Nicht allein im Korruptionsparcour der Regierung
Fijáte 354 vom 01. März 2006, Artikel 2, Seite 3
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Nicht allein im Korruptionsparcour der Regierung
Guatemala, 24. Feb. Abgeordnete der Regierungspartei und zahlreiche der Opposition haben ein Thema der Eintracht gefunden, liegt doch in ihren Händen die Kontrolle über hunderte Millionen Quetzales für Bauprojekte, ohne diese öffentlich ausschreiben zu müssen. Diejenigen, die der Grosse Nationale Allianz (GANA) bei der Verabschiedung des Staatshaushaltes den Rücken stärkten, konnten sich an jenem "Spezialfond" bedienen, der ihnen für Projekte des "eigenen Interesses" zugewiesen wurde. Diese Praxis ist seit 2004 gängig, als die Regierung im Kongress um einige Projekte feilschte. Anfangs widersetzte sich die Opposition, doch nach Verhandlungen einigte man sich schliesslich auf den modus operandi: Bauvorhaben gegen Stimmen. Zu diesem Zweck wurde das Programm zur Städtischen und Ländlichen Gemeindeunterstützung (PACUR) erfunden, gemanagt vom Präsidialen Exekutivsekretariat (SCEP), dem 200 Mio. Quetzales überwiesen wurden. "In jenem Jahr haben sie uns je 1,2 Mio. gegeben und uns gesagt, dass wir die in Projekte stecken könnten", so ein unabhängiger Abgeordneter. Er erläutert zudem die Strategie: Der Händel für die Getreuen bedeute, dass diese ein Bauunternehmen suchten, mit dem die Zahlung einer "Provision" in Höhe von 10 bis 20% der Gesamtkosten vereinbart würde. "Man hat mir erklärt, dass wir mit diesem System Projekte machen, unser Image aufbessern und nebenbei ein paar Centavos verdienen könnten", beschreibt ein Kongressabgeordneter der GANA. Für 2006 verfügt das PACUR gar über 400 Mio. Quetzales. Gemäss Angaben der Republikanischen Front Guatemalas (FRG), der Nationalen Einheit der Hoffnung (UNE) und der Partei des Nationalen Fortschritts (PAN), stehen heuer jeder/m der begünstigten Abgeordneten mindestens Q 2,5 Mio. zu, Fraktionschefs und dem Kongressvorstand gar bis zu 7 Mio. Um die Vorhaben nicht ausschreiben zu müssen und somit unter die Räder der Buchprüfung des Nationalen Rechnungshofes zu geraten, einigten sich die Abgeordneten und die Regierung darauf, dass die Projektvergabe von der Internationalen Organisation für Migrationen (IOM) verwaltet werde. JedeR Abgeordnete wählt demnach seine/ihre Vorhaben aus, reicht einen Antrag an das SCEP ein, diese wickelt die Projekte ab und bittet die IOM sie auszuführen. Diese wiederum sucht aus einer Datenbank, die auf Hinweisen der Abgeordneten beruht, die Unternehmen aus. Einige Firmen bekannten, die zu leistende Provision "ist eine Grundvoraussetzung, wenn man sich nicht darauf einlässt, bekommt man keine Aufträge". Im vergangenen Jahr denunzierte die Abgeordnete der Patriotischen Partei, Roxana Baldetti, dass auch ihr 7 Mio. Quetzales für ihre Stimme zur Absegnung des Etats 2006 angeboten wurden. Besondere Entrüstung bei der Aufdeckung des üblichen Skandals rief die Beteiligung der IOM als Kanalisiererin hervor sowie die abgebrühte Aussage des IOM-Verantwortlichen in Guatemala, Günther Müssig: "In diesem Land gibt es kein Bauvorhaben ohne Überschüsse", sich auf die Provisionen beziehend. Die IOM war bereits 1999 unter Álvaro Arzú in einen Korruptionsskandal verwickelt als es um die Umgestaltung des "Marsfeldes", einem Veranstaltungsortes des Militärs, ging. Nichtsdestotrotz lassen die Presse-Enthüllungen von Korruptionsskandalen auf Regierungsebene den Präsidenten Óscar Berger kalt. Neben dem PACUR-Korruptions-Parcour wiesen die Medien auf Anomalien hinsichtlich der Millionenausgaben des Präsidenten der Nationalen Hafenfirma Santo Tomás de Castilla für aufeinander folgende Reisen von der Hauptstadt nach Izabal hin, gerechtfertigt vom Präsidenten selbst, der die Ansicht vertritt, es sei absurd, wenn dieser Funktionär im Bus fahren würde - eine Reise von ca. 5 Stunden. Nach oben |
Wie bei anderen Gelegenheiten, in denen Berger aufgrund "zweifelhafter" Aktionen seiner Mitarbeitenden in Frage gestellt wurde, spricht er den aktuellen Anzeichen keine Bedeutung zu; er verspricht nur zu "ermitteln". Dass der Präsident seine korrupten KolaborateurInnen decke, widerspreche völlig seinen Wahlversprechen, so die Presse. Ein weiteres dreckiges Geschäft wurde im Sekretariat der Sozialen Projekte der Präsidentengattin (SOSEP) aufgedeckt, wobei dieses vermeintlich dazu benutzt worden sei, zwischen Mai '04 und Mai '05 Hehlerware ins Land einzuführen. Gemäss der Klage, die von der Gewerkschafts- und Volksaktionseinheit (UASP) eingereicht worden war, habe die Unabhängige Bananenkompanie von Guatemala (COBIGUA) Container verwendet, in denen Haushaltsgeräte und Hühnerfleisch nach Guatemala geschmuggelt wurden unter dem Vorwand, es handele sich um eine Spende von Früchten für das SOSEP. Die Art dieser Spenden ergaben sich in manchen Fällen, wenn die Früchte an der Grenze nicht den Zoll passierten und ins Land rückgeführt wurden. Ein anderer Fall, der einige Wochen lang die Zeitungstitelseiten füllte und immer noch nicht ausgestanden ist, ist der Konflikt zwischen der Stadtverwaltung Guatemalas und dem Ministerium für Kommunikation, Infrastruktur und Wohnungsbau (MICIVI), der sich um die Neugestaltung des Internationalen Flughafens "La Aurora" dreht. Gemäss der Stadt sei das Vorhaben nicht öffentlich ausgeschrieben und auch keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden. Wie so oft heisst es in all diesen Fällen: "Die Staatsanwaltschaft ermittelt". Doch dass dies grundlegende Folgen haben wird, bleibt zweifelhaft. |
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