Fünf Jahre nach der Wahrheitskommission und die Wiedergutmachung?
Fijáte 306 vom 24. März 2004, Artikel 3, Seite 4
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Fünf Jahre nach der Wahrheitskommission und die Wiedergutmachung?
Guatemala, 19. März. Mit dem Ziel, ihre Forderungen bezüglich des nationalen Wiedergutmachungsprogramms für die Opfer des bewaffneten Konflikts (PNR) zu artikulieren und zu koordinieren, haben sich am 20. Februar rund 50 soziale Organisationen zur Nationalen Koordination für die Wiedergutmachung an der Maya-, Garífuna-, Xincaund Ladinobevölkerung zusammengeschlossen. Der Koordination gehören unter anderem renommierte Organisationen wie der Witwenzusammenschluss CONAVIGUA, die BäuerInnenorganisation CONIC, die Menschenrechtsorganisationen GAM und CERJ an, sowie eine Vielzahl kleiner, lokaler Gruppierungen, in denen sich Opfer bzw. deren Hinterbliebene für die Einforderungen ihrer Rechte vereint haben. Gemäss Rosalina Tuyuc von CONAVIGUA will die Koordination einerseits konkrete Vorschläge an die Regierung machen, wie und an wen eine Wiedergutmachung geleistet werde soll. Zum anderen will man aber auch das bestehende Programm der Regierung kritisch begleiten und dessen soziale und ökonomische Implementierung überwachen. Bei der öffentlichen Präsentation des neugegründeten Zusammenschlusses wurde Präsident Berger an sein Versprechen erinnert, das er während der Wahlkampagne gegenüber 5´000 VertreterInnen der Kriegsopfer gegeben hatte. Dazu gehörte unter anderem die Zusage, dass er die Empfehlungen der Wahrheitskommission (CEH) in seine Staatspolitik aufnehmen wolle. Ebenfalls versprach er damals, das Gesetz über die Wiedergutmachung umzusetzen, ins aktuelle Wiedergutmachungsprogramm die Forderungen der sozialen Organisationen aufzunehmen und in den ersten fünf Monaten seiner Regierungszeit eine Nationale Kommission für die Suche nach den Verschwundenen einzusetzen. Am 25. Februar jährte sich zum 5. Mal die Veröffentlichung der Ergebnisse und Empfehlungen der Wahrheitskommission. MenschenrechtsaktivistInnen beklagten anlässlich des Jahrestages, dass die Regierung bisher viel zu wenig unternommen hat, um die versprochene physische, psychologische und finanzielle Wiedergutmachung in die Wege zu leiten. Im ganzen Land gab es zu diesem Jahrestag, der auch Nationaler Tag der Kriegsopfer ist, Aktivitäten und Gedenkgottesdienste. In Comalapa, wo seit Monaten eine Exhumierung durchgeführt wird, wurde am 25. Februar ein Monument zu Ehren der Opfer errichtet, in der Hauptstadt fand eine Demonstration statt, deren Hauptforderung die Umsetzung der Empfehlungen der CEH war, in Chiquimula wurden u.a. verschiedene Filme zum Thema Krieg und Versöhnung gezeigt. Präsident Berger seinerseits versprach, die Umsetzung der Friedensabkommen endlich voranzutreiben und sprach von drei prioritären Massnahmen: Die Durchführung des Nationalen Wiedergutmachungsprogammes, die Schaffung einer Kommission für die Friedensabkommen, die eine Art erweiterte Begleitkommission (die es ja theoretisch bereits gibt) ist, und in der auch die Parteien vertreten sind, sowie die Reaktivierung des Steuerpaktes. Wie viel mehr als nur leere Versprechungen dies sind, wird sich zeigen, denn: Alle drei Initiativen hatte sein Vorgänger Alfonso Portillo während seiner Regierungszeit zwar lanciert und damit gewisse Hoffnungen innerhalb der Zivilgesellschaft geschürt, jedoch nie konkrete Schritte zur Umsetzung unternommen. Nach oben |
Während das Thema Friedensabkommen vorwiegend stagnierte, wurde in der Frage des Steuerpaktes immerhin ein breiter Konsens geschafft, bevor schliesslich die Regierung selber zum Rückzug bliess und das Thema ,,bis auf weiteres" auf Eis gelegt, währenddessen, wie sich heute herausstellt, hohe Regierungsbeamte (u.a. der Chef der Steuerbehörde SAT) die Staatskassen leerten. Im Rahmen des von Portillo eingesetzten Wiedergutmachungsprogramms wurde zwar eine multiinstitutionelle Kommission gegründet und ein Budget verabschiedet, doch fühlten sich viele Menschenrechtsorganisationen durch das Auswahlverfahren, mit dem der Leiter dieser Kommission, Francisco Calí, bestimmt wurde, hintergangen. Nicht zuletzt deshalb gründeten sie jetzt ihre neue Koordination. Sei es, weil Calí auf die Kollaboration dieser, in der Frage der ,,Wiedergutmachung" wichtigen Organisationen verzichten musste, oder weil vom versprochenen Budget nur ein Bruchteil wirklich zur Verfügung stand, Tatsache ist, dass seit der Verabschiedung des Programms nicht viel zur Wiedergutmachung an den Opfern des bewaffneten Konflikts getan wurde. Derweil erhielten die ehemaligen Zivilpatrouillisten (Ex-PAC) bereits teilweise ihre Entschädigungszahlungen, was die Unzufriedenheit der ,,Opfer" zusätzlich nährt. Am 10. März ernannte Berger die Mitglieder der versprochenen Begleitkommission für die Friedensabkommen. Zwar gelang es ihm, mit Rosalina Tuyuc (CONAVIGUA), Eleonore Murallas (Madres Angustiadas) und Daniel Pascual (CONIC) u.a., wichtige VertreterInnen der Volksorganisationen einzubinden. Doch drängt sich die Frage auf, weshalb eine neue Kommission gegründet werden muss, wenn es doch bereits diverse, auf unterschiedlichen Ebenen arbeitende Institutionen und Kommissionen gibt, die sich der Umsetzung der Friedensabkommen verpflichtet haben. Die nächste Probe, die Berger zu bestehen hat, ist die Ernennung der Nachfolge von Francisco Calí, dem bisherigen Leiter des Wiedergutmachungsprogramms. Sowohl die multiinstitutionelle Kommission wie auch die neugegründete Koordination haben ihre KandidatInnen vorgeschlagen. Seitens der Koordination ist es Rosalina Tuyuc, die als Frau, Indígena und ,,Opfer" beste Voraussetzungen für diesen Posten mitbringt. Unabhängig davon, wer ernannt wird, rufen die in der Koordination zusammengeschlossenen Menschenrechtsorganisationen für den 30. März zu einer grossen Demonstration in der Hauptstadt auf, mit der Präsident Berger aufgefordert werden soll, die Versprechen, die er gegenüber den Maya-, BäuerInnen- und Menschenrechtsorganisationen gegeben hat, einzuhalten. |
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