Keine Zukunft mit Parteien?
Fijáte 352 vom 1. Feb. 2006, Artikel 8, Seite 6
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Keine Zukunft mit Parteien?
Guatemala, 24. Jan. Glaubt man Meinungsumfragen, die in den letzten Wochen veröffentlicht wurden, geht das Vertrauen der GuatemaltekInnen in die Regierung wie auch in die Parteien gegen Null. Die Tageszeitung elPeriódico veröffentlichte die Ergebnisse einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Borge & Asociados. Danach antworteten auf die Frage "Welche Person oder Organisation hat im Jahre 2005 am meisten getan für ein Guatemala, das Sie sich erträumen?" 60,6 % "ich weiss nicht oder keine Antwort" und 25,6 % "niemand". Nur jeweils 0,6 % nannten "Präsident Berger" oder "die Regierung". 75 % der Befragten sympathisierten mit keiner der Parteien und wüssten daher nicht, wen sie wählen sollten. Gleichwohl ist der Popularitätswert Bergers zwar zurückgegangen, aber mit 51 % gegenüber 55 % relativ hoch, vor allem wenn man bedenkt, dass gleichzeitig 71,9 % der Befragten die Richtung, in der seine Politik gehe, für falsch halten. Die Tageszeitung Prensa Libre beauftragte das Meinungsforschungsinstitut Vox Latina mit einer Umfrage und publizierte das Ergebnis, dass 75 % der Befragten das zweite Jahr des Präsidenten Berger missbilligten und nur 18,5 % mit der Regierungsarbeit zufrieden seien. 72,3 % stimmten der Aussage zu, dass die derzeitigen RegierungsvertreterInnen nicht ehrlich seien, nur 7,6 % hielten sie für ehrlich. Dazu passt eine Statistik, die Otto Zeissig Vazquez als Kommentator in incidencia democrática präsentiert hat: Von den 121 BürgermeisterInnen, die 2003 als VertreterInnen der FRG in ihre Ämter gewählt wurden, hätten 37 inzwischen ihre Partei verlassen, von den 34 PAN-BürgermeisterInnen gar die Hälfte. Demgegenüber habe die Partei des aktuellen Präsidenten Berger inzwischen die Zahl ihrer BürgermeisterInnen durch Übertritt mehr als verdoppelt. Dies zeigt einmal mehr, dass für viele KommunalpolitikerInnen die Frage unbedeutend zu sein scheint, über welche Partei sie an die Macht kommen bzw. an der Macht bleiben, im Zweifelsfall die Partei, die gerade ein wenig populär ist und den Präsidenten stellt. elPeriódico kommentiert, dass die Parteiendemokratie offensichtlich keine Antworten gibt auf die Probleme, die die GuatemaltekInnen bedrängten, besonders hinsichtlich der Wirtschaft und Sicherheit. Die Bevölkerung habe die Korruption und den politischen Klientelismus und Machtmissbrauch satt. Sie wünsche sich eine radikal andere Politik, die die Pflichten, die die Verfassung dem Staat aufgetragen habe, wahrnehme: das Recht auf Leben, Freiheit, Gerechtigkeit, Sicherheit, Frieden und integrale Entwicklung zu garantieren. Wie äussert sich aber diese Unzufriedenheit im politischen Alltag? In Jalapa haben VertreterInnen sozialer Organisationen ein "Kollektiv einer nationalen Front des Kampfes" gegründet, um die Menschenrechte und Forderungen derer zu verteidigen, die von den herrschenden Machtgruppen und BeamtInnen verwaltet werden. Der örtliche Generalsekretär der Gewerkschaft der Gesundheitsdienste, Luis Lara, beklagte die Mängel des Gesundheitssystems und konstatierte eine Krise der Werte im Land, die auch viele Angestellte der öffentlichen Institutionen erfasst habe und dazu führe, dass die Bedürfnisse der Mehrheit der Bevölkerung vernachlässigt würden. Der Vorsitzende der Vereinigung der Entwurzelten in Jalapa, Manuel de Jesús Arenales, erklärte, dass es im Land keinen Frieden geben könne, solange Gewalt nicht verhindert und sanktioniert würde. Die Ursachen sowohl des vergangenen Bürgerkrieges wie der aktuell herrschenden Gewalt - Armut, fehlende Bildung, Rassismus und Diskriminierung sowie Machtmissbrauch der Herrschenden - seien weiterhin vorhanden. Nach oben |
Das nun in Jalapa gegründete Kollektiv ist Teil der Nationalen Front des Kampfes (FNL), das sich insbesondere gegen Privatisierungen und die Einschränkung sozialer Rechte einsetzt. Während des Besuches in Jalapa kritisierte die Gewerkschaftsvertreterin innerhalb der FNL, Dora Regina Ruano, dass der Freihandelsvertrag von den USA auferlegte Wettbewerbsbedingungen beinhalte, auf den die kleinen und mittelständischen Betriebe Guatemalas nicht vorbereitet und daher nicht wettbewerbsfähig seien. Die Bildungsministerin, Maria del Carmen Aceña, schütze die Interessen der Unternehmen, die von Privatisierungen im Bildungswesen profitierten. In Bezug auf die ersten zwei Jahre der Regierung Berger wies Ruana darauf hin, dass dessen erste Amtshandlung die Abschaffung der Unternehmenssteuer gewesen sei, während er der Bevölkerung weiterhin Steuern auf alle Konsumprodukte auferlege und überlegt, diese noch zu erhöhen. Während sich die sozialen Bewegungen zusammengeschlossen haben, um die Befriedigung ihrer sozialen und gesundheitlichen Bedürfnisse einzufordern, hat der Gouverneur von Jalapa, Carlos Pinto (FRG), am Tag vor Gründung des Kollektivs angekündigt, dass er die Bevölkerung am Wiederaufbau der vom Hurrican Stan verursachten Schäden beteiligen werde. In Versammlungen mit den betroffenen Menschen sollten die Prioritäten beim Wiederaufbau festgelegt werden. |
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