Millenniumsziele in weiter Ferne
Fijáte 344 vom 28. Sept. 2005, Artikel 6, Seite 4
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Millenniumsziele in weiter Ferne
Guatemala, 19. Sept. Auch wenn Guatemala im Vergleich zu 2004 um vier Rangplätze im Index der Menschlichen Entwicklung aufgestiegen ist, wird es die so genannten Millenniumsziele im vorgesehenen Zeitrahmen kaum erreichten, sollte nicht endlich die Ungleichheit im Land bekämpft werden, warnt der aktuelle Bericht des UN-Entwicklungsprogramms UNDP. Im Jahre 2000 verpflichteten sich 147 unterzeichnende Länder in der Deklaration der acht Entwicklungsziele des Millenniums (MDG´s für ihre englischen Initialen) dazu, bis 2015 die extreme Armut und den Hunger um die Hälfte zu reduzieren, eine universelle Grundschulausbildung zu erreichen, was die Reduzierung des Analphabetismus beinhaltet, die Gleichheit zwischen den Geschlechtern und die Autonomie der Frau anzustreben, die Kindersterblichkeit zu verringern, die Gesundheit der Müttern zu verbessern, HIV/AIDS, Malaria sowie andere Krankheiten zu bekämpfen, die Nachhaltigkeit der Umwelt zu garantieren und eine Weltallianz für die Entwicklung zu schaffen. Letztere besteht unter anderem in dem Drängen an die industrialisierten Länder, Massnahmen zu ergreifen, um die Schulden der ärmeren Länder zu erlassen, die Hilfe an diese zu verstärken und ihnen den Zugang zu Märkten und Technologien zu erlauben. Kurz vor der 60. Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York präsentierte das UNDP seine diesjährige Bestandsaufnahme zur Situation Guatemalas. In seinem Bericht bescheinigte es dem Land zwar gewisse Fortschritte in Sachen Lebenserwartung, Bildung und Lebensniveau, doch den Aufstieg von Platz 121 auf Platz 117 von 177 Ländern der Welt verdankt Guatemala vornehmlich dem Abstieg anderer. Prekär ist in erster Linie, dass sich das Land des ewigen Frühlings unter den vier Ländern der stärksten sozialen Ungleichheit befindet, ausgehend vom Pro-Kopf-Einkommen. Hinter Guatemala befinden sich nur noch Brasilien, die Zentralafrikanische Republik und als Schlusslicht Namibia. Gemäss der Studie hat sich in Guatemala zwischen 2004 und 2005 immerhin die Lebenserwartung von 65,7 auf 67,3 Jahre erhöht und die Bruttoeinschreibquote in den Schulen von 56 auf 61 Prozent gesteigert. Zur Veranschaulichung der krassen Situation zieht das UNDP indes beispielhaft heran, dass 20% der ärmsten Bevölkerung von Indonesien und Vietnam ein drei- bis viermal höheres nationales Einkommen verzeichnen als die 20% der Ärmsten Guatemalas. Diese 2,2 Mio. GuatemaltekInnen verfügen jährlich über durchschnittlich 550 US-$ und liegen somit um 46% unter der internationalen Armutsgrenze von 2 US-$ täglich. Für Iván Azurdia, vom Guatemaltekischen Netzwerk für die Nachhaltigkeitsbeobachtung, sind, wenn überhaupt, manche der hehren Ziele des Jahrtausends allein zu erreichen, wenn die öffentlichen Mittel dafür mindestens verdoppelt würden. Zwar habe sich in der letzten Dekade seit den Friedensverträgen die Armut in Guatemala insgesamt leicht verringert, doch in den letzten Jahren sei sie vornehmlich in der ländlichen Gegend und unter der indigenen Bevölkerung wieder deutlich angestiegen, so Azurdía. Gemäss dem UNDP-Bericht fehlt 1,8 Mio. Menschen in Guatemala der minimale Zugang zu Nahrungsmitteln, 22% der Kinder unter 5 Jahren wiegen deutlich weniger als ihrem Alter entsprechend. Davon ausgehend überrascht die Angabe nicht, dass sich die Unterernährungsraten Guatemalas unter den höchsten weltweit befinden und 44% der Mädchen und Jungen unter 5 Jahren in ihrer Entwicklung verzögert sind. Auch wenn sich, wie erwähnt, die Bildungssituation etwas verbessert hat, wird Guatemala auf lateinamerikanischer Ebene mit seiner Rate von 31% in Sachen Analphabetismus nur noch von Nicaragua und Haiti übertrumpft. Nach oben |
Für Azurdía bestehen zahlreichen strukturelle und konjunkturelle Bedrohungen hinsichtlich der Erreichung der MDG´s. Darunter befinden sich die Armut, die Ungleichheit im Zugang zu den Produktionsmitteln und verfahren, die Kultur der Gewalt, sowie der Drogenverkehr, die Korruption und das Fehlen einer direkten Justizanwendung. Auch Menschenrechtsprokurator Sergio Morales kommentiert den UNDP-Report ernüchtert und nennt ihn eine ,,exakte Radiographie des Landes", denn er gebe die Situation wider, in der die GuatemaltekInnen lebten und zeige, ,,dass es uns Mal um Mal schlechter geht". Die prekären Indizes in den Bereichen Gesundheit, Bildung und soziale Sicherheit wiesen laut Morales darauf hin, dass es in Guatemala für den Grossteil der Bevölkerung kein würdiges Leben gebe. Dazu summiere sich, dass der Staat sehr wenig unternehme, diese Situation zu verändern, sorge er sich doch um keinerlei Kompensation für die Bedürftigsten. Zentralamerika befinde sich im Rückschritt und man schätze, dass 40 Jahre mehr gebraucht würden, um die Auswirkungen von Hunger und Armut um die Hälfte zu reduzieren, diagnostiziert derweil David Harcharik, stellvertretender Direktor der Welternährungsorganisation (FAO), auf der Lateinamerikanischen Konferenz über Chronischen Hunger im Rahmen der Millenniumsziele, die eine Woche vor der UN-Veranstaltung in Guatemala ausgetragen wurde. Ileana Alamilla resümiert in ihrer Kolumne in der Tageszeitung Prensa Libre denn auch, Guatemala befände sich in einem tragischen Szenarium kollektiver Frustration. Dabei hält sie es für wahrscheinlich, dass die Gewohnheit bereits die Sensibilität verhärte und sich die Realitäten in eine Art Folklore verwandelten, wie die einfachen Behausungen an den Wegesr änder n, die fast wie der Stall von Bethlehem erscheinen oder wie kleine Höhlen in den Seitenwänden der Abhänge, und dass es normal erscheine, Kinder auf der Strasse herumstreifen zu sehen und selbstverständlich, dass es Arme und Reiche gibt. Die Kolumnistin unterstreicht die Notwendigkeit einer ernsthaften Verpflichtung von Seiten des Staates und warnt davor, dass Guatemala keiner Palliativmassnahmen, sondern grundlegender Transformationen strukturellen Charakters bedürfe. Diese dürften dabei nicht angestrebt werden, um die Millenniumsziele zu erreichen, sondern in allererster Linie aus menschlicher Vernunft. Der von Präsident Berger zur UN-Generalversammlung nach New York delegierte Vizepräsident Eduardo Stein gab die wenigen Fortschritte des Landes in Sachen MDG´s durchaus zu, bekräftigte jedoch schliesslich im Namen des guatemaltekischen Staates dessen Verpflichtung, ,,unsere Verantwortung aufzunehmen, unsere eigene Entwicklung voranzutreiben". Dabei unterstrich Stein die Schlüsselbedeutung der internationalen Zusammenarbeit und versicherte, dass Guatemala bereit sei, diese Summe der Anstrengungen zu stärken. Derweil bezeichnete er die Millenniumsziele als eine dreifache Herausforderung, die Entwicklung anzukurbeln, allen BürgerInnen Sicherheit zu gewähren sowie die Demokratie und den Respekt der Menschenrechte zu stärken. |
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