Massenflucht war angekündigt
Fijáte 239 vom 10. Juli 2001, Artikel 10, Seite 6
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Massenflucht war angekündigt
Guatemala, 4. Juli. Offensichtlich war die geplante Massenflucht aus dem Hochsicherheitsgefängnis 'Canada' in Escuintla ein offenes Geheimnis. Mindestens die 500 Meter vom Gefängnis entlegene Polizeistation wurde zwei Tage vor dem Ausbruch telefonisch darauf aufmerksam gemacht, dass ein solcher geplant sei und dass grosskalibrige Waffen ins Gefängnis gebracht würden. Der anonyme Anrufer wies auch darauf hin, dass Gefängniswärter und Sicherheitspersonal eingeweiht seien und die Zellentüren offen lassen würden. Innenminister Byron Barrientos gab zu, dass die Polizei informiert worden sei. Man wies daraufhin den Gefängnisdirektor an, die Sache zu überprüfen. Dieser teilte jedoch dem Vizedirektoren der guatemaltekischen Gefängnisbehörde mit, es sei alles unter Kontrolle. Als der Vizedirektor sich selber vergewissern wollte, sei der Ausbruch schon geschehen, informierte Barrientos. Laut Hugo Maul Figueroa, Präsident des Obersten Gerichtshofes (CSJ), wurden Untersuchungen eingeleitet, um den genauen Tathergang zu ermitteln und ob tatsächlich, trotz der Warnung, nichts unternommen wurde. Unterdessen läuft die Suche nach den Entflohenen weiter. Trotz des Grossaufgebotes von Militär und Polizei (rund 1000 Personen sind im Einsatz) konnten eine Woche nach Ausbruch der 87 Gefangenen erst dreissig von ihnen festgenommen werden. Nicht nur für die Jagd nach den entflohenen Häftlingen wird das Militär eingesetzt, sondern auch zur verstärkten Überwachung der Gefängnisse. Innenminister Barrientos zieht sogar eine mögliche Privatisierung der Gefängnisse in Betracht. Sein Hauptproblem sei das Finanzielle, erklärte er gegenüber den Abgeordneten der Allianz Neue Nation (ANN), die ihn vorluden, damit er Rechenschaft über die Massenflucht abgebe. "Ich muss 750 Fahrzeuge reparieren lassen und zweitausend neue kaufen. Ausserdem bräuchte ich 54 Millionen US-$, um vier neue Hochsicherheitsgefängnisse zu bauen", rechnete Barrientos vor. Nach oben |
Derweil setzte Präsident Portillo eine beratende Kommission zur Untersuchung des Gefängnissystems ein. Diese Kommission soll eine Studie über die Situation der Häftlinge in den verschiedenen Gefängnissen erarbeiten und herausfinden, welche Gefängniswärter bestechlich sind. Weiter soll sie einen Plan ausarbeiten, wie und wo die geflüchteten und wieder eingefangenen Häftlinge in Zukunft untergebracht werden sollen, je nach Grad ihrer Gefährlichkeit und Strafe, die sie zu verbüssen haben. Eine Gruppe von zehn Menschenrechtsorganisationen weist darauf hin, dass es an Untersuchungen über den Zustand des guatemaltekischen Strafwesens nicht mangle, ein Beispiel dafür sei der Bericht von MINUGA von April 2000. Diese Organisationen fordern weiterhin die Absetzung von Innenminister Barrientos. |
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