Lateinamerika gegen den Kapitalismus und für die Jugend?
Fijáte 422 vom 05. November 2008, Artikel 3, Seite 4
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Lateinamerika gegen den Kapitalismus und für die Jugend?
San Salvador, 31. Okt. Grosse Erwartungen waren an den XVIII Iberoamerikanischen Gipfel Ende Oktober in El Salvador gestellt worden. Dies war zum einen bedingt durch die ideologische Breite und Zusammensetzung der erwarteten 23 Staatsoberhäupter, darunter die Präsidenten bzw. Premierminister von Spanien, Portugal und Andorra sowie die Vizepräsidenten von Kuba, Carlos Lage, jedoch in Abwesenheit vom venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez. Dieser hatte seine Teilnahme kurz vor Beginn suspendiert mit der Begründung, seine Sicherheit können nicht gewährleistet werden, er habe Informationen über eine Gruppe venezolanischer Terroristen, die mit Rückendeckung von zentralamerikanischen Regierungen und der CIA einen Anschlag auf ihn vorbereiteten. El Salvador stellte Chávez Absage in Frage: Sicherheitsminister René Figueroa erklärt, dass diese durch die "interne Krise" in Venezuela bedingt sei und Chávez einen "Nebelschleier" bräuchte, um seine eventuelle Niederlage vor der Opposition zu verstecken. Nichtsdestotrotz einigten sich die Teilnehmenden auf dem Gipfel angesichts der weltweiten Wirtschaftskrise auf ganz neue Töne: Oftmals selbst für die Krise verantwortlich gemacht, weil sie nicht die auferlegte Finanzorthodoxie befolgen würden, inszenierten die Staatsoberhäupter sich einmal mehr und kündigten an, den Neoliberalismus zu Grabe zu tragen. Stattdessen wollten sie ihre Beteiligung an dem Entwurf einer neuen Wirtschaftsarchitektur und ihrer Institutionen fordern. Von Lateinamerika aus müsse ein klares Signal ausgehen zur Umstrukturierung und Reformierung von Weltbank und Internationalem Währungsfond. Und sie versuchten nacheinander, sich gegenseitig zu übertrumpfen in ihrer Kapitalismuskritik: Ecuadors Präsident Rafael Correa forderte, die Institutionen, die nichts taugten, in den Mülleimer zu entsorgen, stattdessen sollten sowohl eine regional einheitliche Bank als auch eine ebensolche Währung eingeführt werden, um keine "Herrschaftstribute" mehr in Dollar zu zahlen. Der gewöhnlich US-devote Präsident Mexikos Felipe Calderón wies den "Handelsprotektionismus" zurück und Evo Morales, Präsident Boliviens, appellierte daran den Kapitalismus nicht auf Kosten der Armen retten zu wollen. Schliesslich zog der brasilianische Präsident Lula da Silva die industrialisierten Länder zur Verantwortung für die Krise und wies darauf hin, dass die armen Länder Opfer seien und nicht schuldig. Nach oben |
Trotz vorheriger Befürchtung, die Wirtschaftskrise könne alle Aufmerksamkeit des Gipfels auf sich ziehen, und ganz vom eigentlich gestellten Thema "Jugend und Entwicklung" ablenken, wurde dafür doch ausreichend Zeit eingeräumt mit dem Ergebnis, dass die Staatschefs und -chefinnen die Verpflichtungserklärung von San Salvador für die Jugend und Entwicklung billigend unterzeichneten. Somit haben sie für ihre Staaten nun die Verbindlichkeit übernommen, eine "zentrale Rolle in der Festlegung von Politiken zu spielen, die darauf abzielen, die Lebensqualität der jungen Leute zu verbessern und Gesellschaften zu schaffen, die integrierender, gerechter und solidarischer sind." Unterdessen erreichte den guatemaltekischen Präsidenten Colom eine Mitteilung von verschiedenen Organisationen in Guatemala mit der Aufforderung, diese Deklaration nicht zu unterzeichnen, da sie unklar formuliert sei und für staatliche Eingriffe in gesellschaftlich brisante Themen missbraucht werden könnte wie Abtreibung oder hinsichtlich einer schärferen Kontrolle über Jugendliche mit Problemen in ihren Familien oder in den Schulen. Indes umfasst die unterzeichnete Deklaration 41 Punkte zu den Themen Bildung, Gesundheit, Gerechtigkeit, Zugang zu Arbeit, Kultur und Sport ohne, dass Details bekannt gegeben wurden. In einer Parallelveranstaltung ersuchten Jugendliche aus ganz Lateinamerika die Regierungen um einen Notfallplan, um zu verhindern, dass sie, die Jugendlichen "fortwährend Opfer der aktuellen Wirtschaftskrise und der Rezession werden, die die unterentwickelten Länder treffen wird", so das Organisationskomitee des Jugendfestivals 2008. Mit der Unterstützung anderer sensibler Generationen, progressiver Regierungen und der Mehrheit der Armen von Lateinamerika, Spanien und Portugal "werden wir Vereinbarungen entwickeln, damit die Jugendlichen zu Rechtssubjekten werden", mit "friedlichen Aktionen, institutionellen Absprachen und Aufrufen, um einen Konsens innerhalb der jugendlichen Bevölkerung zu erreichen." Dabei solle der Plan Finanzetats beinhalten, die Arbeitsplätze schaffen für UniversitätsabgängerInnen, ausreichend Mittel für Schulen und öffentliche Hochschulen stellen, und die Verbreitung von Kultur und Kunst, der Aufklärung in sexueller und reproduktiver Gesundheit sowie einer Kultur für den Frieden garantieren." |
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