Freihandelsabkommen mit den USA: ,,Weder Himmel noch Hölle"
Fijáte 329 vom 2. März 2005, Artikel 1, Seite 1
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Freihandelsabkommen mit den USA: ,,Weder Himmel noch Hölle"
Dies ist der Schluss, den der Wirtschaftsexperte Miguel Ángel Gutiérrez in einem Interview mit der Tageszeitung elPeriódico über den Freihandelsvertrag zwischen Zentralamerika und den Vereinigten Staaten (CAFTA- im Englischen) zieht. Wenn alles nach Plan der BefürworterInnen des Freihandelsabkommens (TLC) läuft, wird das Vertragswerk in den nächsten Wochen vom guatemaltekischen Kongress ratifiziert und die entsprechenden Gesetze dazu erlassen bzw. geändert. Unterdessen hat die Diskussion um das umstrittene Abkommen in Guatemala weitere Kreise gezogen zu spät wohl, um sein Inkrafttreten noch zu verhindern. Ein Stimmungsbarometer. Am 28. Januar wurde der Exekutive die bisherige Schlussfassung des Freihandelsabkommens zwischen den Vereinigten Staaten, Zentralamerika und der Dominikanischen Republik zur Diskussion vorgelegt. Mariano Rayo, Präsident der Parlamentskommission für Wirtschaft und Aussenhandel, gibt sich positiv und hofft, dass der Kongress das Geschäft bis zu den Osterferien unter Dach und Fach hat. Dies ist auch nicht wirklich schwierig: 80 JA-Stimmen genügen, und darüber verfügt die Regierungspartei GANA und ihre Verbündeten aus der FRG, der Patriotischen Partei und der UNE locker. Die meisten Kongressabgeordneten haben sich bisher noch nicht mit dem Thema Freihandelsabkommen beschäftigt, eine Tatsache, die von den GegnerInnen stark kritisiert wird, werden doch mit der Ratifizierung für die kommenden 50 Jahre die Weichen in eine Richtung gestellt, deren politischen, ökonomischen und sozialen Konsequenzen alle folgenden Generationen zu spüren bekommen werden. Skeptisch gegenüber dem Abkommen sprechen sich die URNG, die ANN und einzelne UNE-Abgeordnete aus. Auch die PAN und die ChristdemokratInnen fühlen sich "noch zu wenig vorbereitet". Gemäss der URNG-Abgeordneten Alba Estela Maldonado sei man nicht grundsätzlich gegen eine Öffnung der Märkte, aber gegen dieses spezifische Abkommen mit den USA. Die ANN fordert die Regierung auf, wenn sie schon den TLC unterzeichne, solle sie wenigstens gleichzeitig Massnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und zur Unterstützung des Agrarsektors sowie eine integrale Steuerpolitik einführen. Der ANN-Abgeordnete Alfredo de León verlangt ein Moratorium von sechs Monaten, damit sich die ParlamentarierInnen erst einmal mit der Thematik auseinandersetzen können, bevor sie entscheiden. Der UNE-Vertreter Raúl Robles ist gegen das Abkommen weil "die USA den dicken Fisch an Land ziehen werden, während die kleinen und mittleren Unternehmen in Zentralamerika im Nachteil sind". Zugang zum Weltmarkt zu haben, nütze nichts, wenn man nichts anzubieten habe, meinte Robles weiter und befürchtet gar, dass gewisse importierte Produkte billiger angeboten werden als die nationalen, weil diese nicht subventioniert würden. (Übrigens gehören laut Abkommen zu den Gütern, die Guatemala steuerfrei in die USA exportieren kann, "typische" Dritt-Welt-Produkte wie Atomreaktoren, Teleskope, Traktoren, Sonnenbrillen etc.) Aus Oppositionskreisen wurde gefordert, dass eine Volksbefragung (Consulta popular) über die Ratifizierung des TLC hätte durchgeführt werden sollen, wofür es zum jetzigen Zeitpunkt jedoch zu spät ist. Ebenfalls zu spät ist es unterdessen, noch grössere Änderungen in dem Vertrag anzubringen. Nichtsdestotrotz lädt der Kongress zu einer öffentlichen Diskussion ein und bittet alle am Thema Interessierten, ihre Vorschläge einzureichen. Ausserdem wurde eine Webseite eröffnet, die als Forum dienen soll und auf der auch das Vertragsdokument einsehbar ist. (www.ca-asies.org) Seit der Vorgang im Kongress weilt und Gespräche und Informationsveranstaltungen zwischen Kongress, den verschiedenen Ministerien und der Zivilgesellschaft stattfinden, wächst auch der Protest der GegnerInnen täglich. Die in der Mesa Global zusammengeschlossenen Nichtregierungsorganisationen (NRO) gewerkschaftlicher und umweltschützerischer Herkunft weisen darauf hin, dass das Freihandelsabkommen nicht den Interessen des Grossteils der Bevölkerung entsprechen. Die ganze Diskussion darüber habe in der Exekutive stattgefunden, das Parlament und die Bevölkerung seien davon ausgeschlossen worden. Der Gewerkschafter Edwin Ortega befürchtet schlimme Konsequenzen für die ArbeiterInnen, indem noch mehr Akkordarbeit zu Mindestlöhnen eingeführt werde. Ebenfalls habe es wohl die Entlassung Tausender von ArbeiterInnen zur Folge. Auch die KleinbäuerInnen werden die negativen Auswirkungen des TLC zu spüren bekommen, wie eine Studie der Koordination der NRO und Kooperativen (Congcoop) zeigt. Sie befürchtet, dass der Markt von gentechnisch veränderten Produkten überschwemmt wird, die billiger sind als das einheimische Getreide und so den BäuerInnen ihre Existenz genommen wird. An den Protesten vor dem Kongressgebäude nahmen auch die HIV-Positiven und an Aids Erkrankten teil. Sie fordern die Regierung auf, endlich die Hindernisse zum Zugang billigerer Generika für Aidskranke aufzuheben, eines der in letzter Zeit umstrittensten Themen im Zusam- Nach oben |
menhang mit dem TLC. Die TLC- GegnerInnen werfen den Kongressabgeordneten vor, sie seien keine VolksvertreterInnen, sondern würden sich den Interessen der UnternehmerInnen beugen. Ein Vorwurf, der von einigen Abgeordneten bestätigt wird, die zugeben, dass es aus gewissen Kreisen Druck gebe, das Abkommen baldmöglichst zu ratifizieren. Um die Kontroverse noch etwas anzuheizen, hiess es plötzlich seitens der Koordination der BäuerInnenorganisationen, CNOC, man verfüge über Informationen, dass es einen Fonds von 25 Mio. US-$ gebe, um den Kongressabgeordneten, die für das Freihandelsabkommen stimmen, einen Extra-Bonus zu bezahlen. Finanzminister Marcio Cuevas wies diese Anschuldigung zurück: Man habe nicht einmal genügend Geld, um eine Informationskampagne zum TLC durchzuführen, geschweige denn, um irgendwelche Bestechungsgelder zu verteilen. Der eingangs erwähnte Wirtschaftsexperte Miguel Ángel Gutiérrez erklärte in seinem Interview mit elPeriódico, dass in Guatemala eine Öffnung des Marktes nicht genutzt werden könne. Es sei das einzige Land der Region, in dem die Auslandsinvestitionen in den letzten Jahren zurückgegangen seien. Grund dafür sieht er im Fehlen einer allgemeinen und einer juristischen Sicherheit. Es habe zwar Wirtschafsreformen gegeben, aber es sei niemals etwas dafür getan worden, damit diese Wirtschaft überhaupt funktionieren könne. Gutiérrez sieht drei grosse Herausforderungen, denen sich die guatemaltekische Regierung stellen müsse: Die Verbesserung der Bedingungen für die LandarbeiterInnen, eine gute Administration des Abkommens und den Schutz der Generika. Die USA, abgesehen von den Subventionen, die sie an ihre BäuerInnen verteilen, sind ein herausragender Getreideproduzent und können mit einem Handstreich den ganzen Agrarsektor Zentralamerikas auswischen, falls es zu einer totalen Öffnung des Landwirtschaftssektors komme. Die guatemaltekische Regierung ihrerseits sei nicht in der Lage, ihren BäuerInnen den finanziellen, technischen und marktwirtschaftlichen Support zu geben, um sie konkurrenzfähig zu machen oder um auf nichtkonventionelle Produkte wie Schnittblumen oder bestimmte Gemüsesorten umzusteigen. Die zweite Herausforderung ist laut Gutiérrez die Tatsache, dass sich Guatemala auf einen Prozess einlasse, den das Land nicht zu verwalten in der Lage sei. Als Beispiel nennt er das Freihandelsabkommen mit Mexiko, das ein absolutes Desaster sei: Der Handel mit Mexiko sei zurückgegangen seit der Unterzeichnung des Abkommens, mangels einer Administration, die in der Lage wäre, die Fehler bei den Verhandlungen zu korrigieren. - Präsident Berger hat indes bei seinem ersten Staatsbesuch in Mexiko vor wenigen Tagen mit seinem Amtsgenossen Fox unter anderem die Wiederbelebung des Warenaustauschs zwischen den Nachbarländern beschlossen und mit Optimismus unterstrichen. Im Fall der Generika befürchtet der Experte Entlassungen in der Pharmaindustrie und einen Einfluss auf die Gesundheitspolitik des Staates, falls man sich den Bedingungen der USA (längere Patentfristen) unterwerfen müsse. Generell glaubt Gutiérrez aber, dass nicht so sehr der TLC an sich, sondern die begleitenden Massnahmen, die Guatemala dazu entwickelt, wichtig für die Zukunft des Landes seien. Die Freihandelsabkommen an sich seien kein Entwicklungsprogramm, meinte er abschliessend. Dieser Tage fand auch das 19. Tref- fen der zentralamerikanischen (inklusive Belice und Panamá) MenschenrechtsprokuratorInnen statt, das vom Unbehagen über die Unterzeichnung der Freihandelsverträge geprägt war. Mit Ausnahme des Vertreters von Nicaragua, der sich nicht zum Thema äusserte, sind sich die Menschenrechtsverantwortlichen einig, dass diese Verträge nichts ,,Freies" an sich haben. Die Procuradores schlossen sich der Forderung nach einem Volksreferendum in allen beteiligten Ländern an. Das CAFTA-Abkommen tritt in Kraft, wenn es mindestens von zwei Ländern ratifiziert ist, wobei eines davon die USA sein muss. Bisher ist es erst von El Salvador ratifiziert worden, in den USA selber werden immer mehr kritische Stimmen unter den DemokratInnen im Senat laut. |
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