Maquilas in Gefahr
Fijáte 329 vom 2. März 2005, Artikel 3, Seite 3
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Maquilas in Gefahr
Guatemala, 25. Feb. Fünftausend ArbeiterInnen des Textilunternehmens Addie Apparel, S.A., wurden letzte Woche von der Nachricht überrascht, dass der Besitzer dieser maquila, der US-Amerikaner Brecquer Griffit, mit dem Grossteil der Produktionsausrüstung ausser Landes geflohen sei. Die ArbeiterInnen nahmen daraufhin das übrig gebliebene Equipment in Beschlag, um durch dessen Verkauf wenigstens ansatzweise ihr Gehalt zu sichern. Manche von ihnen waren bereits seit sieben Jahren in der Fabrik beschäftigt und bleiben nun ohne Entschädigungszahlungen und Lohnzusatzleistungen. Währenddessen bemächtigte sich die Polizei der 60 Computer, derweil die rechtliche und finanzielle Lage der Angestellten einer Lösung harrt. Ähnlich, aber hoffentlich weniger überraschend und entschädigungslos erging es in den ersten 49 Tagen des Jahres den ArbeiterInnen von 14 Textilverarbeitungsunternehmen, welche ihre Arbeit in Guatemala eingestellt haben. Betroffen sind in diesem Fall 3´426 Personen, zu 80% sind es Frauen. Laut Carla Caballeros, Exekutivdirektorin der Bekleidungs- und Textilkommission (Vestex), stammten acht der Unternehmen aus Korea, sechs arbeiteten mit guatemaltekischem Kapital. Die Tageszeitung Prensa Libre berichtet, dass diese zusammen einen Exportwert von rund US$ 35 Mio. erwirtschafteten. Daneben schlossen bereits einige US-Marken ihre Büros in Guatemala und verlegten sie nach China, wo ihnen bessere Preise geboten werden. Neben der Beobachtung von Floridalma Contreras, Koordinatorin des Aus- und Fortbildungsprojekts in Menschen- und Arbeitsrechten des Menschenrechtszentrums CALDH, dass die Schliessung der Fabriken Teil des Freihandelsphänomens sei, mit dem sich die Region derzeit konfrontiert sieht, geht der Rücklauf der Textilindustrie direkt auf das Auslaufen des Internationalen Textilabkommens mit Ende des Jahres 2004 zurück, mit dem bislang jedem Land eine bestimmte Exportquote zugewiesen worden war. Diese Handelskontrolle gibt es nun nicht mehr, und es ist China an erster Stelle, das im Moment aufgrund seiner Produktionssituation, die die prekäre rechtliche Situation der Arbeitenden mit einschliesst, daraus Vorteile schlagen kann. Neben Guatemala sind auch andere lateinamerikanische Länder vom Abzug der Textilindustrie betroffen. Aus El Salvador sind bereits sechs Fabriken nach China abgewandert und haben 6'000 Arbeitslose hinterlassen. Bis Ende des Jahres wird diese Zahl Befürchtungen zufolge an die 30'000 erreichen. Unterdessen kämpfen die verbliebenen maquila-Angestellten nicht nur um ihre Arbeitsplätze sondern auch um ihre fundamentalen Arbeitsrechte. Neil Kearney, Generalsekretär der Internationalen Arbeitsföderation in Textil, Bekleidung und Leder informiert, Anzeigen von GewerkschaftsführerInnen aus drei maquilas erhalten zu haben, die in Guatemala operieren. Laut diesen sind die ArbeiterInnen ständigen Beschimpfungen von Seiten der AufseherInnen und BesitzerInnen ausgesetzt, die sie ertragen, um ihren Job zu behalten. Zum Teil wird den NäherInnen die konfektionierte Kleidung hingeschmissen, um sie darauf hinzuweisen, dass die Arbeit nicht gut gemacht wurde. Sollte ein Treffen mit den EigentümerInnen der maquilas keine Lösung mit sich bringen und die Situation der Arbeitsbedingungen sich nicht bessern, werde man vor die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) ziehen, um eine Evaluation der Anzeigen zu beantragen, so Kearney. Nach oben |
Verständlicherweise sei Guatemala daran interessiert, im Rahmen des internationalen Wettbewerbs konkurrieren und niedrige Preise bieten zu können, meint der internationale Gewerkschaftsvertreter. Doch: "Wir machen uns Sorgen, dass weder die Arbeitsrechte noch die internationalen Bestimmungen respektiert werden. Wir sind darin bestrebt, dass es mehr Arbeitsplätze in diesem Sektor gibt, aber nicht auf Kosten der Arbeitsrechte". Die Forderungen der GewerkschafterInnen an die drei koreanischen maquilas beinhalten den Stopp der physischen und verbalen Misshandlungen, der Beleidigungen, Einschüchterungen und Drohungen, die Autorisierung von Gewerkschaften und bessere Löhne. Am 22. Februar besetzten auch die 475 entlassenen Angestellten des Textilunternehmens JR Sportswear in Puerto Barrios, Izabal, die Fabrik, um den Abtransport der Maschinen zu verhindern, bis ihnen die ausstehenden Gehälter bezahlt werden. Die Angestellten fordern 90% der ihnen zustehenden Löhne, während der Vertreter des US-amerikanischen Unternehmens ihnen 20% anbietet. Am 23. Februar gaben Mitglieder der Gewerkschaft FESTRAS bekannt, dass Frauen, die in der Textilfirma Yong Ha Kim arbeiten, wegen ihrer Gewerkschaftsarbeit Morddrohungen bekamen und mit Waffen bedroht wurden. Laut FESTRAS wurde am 20. Januar eine Gewerkschafterin vom Fabrikbesitzer tätlich angegriffen und ins Gesicht geschlagen. Obwohl eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft eingereicht wurde, kam es nicht zu einer Verurteilung des Mannes, da er andere Angestellte dafür bezahlt hatte, damit sie zu seinen Gunsten aussagten. |
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