Zahlenakrobatik rund ums Staatsbudget
Fijáte 350 vom 21. Dez. 2005, Artikel 1, Seite 1
Original-PDF 350 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 - 10 - 11 - 12 --- Nächstes Fijáte
Zahlenakrobatik rund ums Staatsbudget
Die Diskussionen rund um das Haushaltsbudget des guatemaltekischen Staates (siehe ¡Fijáte! 349) prägten in den letzten Wochen die Schlagzeilen in den Medien und die Gespräche in den Gängen des Kongresses. Zahlen in Millionenhöhe bergen in sich die Verlockung, Vergleiche anzustellen und Umverteilungsvisionen zu entwickeln. In diesem Zusammenhang erschien in der Internetzeitschrift cambio3 der folgende Zahlen-Sport-Artikel von Byron Barrera. Ebenfalls zu Zahlenspielereien aufgelegt war die Gruppe gegenseitiger Hilfe (GAM), welche die Budgetdiskussion als Anlass nahm, den Hungerbekämpfungsdiskurs der Regierung den real budgetierten Zahlen in diesem Bereich gegenüberzustellen und einen Vergleich mit dem Cero Hambre- Programm der brasilianischen Regierung zu ziehen. Wir veröffentlichen eine Kurzfassung des daraus entstandenen Dokuments. "Ein Land, das nie an einer Fussballweltmeisterschaft teilgenommen hat, gibt mehr aus für den Sport als fürs Justizwesen"Finden Sie es richtig, dass im guatemaltekischen Haushaltsetat mehr Geld für den staatlich geförderten Sport vorgesehen ist als für den Umweltschutz oder das Justizwesen? In Guatemala erhält gemäss verfassungsrechtlichen Bestimmungen die Justiz 2% des nationalen Budgets, während der Sport 3% bekommt. Dies sind täglich etwas 800'000 Quetzales (ca. 100'000 US-$), die nächstes Jahr der Autonomen Vereinigung des guatemaltekischen Sports (Confede) zur Verfügung stehen werden, um den Sport zu fördern. Die Confede besitzt eigenes Vermögen (das aber in Tat und Wahrheit staatliche Gelder sind) und ist vom Bezahlen jeglicher Steuern und sonstiger Abgaben befreit. Sich hinter ihrem Autonimiestatus versteckend (schön wäre es, wenn es sich auch um eine finanzielle Autonomie handeln würde) verweigern die Verantwortlichen jede Auskunft über Ausgaben und Einnahmen, die sie aus ihren saftigen Geschäften schöpfen wie z.B. dem Sponsoring und der Werbung oder den Eintritten, welche die ZuschauerInnen bei Sportveranstaltungen bezahlen. Im Jahr 2005 erhielt die Confede staatliche 176'602'647 Quetzales. 160 Mio. davon gingen in "administrative Kosten" der Vereinigung, 16 Mio. in "Anschaffungen". Damit aber noch nicht genug der staatlichen Sportförderung, denn eine weiterer Betrag geht ans Ministerium für Kultur und Sport und rund 40 Mio. Quetzales erhält das Olympische Komitee Guatemalas. Insgesamt sprechen wir also von einer jährlichen staatlichen Sportförderung in Höhe von 300 Mio. Quetzales (ca. 37,5 Mio. US-$). Gemäss Verfassung muss die Hälfte der 3% der staatlichen Förderung der Confede, ein Viertel dem Schulsport und ein weiteres Viertel dem Nicht-Regierungs-Sport zur Verfügung gestellt werden. Das Budget der Confede stieg Jahr um Jahr um Millionen von Quetzales. Rund 134 Mio. waren es im Jahr 2001, 146 Mio. im Jahr 2002, 164 in 2003, 176 in 2004. Für 2006 ist ein erhält Etat von 191 Mio. Quetzales vorgesehen, das ist mehr als jenes des Umweltministeriums (dessen Budget mit knapp 37 Mio. Quetzales gerade mal dem entspricht, was die Regierung jährlich für Eigenwerbung ausgibt) und mehr als die nationale Rechnungsprüfungsinstanz, eine der wichtigen Institutionen im Zusammenhang mit der Korruptionsbekämpfung. Dass der Sport mehr Geld bekommt als das Justizwesen zeigt, dass der Zugang zur Justiz das Privileg einiger weniger ist und die grosse Mehrheit, vor allem in ländlichen Gegenden, davon ausgeschlossen ist. Autonomie und Korruption sind zwei Begriffe, die eng mit dem staatlich geförderten Sport, sprich mit der Confede verbunden sind. Ein Beispiel: Die Kosten für die Eröffnungsfeier der 8. Zentralamerikanischen Spiele, die am 8. und 9. Dezember in Guatemala stattfanden, wurden mit 10 Mio. Quetzales budgetiert. An der Ausschreibung für die logistische Durchführung dieser Veranstaltung nahm genau ein Unternehmen, die Corseinsa, teil, spezialisiert auf "Autowaschen, Verdunkeln von Autoscheiben, Pneuwechsel und Auswuchtung von Autofelgen". Die Ausschreibung fand am 10. August statt, der Vertrag mit dem oben genannten Unternehmen war zu diesem Zeitpunkt bereits unterschrieben. Im Jahr 2001, als die Zentralamerikanischen Spiele ebenfalls in Guatemala stattfanden, kostete die Eröffnungsfeier 1'250'000 Quetzales, also genau acht Mal weniger. Hinter der Corseinsa steckt William Morales vom Unternehmen Mercado Deportivo, das seit Jahren in der Werbung für Sportveranstaltungen tätig ist. Nach oben |
Am vergangenen 12. November wurde die Leitung sowohl von Confede wie auch vom Olympischen Komitee neu gewählt. Für das Olympische Komitee wurde Oswaldo Méndez Herburger vorgeschlagen, der bereits Präsident von Confede war und dort der Geldhinterziehung beschuldigt wurde. Ebenfalls war er während der Regierung von Ex-Präsident Serrano Elías in einen Skandal der Energie-Firma Enron involviert. (Wieder-)gewählt wurde schliesslich der Gegenkandidat, Fernando Beltranena, der das Komitee bereits seit 12 Jahren präsidiert, während Herburger als Mitglied des Ehrengerichts des Komitees gewählt wurde. Am 22. Oktober wurde der neue Vorstand der Nationalen Fussballvereinigung (Fedefutbol) neu gewählt. Für die Präsidentschaft kandidiert hatten Oscar Rolando Arroyo Arzú und Bryan Jiménez Hernández. Arroyo und drei weitere bisherige Vorstandsmitglieder der Fedefutbol wurden bezichtigt, im vergangenen Sommer in einen Ticket-Verkaufsbetrug involviert gewesen zu sein. Jiménez seinerseits hat einige Gerichtsverfahren hängig wegen Betrugs und Diebstahls. Fussball ist denn auch ein weiteres Nest der Korruption. Mauricio Caballeros, Ex-Präsident der Fedefutbol war im Jahr 2003 wegen Veruntreuung von Geldern angeklagt. Der Wieder- bzw. Mehrfachverkauf von Tickets für Sportveranstaltungen, die Fälschung von T-Shirts, das ganze Sponsoringwesen, der "Handel" der Spieler, all dies sind Quellen der Korruption, die fröhlich sprudeln. Als Präsident von Confede wurde zum dritten Mal Mario Rolando Castro wiedergewählt. Offiziell und wie er selber behauptet, lebt er von seinen Renten, doch auch er wurde während seiner Amtszeit immer wieder der Geldhinterziehung, der illegalen Geschäfte und dem unverhältnismässigen Abrechnen von Spesengeldern beschuldigt. Im Jahr 1988 unternahm er z. B. eine Reise nach Deutschland, für die er 8 Mio. US-$ an Spesen kassierte. Der nationale Sport wird von einer regelrechten Mafia gesteuert. Er hat zwar einen autonomen Status, erhält aber von der Regierung mehr Geld als das Justizwesen, mit dem Unterschied, dass dieses gratis ist, dass von ihm Resultate erwartet werden und dass es als Garant für eine funktionierende Demokratie gilt. Der Sport seinerseits dient als fruchtbarer Boden für Millionengeschäfte. Weshalb müssen ihm also noch öffentliche Gelder zugesprochen werden? Wäre es nicht besser, den Gemeindebehörden würden die Gelder und die Verantwortung für die sportlichen Aktivitäten in ihren Gemeinden übertragen? Im Moment ist es nämlich so, dass der Staat das Hobby der Reichen finanziert und ihnen auf dem Silbertablett ein millionenschweres Budget serviert, damit ihre Unternehmen noch reicher werden und sie weitere gründen können. Bezahlen wir dafür unsere Steuern? |
Original-PDF 350 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 - 10 - 11 - 12 --- Nächstes Fijáte