Wechsel in der Geheimdienstführung
Fijáte 329 vom 2. März 2005, Artikel 6, Seite 4
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Wechsel in der Geheimdienstführung
Guatemala, 24. Feb. Anfang Februar trat der Leiter des Sekretariats für Strategische Analysen (SAE), Edmundo Urrutia, relativ überraschend zurück. Die Aufgabe des SAE ist, Konflikte und Bedrohungen sozialer, politischer, und wirtschaftlicher Natur frühzeitig zu erkennen und zu Händen des Präsidenten Strategien zu deren Abwendung oder Bearbeitung zu entwerfen. Urrutia selber nannte keine Gründe für seinen Rücktritt und verwies auf den Präsidenten, in Absprache mit dem er offenbar seinen Entscheid getroffen hat. Gerüchten zufolge hat der Rücktritt mit einem Skandal zu tun, in den in erster Linie die Ehefrau Urrutias verwikkelt war. Urrutia selber soll einen seiner Untergebenen dazu angestiftet haben, zur Entlastung seiner Frau eine Falschaussage zu machen. Es gibt aber auch Meinungen, die sagen, der Wechsel an der Spitze des zivilen Geheimdienstes sei die Folge interner Auseinandersetzungen in der Exekutive. Ob dies stimme, könne man daran sehen, wer als Nachfolger Urrutias bestimmt werde, denn wenn es eine Person aus der Gefolgschaft des Innenministers Carlos Vielmann sei, bedeute es eine Verkleinerung des politischen Spielraums des Vizepräsidenten, Eduardo Stein, der mit Urrutia eine Person seines Vertrauens an dieser wichtigen Stelle hatte. Arnoldo Villagrán schrieb in einem Kommentar in Incidencia Democrática gar, es ginge darum, ob sich die autoritäre, aufstandsbekämpfende Vorstellung von Sicherheit wieder etablieren oder sich eine demokratische Vision von Sicherheit durchsetzen könne, in der das Wohlergehen der Bevölkerung als Grundlage für Sicherheit als Priorität gelte. In einer solch demokratischen Vorstellung von Sicherheit würden die Institutionen des Staates im Dienste der kollektiven Sicherheit der Gesellschaft stehen, während es in der Vergangenheit umgekehrt war und sämtliche Sicherheits- und Geheimdienstaktivitäten zur Kontrolle der Bevölkerung und zum Aufrechterhalten eines autoritären politischen Regimes dienten. Mit der Unterzeichnung der Friedensverträge wollte man solchen Praktiken ein Ende setzen und verhalf dem SAE, bzw. seinem Vorläufer, zu neuer Wichtigkeit. Trotzdem erreichte das SAE nie die Rolle, die ihm zugedacht war, unter anderem wohl, weil die militärischen Geheimdienststruk(Fortsetzung Seite 5) turen weiter funktionierten und erst am Schluss der Regierungszeit von Alfonso Portillo, Ende 2003, der Estado Mayor Presidencial, einer der militärischen Geheimdienste, aufgehoben wurde. Interessanterweise wurden seit seiner Schaffung des SAE meistens Vertreter der Linken oder gar Ex-Guerilleros zu dessen Leitern ernannt. Die Namen möglicher NachfolgerInnen Urrutias stammten jetzt fast alle aus dem Kreise rund um Vielmann. Und obwohl offenbar bereits konkrete Namen gehandelt wurden, bat Präsident Oscar Berger den Sicherheitsrat (CAS), zusammengesetzt aus VertreterInnen der Zivilgesellschaft, um Vorschläge. Nach oben |
Menschenrechtsorganisationen entwarfen ein Profil, dem die KandidatInnen entsprechen sollten. Sie forderten, dass es eine Person mit ziviler Vergangenheit (also kein (Ex-) Militär) mit Erfahrung auf dem Gebiet des zivilen Geheimdienstes, in Analyse und demokratischer Sicherheit sei. Ebenso müsse der oder die neue LeiterIn des SAE das Vertrauen sowohl des Präsidenten wie auch der sozialen Organisationen, die zu Fragen der Sicherheit arbeiten, besitzen. Mit der Ernennung von Juan Carlos Villacorta zum Nachfolger von Urrutia scheinen sich die Befürchtungen von Villagran und anderen SkeptikerInnen zu bestätigen: Villacorta war bis zum Tag seiner Ernennung Vize-Innenminister und ist enger Vertrauter von Innenminister Vielmann. Ebenfalls scheint er nahe Beziehungen zum Militär zu pflegen, man sagt ihm nach, verschiedene Militärs als Berater ins Innenministerium geholt zu haben, was den Friedensabkommen widerspricht. Er war bereits unter Präsident Arzú Mitarbeiter des SAE. Während der Regierungszeit von Portillo betätigte er sich als Berater verschiedener privater Sicherheitsfirmen und war Mitglied des Vorstands der Patriotischen Partei, aus der er im Juni 2003 austrat. Gemäss ersten Aussagen, will der neue Leiter des SAE eine Reorganisation der Institution vornehmen und schliesst auch mögliche personelle Wechsel im Sekretariat nicht aus. Vizepräsident Stein und was immer man als "die Linke" bezeichnen will, scheinen also ihren Einfluss auf das SAE und somit einen politischen Spielraum verloren zu haben. Auch die Zivilgesellschaft wurde einmal mehr ingnoriert. |
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