeblich in die Ermordung von Bischof Juan José Gerardi involviert und legt mit seinem Buch die vermeintlichen Beweise vor. Pérez Molina leugnet sämtliche Anschuldigungen und behauptet seinerseits, Goldman schreibe im Auftrag und finanziert von seinen politischen GegnerInnen, die er jedoch nicht beim Namen nennt; Goldman hingegen droht er mit einer Klage. Diese Nachricht erschien Anfang Juni in den guatemaltekischen Sonntagsmedien kurz nachdem das Verfassungsgericht die Ratifizierung der gegen die im "Fall Gerardi" verurteilten zwei Militärs (Byron Lima Oliva und Byron Disrael Lima Estrada) sowie den Priester Mario Orantes bestätigte. Das Menschenrechtsbüro des Erzbischofs (ODHA) kritisierte die Verzögerung, mit der die Ratifizierung öffentlich gemacht wurde, denn offenbar fiel das Urteil schon im letzten September, doch der bis vor kurzem amtierende Präsident des Verfassungsgerichts, Alejandro Maldonado Aguirra, hatte das Dossier unter Verschluss gehalten, ist er doch ein guter Freund vom damaligen Präsidenten und aktuellen Bürgermeister der Hauptstadt, Alvaro Arzú, unter dessen Regierung Lima Oliva für den (unterdessen aufgelösten) Generalstab des Präsidialamtes (EMP) tätig war. (siehe ¡Fijáte! 385) Ex-Verfassungspräsident Maldonado und Arzú kennen sich seit ihrer gemeinsamen Parteizugehörigkeit zur Movimiento de Liberación Nacional (MLN), der ultrarechten Partei, die im Zusammenhang mit der Konterrevolution von 1954 gegründet wurde. Eine Zeit lang machte im Hinblick auf die aktuellen Wahlen das Gerücht die Runde, Maldonado und Arzú könnten als Präsident- und Vizepräsidentschaftskandidaten für die Partido Unionista (PU) kandidieren, was jedoch nicht der Fall ist. Mit dem nun öffentlich gemachten Verfassungsgerichtsurteil muss die Staatsanwaltschaft auch endlich die längst angeordneten Strafuntersuchungen gegen den ehemaligen Chef des EMP, Rudy Pozuelos Alegría, und andere Mitglieder der Institution einleiten. Rudy Poluezos kandidiert übrigens in den kommenden Wahlen als Kongressabgeordneter des Departaments Chimaltenango für die obengenannten Unionistas (PU). In seinem Buch lässt Francisco Goldman durchscheinen, dass Otto Peréz Molina in der Nacht der Ermordung von Bischof Gerardi mit Byron Lima Oliva zusammengetroffen war. Ebenfalls zitiert Goldman den seitens der UN-Mission für Guatemala (MINUGUA) für die Untersuchung Verantwortlichen, Rafael Guillamón, der bezeugt, dass die Rekrutierung des Obdachlosen Rubén Chanax Sontay als Informanten des EMP aufgrund eines Befehls von Pérez Molina erfolgte. Chanax ist einer der Hauptzeugen im Mordfall Gerardi und seine Aussagen trugen massgeblich zur Verurteilung der beiden Militärs und Orantes bei. Nach oben |
Pérez Molina leugnet, etwas mit der Anstellung von Chanax zu tun zu haben und behauptet, er sei in der Mordnacht gar nicht in Guatemala sondern in den Vereinigten Staaten gewesen. Goldman hingegen will im Besitz von Unterlagen der Migrationsbehörde sei, die beweisen, dass Pérez Molina im Land war. Überhaupt beschwert sich Pérez Molina, dass ihn Goldman für sein Buch nicht interviewt habe. Dieser meint dazu: "Ich habe ihn nicht interviewt, weil ich nicht daran glaube, dass die in das Verbrechen involvierten Personen die Wahrheit sagen. Es wurde mir bald klar, dass mir das Gespräch mit Militärs nichts bringen würde." Ausserdem sagte der Autor, ihn interessiere die guatemaltekische Politik nicht, er habe sein Buch für ein US-amerikanisches Publikum geschrieben. Einen Seitenhieb lanciert Goldman auch auf die beiden AutorInnen Maite Rico und Bertrand de la Grange, die ihrerseits 2003 ein Buch mit dem Titel "Wer tötete den Bischof" schrieben (siehe ¡Fijáte! 299), indem er behauptet, die beiden hätten im Auftrag von Ex-Präsident Arzú geschrieben, eine These, die von Edgar Gutiérrez, ehemaliger Mitarbeiter der ODHA und Leiter des Sekretariats für strategische Analysen (SAE) unter der Regierung von Alfonso Portillo, seit langem aufrechtgehalten wird. In dem Buch von Rico und de la Grange werden nämlich ein paar Dinge genannt, die für die Katholische Kirche eher unangenehm sind, z.B. die potentielle Homosexualität von Pfarrer Orantes oder die Anwesenheit von Ana Lucía Escobar am Tatort, Patentochter eines hohen Kirchenmannes und Mitglied einer Erpresserbande, weshalb seitens der ODHA alles daran gesetzt wurde, das Buch zu diffamieren. Umgekehrt ist es aber etwas verwunderlich, dass Gutiérrez und OHDA-Kollege, Ronalth Ochaeta, (beide haben eng mit Gerardi zusammengearbeitet) später zur Regierung der FRG unter Präsident Portillo überwechselten, unter der dann auch die Verurteilung der beiden Limas und Orantes stattfand. Derweil veröffentlichte der im Gefängnis sitzende Byron Lima Oliva auf seiner Webseite ein Video unbekannter Herkunft, mit dem er seine Unschuld beweisen will und Chanax als einen zweifelhaften Zeugen, der mehrmals seine Aussagen änderte, beschreibt. Das Video zeigt auch grauenhafte und brutale Bilder der Enthauptung von Obdulio Villanueva, der dritte Militär, der im Zusammenhang mit der Ermordung von Bischof Gerardi verurteilt wurde, der jedoch während eines Gefängnisaufstands im Jahr 2001 umgebracht wurde. Byron Lima Oliva hat ausserdem eine Untersuchung einleiten lassen gegen drei Gefängniswärter, die ihm am 22. Dezember 2006 die Augen verbunden, ihn geschlagen und gefoltert haben sollen. Ein medizinisch-forensischer Bericht bestätigt diese Aussage. Ebenfalls von Lima Oliva in diesem Zusammenhang angeklagt ist der damalige Chef des Gefängniswesens und heutige Präsidentschaftskandidat für die Regierungspartei GANA, Alejandro Giammattei, bei den Wahlumfragen von Ende Juni auf dem dritten Rang hinter Otto Pérez Molina. |
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