Und der Sieger heisst...
Fijáte 397 vom 07. November 2007, Artikel 2, Seite 3
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Und der Sieger heisst...
Guatemala, 05. Nov. ... Álvaro Colom. Nachdem er sich heuer zum dritten Mal in Folge auf das Präsidentenamt beworben hatte, konnte der 56jährige Industrie-Ingenieur die Stichwahl am Sonntag nach Auszählung von 85% der Stimmen mit 52,35% der Stimmen für sich entscheiden, 47,65% gingen derweil an Otto Pérez Molina. Doch wieder einmal war die zweite Wahlrunde geprägt von einer hohen Quote an Enthaltungen, die wie bei den Wahlen 2003 53% der Wahlberechtigten erreichte. Angesichts der Tatsache, dass inzwischen mehr Personen im Wahlregister eingeschrieben sind, spricht die konstante Abstinenz bei der zweiten Wahlrunde nicht gerade für eine wachsende Demokratie und die Überzeugung der Bevölkerung, auf nationaler Ebene mit der eigenen Stimme Einfluss üben zu können. Zwar wurden gleich Erklärungen wie der Regen auf dem Land und die Kälte in der Hauptstadt herangezogen, die die Wählenden von den Urnen ferngehalten haben sollen. Gleichzeitig stellte sich die Vorverlegung der Wahlen letztendlich als Flop heraus, nicht nur aufgrund des Feiertags am 1. November, der kurz vor dem Wahlwochenende lag und den viele Familien nutzen, um die Gräber ihrer Verstorbenen zu besuchen, die meist fern vom derzeitigen Wohnort und somit der Wahlurne begraben sind. Doch ohne Zweifel lässt die Wahlenthaltung die Schlussfolgerung zu, dass die Bevölkerung sich generell wenig vom Ausgang des Urnengangs versprochen hat, unabhängig, wer die Wahl gewann. Auch die nach der ersten Wahlrunde am 9. September noch einmal anziehenden Verschärfung der gegenseitigen Verunglimpfungen zwischen den beiden Kandidaten und den Parteien - Nationale Einheit der Hoffnung (UNE) und Patriotische Partei (PP) - für die die zwei antraten, förderte das Vertrauen in die Politik sicher nicht. Während noch im September erst ein Pérez Molina offenbar auch persönlich näher stehender Sicherheitsberater der PP und kurze Zeit später eine Parteisekretärin ermordet wurden, brachten die Rückzüge des Kampagnen-Strategen José Carlos Marroquín und dem UNE-Abgeordneten Victor Montejo die UNE ins Wanken, die ohnehin durch die Vorwürfe ob ihrer Verbindungen zum organisierten Verbrechen geschwächt war. Marroquín kündigte seinen Posten 23 Tage vor der Stichwahl aufgrund von mutmasslichen Morddrohungen, die zugenommen hatten, nachdem sein Vater, Oscar Clemente Marroquín, Direktor der Tageszeitung La Hora, in einem Artikel zwei Colom - und dem organisierten Verbrechen - affine UNE-Funktionäre verantwortlich gemacht hatte für das Attentat auf seinen Sohn José Carlos im vorigen Jahr. Dabei hatten Maskierte dessen Haus und Autos unter Beschuss genommen. José Carlos Marroquín erstattete jetzt wegen der Drohungen Anzeige beim Menschenrechtsprokurat und nannte wohl die ihm bekannten Gruppierungen innerhalb der Partei, die seines Erachtens dahinter stünden. Die Drohungen wurden noch mehr, so dass zunächst seine Familie das Land verliess und schliesslich Marroquín selber. Victor Montejo dagegen verliess die Partei, was viele UNE-Mitglieder längst gefordert hatten, da sie Montejo vorwarfen, sich unloyal verhalten und der Patriotischen Partei Interna der UNE weitergegeben zu haben. Dieser wiederum beschwert sich, in der UNE schlecht behandelt worden zu sein und wirft dem Vizepräsidenten, Rafael Espada, vor, die Realität des Landes überhaupt nicht zu kennen, da er die letzten mehr als 30 Jahre als Chirurg in den USA tätig war. Nach oben |
Da sich inhaltlich die Programme von Colom und Pérez Molina in wesentlichen Punkten nicht unterschieden und selbst die Wahlumfragen im Vorfeld mal den einen und mal den anderen als wahrscheinlichen Sieger deklarierten, ist die Strategie des pensionierten Generals offensichtlich nicht aufgegangen, der sich, siegessicher, bereits 10 Tage vor den Wahlen aus der Öffentlichkeit zurückzog und an keinem Forum und keiner Debatte mehr teilnahm. Oder aber gerade in diesem Rückzug und somit im Ausgang der Wahlen steckt eine Strategie des Militärs. Unabhängig davon wird es Álvaro Colom in den nächsten vier Jahren nicht leicht haben. Weder kann er auf einen überzeugten Rückhalt in der Bevölkerung zählen, noch - mit 52 von 158 Sitzen im Parlament, also weit von der absoluten Mehrheit entfernt - auf eine Sicherheit im Kongress. Angekündigt hat der neu gewählte Präsident zumindest schon einmal einen neuen Fiskalpakt, der zwischen Juni und September nächsten Jahres den Beginn einer Umstrukturierung des Steuersystems auszeichnen soll. Ein weiteres Versprechen beinhaltet die Modernisierung des Militärs inklusive einer Revision der Militärdoktrin und der Aufhebung des Militärgeheimnisses. Während die Patriotische Partei denunzierte, UNE-SympthisantInnen hätten am Tag der Wahlen Gutscheine für Dachwellbleche verteilt, hatte Álvaro Colom im Vorfeld bereits je einen Pakt mit der nationalen LehrerInnengewerkschaft und einem BäuerInnenzusammenschluss in Huehuetenango geschlossen. Auch gab er bereits eine vorläufige Liste der vorgesehenen Personen für die Leitungsebene einiger Ministerien bekannt - Frauen nannte er dabei noch nicht. Dabei schliesst er nicht aus, die aktuelle Innenministerin Adela Camacho de Torrebiarte im Amt zu belassen, hat aber noch andere KandidatInnen für diesen Posten in petto. Indes kündigten acht der neun als Abgeordnete gewählten UNE-Frauen an, sich für eine politische Agenda zugunsten der Frauen einzusetzen. |
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