Traumatische Post-Stan-Krise
Fijáte 349 vom 7. Dez. 2005, Artikel 6, Seite 6
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Traumatische Post-Stan-Krise
Guatemala, 01. Dez. Unfähigkeit oder fehlenden Willen spiegele das Verhalten der Regierungsautoritäten wider, die vielen der Opfer des Hurrikan Stan immer noch nicht zur Hilfe gekommen seien, so die Betroffenen, die sich über die anhaltende Ungerechtigkeit und Unangemessenheit der Verteilung der Hilfe noch zwei Monate nach der Tragödie beschweren. Isolation aufgrund der zerstörten Infrastruktur, fehlende Nahrungsmittel und Medikamente sowie der Mangel von adäquaten Unterkünften sind nur einige der Schwierigkeiten, denen sich tausende von BäuerInnen- und indigenen Familien gegenübersehen, denen Stan Anfang Oktober ihr Hab und Gut genommen hat. Die nationale und internationale Solidarität hat sich durchaus bemerkbar gemacht, doch offensichtlich ist sie vielerorts nicht an ihr Ziel gelangt, da sie, wie von den Opfern angezeigt, von nationalen und lokalen FunktionärInnen für parteipolitische Zwecke beschlagnahmt wurde. Berichtet wird trotz der Anzeigen und Sensibilisierung von Anfang an - nicht nur von weiterhin instrumentalisierter konkreter Parteipropaganda sondern auch, dass nicht selten die "Verteilenden" ausschliesslich jene "Bedürftigen" mit materieller Unterstützung bedenken, die der "richtigen" (politischen) Couleur angehören. Die Beschwerden der BäuerInnen und Indígenas werden von Organisationen der Zivilgesellschaft und dem Menschenrechtsprokurat (PDH) unterstützt. Die lokale PDH-Dependenz in Escuintla beispielsweise wies darauf hin, dass viele Gemeinden des Departements immer noch keinerlei Hilfe erhalten hätten. Der FRG-Abgeordnete und Leiter der StanHilfs-Kommission des Kongresses bezieht sich gar auf eine Liste der PDH, in der mindestens einhundert Gemeinden in dieser Lage sind. Vor allem aus den Regionen um San Marcos und Huehuetenango wird ähnliches berichtet; die Dörfer San José El Rodeo, San Pablo und San Rafael Pié de la Cuesta, San Marcos, sind bis heute nur über eine instabile Hängebrücke zu erreichen, da der dortige Fluss die vorherige Brücke mit sich gerissen hat. Wie auch im Munizip Nuevo Palmar, Retalhuleu, ist die alternative Strecke nicht nur in schlechtem Zustand, sondern liegt zudem im Fokus von Kriminellen, die Fahrzeuge und PassantInnen dank mangelnden Polizeischutzes fortwährend überfallen und ausrauben. Die Warnung des Weltlandwirtschafts- und Ernährungsfonds (FAO) hinsichtlich einer drohenden Hungerkrise in den nächsten Monaten ist nicht nur bedingt durch den Verlust der Ernte durch den Hurrikan sondern auch durch die unterdessen bereits eingebrochene Kältesaison, die vornehmlich die von Stan betroffenen Gebiete im westlichen Hochland Guatemalas trifft und bereits einige Todesopfer aufgrund Erfrierens gefordert hat. Die Regierung und ihre Institutionen behalten derweil ihre Massenkampagnen in den Medien bei, in denen sie ihre vermeintlichen "Post-Stan-Erfolge" hervorheben, darunter auch die Übergabe der temporären Unterkünfte in Panabaj, Sololá, die von der Bevölkerung abgelehnt wurden, da sie weder den grundlegenden Notwendigkeiten noch den kulturellen Vorstellungen der Betroffenen entsprechen. Dass das Baumaterial leicht entzündbar ist und weder Wind noch Wetter standhalten wird, ist nur ein Detail am Rande. Nach oben |
An dieser Stelle soll eine Ungenauigkeit im Artikel "Aufgewühlte Wasser nach dem Sturm" im vorherigen ¡Fijáte! 348 korrigiert werden: Die dort erwähnten 193 von der Regierung geplanten Ersatzhäuser sind allein in Panabaj aufgestellt worden. Auf nationaler Ebene umfasst der erste Wiederaufbauplan unterdessen eine Reihe verteilter Aufgaben: Das Sekretariat Sozialer Projekte der Präsidentengattin (SOSEP) soll 69,51 Mio. Quetzales u. a. in Wohnungsbau und Ausstattung investieren, das Landwirtschaftsministerium stellt 200 Mio. Quetzales für die Aufforstung der höheren Abhänge von Flussbecken und die Diversifikation der Landwirtschaft zur Verfügung, das Kommunikations-, Verkehrs- und Infrastrukturministerium (MICIVI) soll 1´400 km asphaltierte und 5´400 km Schotterstrassen reparieren, 45 Brücken aufbauen und 10´000 Häuser bauen. Allein für den Brückenbau verfügt es über 190 Mio. Quetzales. Unterdessen werden erst langsam die Bestandsaufnahmen hinsichtlich der Verluste und Schäden in den einzelnen Departements abgeschlossen und bekannt gegeben. Die offiziellen Zahlen, die somit als unvollständig gelten müssen, benennen indes als Folgen von Stan 669 Tote, 844 Vermisste, 25'832 beschädigte und 9'136 verlorene Wohnhäuser sowie insgesamt 158 betroffene Gemeinden sowie ein Grossteil zerstörter Strasseninfrastruktur. Nicht nur aufgrund der noch nicht mit einbezogenen Detaildaten der einzelnen Departements halten soziale Organisationen die Angaben für unrichtig und bezeichnen die Folgen der Katastrophe schlicht als nicht quantifizierbar. |
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