Brief an Kofi Annan
Fijáte 247 vom 31. Okt. 2001, Artikel 2, Seite 2
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Brief an Kofi Annan
Guatemala, 8. Okt. Rigoberta Menchú und zwei weitere FriedensnobelpreisträgerInnen fordern in einem an den Generalsekretär der UNO, Kofi Annan, gerichteten Brief die sofortige Einstellung aller gegen Afghanistan gerichteter militärischer Aktionen: Sehr geehrter Generalsekretär, Die FriedensnobelpreisträgerInnen, die diesen Brief unterzeichnen, sind nach New York gekommen, um unsere Ablehnung gegenüber den gestern begonnenen militärischen Aktionen auszudrücken. Diese Angriffe sind als Vergeltungsschläge für die Attentate vom 11. September zu verstehen. Wir überreichen Ihnen ein Schreiben, in dem wir die Meinung von acht weiteren FriedensobelpreisträgerInnen ausdrücken und betonen, dass Gewalt nicht mit Gegengewalt bekämpft werden kann. Wir fordern die hier versammelte Generalversammlung der Vereinten Nationen auf, weiteres Leiden zu vermeiden und einen Frieden zu garantieren, der auf Gerechtigkeit und Freiheit baut und der die internationale Rechtsordnung achtet. Gleichzeitig möchten wir unseren Schmerz und unsere Solidarität mit den Opfern der Tragödie, mit ihren Familienangehörigen und dem US-amerikanischen Volk ausdrücken. Wir verurteilen den Terrorismus in all seinen Formen und zu allen Zeiten. Wir verurteilen aber auch die Doppelmoral, mit der die militärischen Schläge von sogenannten humanitären Operationen begleitet werden. Sie hinterlassen Tausende obdachlose afghanischen Männer, Frauen und Kinder. Die humanitäre Katastrophe spitzt sich zu, ohne dass die Ursachen des Konfliktes behoben werden. Wir rufen auf, die Gerechtigkeit zu suchen und nicht Rache. Die Attentate in den USA haben gezeigt, wie notwendig die Schaffung eines internationalen Gerichts ist, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und den Opfern Gerechtigkeit und Wiedergutmachung zukommen zu lassen. Mit dem Ziel, solche im Namen der Freiheit und im Schatten der Straflosigkeit begangene Verbrechen zu verhindern, rufen wir dazu auf, die universelle Rechtssprechung zu stärken und so schnell wie möglich einen Internationalen Gerichtshof einzurichten. Die jüngsten Ereignisse fordern globale Lösungen für die bestehenden Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten, welche Verzweiflung und Impotenz nähren und täglich Tausende von Leben kosten. Es muss ein Kampf geführt werden gegen die lautlose Bombe des Hungers, der Armut und des sozialen Ausschlusses, denen heute die Mehrheit der Völker ausgesetzt sind und die ein Abbild der strukturellen politischen und wirtschaftlichen Ungerechtigkeiten sind. Nach oben |
Keine Land und keine Allianz darf unilateral kriegerische Aktionen beginnen, die ausserhalb der Entscheidungen der Vereinten Nationen liegen. Wir sind nicht nur hierher gekommen, um zum Nachdenken aufzurufen, wir möchten mit unserem Aufruf dazu beitragen, dass Frieden nicht nur als moralischer Imperativ verstanden wird. Wir wollen die Absurdität jeglicher militärischer Handlung aufzeigen und verhindern, dass der Krieg als Motor für die Wirtschaft und zur Stärkung neuer Hegemonien dient. Wir fordern eine pluralistische und demokratische Weltordnung und die Respektierung der Würde aller Völker und Kulturen. Deshalb verurteilen wir jeden Versuch, die Freiheiten eines Volkes einzuschränken oder zu konditionieren. Wir bitten die Generalversammlung der Vereinten Nationen, der Quälerei ein Ende zu bereiten und einen politischen und juristischen Rahmen zu schaffen, um den Konflikt gewaltfrei zu beenden. Wir sind überzeugt davon, dass es Alternativen zum Krieg gibt und dass es möglich ist, den von der ganzen Menschheit ersehnten Frieden zu erreichen. Eine andere Welt ist möglich. Wir laden die Regierenden der Welt ein, der Gewalt mit Weisheit und dem Gesetz gegenüberzutreten. Wir laden die internationalen Organisationen ein, der gewaltfreien Natur ihrer Mandate treu zu bleiben. Sie dürfen keine militärische Intervention sekundieren und keinen Moment lang ihre Verantwortung gegenüber den dadurch provozierten humanitären Krisen aufgeben. Wir laden die Kirchen ein, die unendliche Güte ihrer Götter über die Leben und die Harmonie zwischen allen Lebewesen auszubreiten. Wir laden die LehrerInnen ein, den Respekt, die Solidarität und ein kritisches Denken zu fördern. Wir laden die Massenmedien dazu ein, keine Panik zu verbreiten und objektiv zu informieren. Die Jugendlichen, die Männer und die Frauen aller Völker laden wir ein, sich für den Aufbau einer sicheren und friedlichen Welt einzusetzen, für eine gerechte Welt, für eine würdevolle Welt - kurz, für eine Welt für alle. Maidread Corrigan Maguire (Friedensnobelpreisträgerin 1976), Adolfo Pérez Esquivel, (Friedensnobelpreisträger 1980), Rigoberta Menchú Tum, (Friedensnobelpreisträgerin 1992) |
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