Zwei Jahre nach Stan und immer wieder Regen
Fijáte 395 vom 10. Oktober 2007, Artikel 2, Seite 3
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Zwei Jahre nach Stan und immer wieder Regen
Guatemala, 05. Okt. Seit zwei Jahren leben immer noch 370 Familien in Panabaj, Santiago Atitlán, im Departement Sololá, in temporären Unterkünften unter ungebührlichen Bedingungen. Am 5. Oktober 2005 hatte ein von Hurrikan Stan ausgelöster Erdrutsch das ganze Dorf unter sich begraben, 196 von 237 verschütteten Leichen sind in der Zwischenzeit geborgen worden. Die offiziellen Berichte vom 14. September besagen zwar, dass beim landesweiten Wiederaufbau ein materieller Fortschritt von 96% zu verzeichnen ist - von den vorgesehenen 3´593 Projekten sollen somit 3´201 Projekte abgeschlossen sein, darunter Schulen, Brücken, Abwasserkanäle und Umweltsanierungsmassnahmen. Doch allein im Departement Sololá hat die lokale Vertretung des Menschenrechtsprokurats ein Monitoring durchgeführt und festgestellt, dass tatsächlich noch die Mehrheit der Bevölkerung der damals am stärksten von den Folgen des Hurrikans betroffenen Gemeinden Santiago Atitlán, Nahualá, Santa Catarina Ixtahuacán, Panajachel und San Lucas Tolimán noch heute in den damals zur Verfügung gestellten, provisorischen Behausungen lebten, die maximal für 6 Monate zumutbar seien, aber nicht für zwei, drei Jahre, so der PDH-Vertreter Ovidio Paz. Angesichts der Situation hat die PDH jetzt eine Klage gegen den Staat aufgesetzt, da dieser gegen die Menschenrechte der betroffenen Bevölkerung verstosse und unfähig gewesen sei, sofort und effizient mit dem Bau der formalen Häuser zu reagieren, die den Geschädigten auch würdig seien. (¡Fijáte! 387) Der Zuständige der staatlichen Wiederaufbaukommission, Eduardo Aguirre, kündigte derweil an, dass in Panabaj im November die ersten 73 Wohnhäuser übergeben werden sollen und bis Ende des Jahres 230 weitere. Bis dahin wird wohl der diesjährige Winter dann auch vorüber sein. Nach Hurrikan Felix, der Anfang September noch über das Land zog und vor allem in den Departements im Osten des Landes Spuren hinterliess, veranlassten auch jetzt schon wieder die anhaltenden starken Regenfällen die Autoritäten dazu, in 21 Departements die orange-farbige Warnstufe auszurufen. Zahlreiche Gemeinden waren tagelang von der Aussenwelt abgeschnitten. Und in der Hauptstadt erinnerten die erneut unter Wasser stehenden Hauptverkehrsstrassen daran, dass die Regierung und Stadtverwaltung - also "Tu Muni" von Álvaro Arzú (siehe Hintergrundartikel) - in den letzten Jahren wahlstrategisch vornehmlich in sichtbare Infrastruktur investiert, aber die Instandsetzung der völlig maroden Abwasserkanalisation völlig ausser Acht gelassen hat. Vor allem Wohngebiete am Stadtrand, die ohnehin nur eingeschränkt mit öffentlicher Aufmerksamkeit bedacht werden, traf der Regen hart. In der Zone 5 starben mindestens 5 Personen, ungewiss ist die Zahl der unter einem Erdrutsch Verschütteten. Einige Wohnhäuser sind komplett zerstört, viele andere unbewohnbar und die Bevölkerung auf die Notunterkünfte im Stadtviertel verteilt. Nach oben |
Auch die AnwohnerInnen von San Antonio in der Zone 6 leben unter permanenter Sorge, denn selbst nach acht Monaten klafft immer noch das zig Meter tiefe Loch inmitten der Siedlung und immer wieder kommt es zu neuen Erdrutschen, deren Grollen nicht aufhören will. Inzwischen hängt gar das ursprünglich einige Meter am Rand neben dem Krater stehende Gebäude des Busunternehmens Litegua halb in der Luft. Vierzehn Familien leben bis jetzt noch im Gefahrengebiet und die Regierung - deren Zuständige die weiteren Bauarbeiten u. a. aufgrund von Diskussionen um das richtige Füllmaterial verzögern - hat noch keinen Vorschlag zur Entschädigung der Opfer und Betroffenen vorgelegt, die am 25. Februar von dem Einsturz der Erde geschockt wurden. Eddy Sánchez, Direktor des meteorologischen Instituts INSIVUMEH wies bereits Mitte September darauf hin, dass das Schlimmste noch komme. Denn bis zum Ende der Regenzeit bis Ende November werden noch vier bis fünf Stürme erwartet, die sich über der Karibik formieren und sich in Hurrikans verwandeln können. Auch in Bezug auf die vermeintlich grossartige Arbeit der Kastrophenprävention durch die entsprechende nationale Koordinationsstelle CONRED erhob das Menschenrechtsprokurat seine Kritik: Der institutionelle Vorsorge- und Reaktionsplan auf die verheerenden Folgen der Naturphänomene greife überhaupt nicht. Vielmehr führe die fehlende Ernsthaftigkeit, mit der die zuständigen Regierungsebenen den Prozess angingen, dazu, dass eine wirkliche Planung nahezu unmöglich sei, um für den Schutz und die Unversehrtheit der Bevölkerung zu sorgen, so Gustavo Ovalle. Der Leiter der Umweltabteilung der PDH erinnerte daran, dass die CONRED dazu gegründet wurde, die Gefahren im Voraus zu erkennen und vorsorgende Massnahmen zu ergreifen, doch bislang wurde sie stets erst hinterher aktiv. Selbst die lokalen CONRED-Zweigstellen würden ihre Funktion nicht erfüllen. Die eigentlich wichtigen AmtsinhaberInnen der Bürgermeistereien schickten oft, anstatt sich persönlich zu engagieren, Leute vor Ort, die über keine Entscheidungsbefugnis verfügten und die Gefahrenlage der Bevölkerung nur verschlimmerten. |
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