Finanz- und Streitobjekt Kohäsionsrat
Fijáte 422 vom 05. November 2008, Artikel 4, Seite 4
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Finanz- und Streitobjekt Kohäsionsrat
Guatemala, 31. Okt. Während Präsident Álvaro Colom auf der internationalen Bühne des XVIII Iberoamerikanischen Gipfels in El Salvador dazu aufruft, Lateinamerika solle sich von dem neoliberalen Modell der Investitionen lösen und stattdessen "unser eigenes Modell entwerfen", das aber auf jeden Fall sozialen Zusammenhalt und Solidarität enthalten müsse, - "Lasst uns die Solidarität und die soziale Kohäsion zum weltweiten Trend machen, und die Welt wird besser sein!" (siehe auch separater Artikel) - reisst die Kritik im eigenen Lande am famosen Rat für sozialen Zusammenhalt nicht ab. Sandra Torres, Coloms Gattin und Leiterin des Rates, reagiert darauf eher ungehalten: "Die Leute auf dem Land inspirieren uns jeden Tag zu kämpfen, und deswegen sind uns die zwei, drei Personen egal, die uns kritisieren und sich an Blusen und Hemden zerren, um auch bloss in der Presse zu erscheinen. Statt kaputt zu machen, sollten sie lieber etwas aufbauen, denn was Guatemala braucht ist Solidarität." Dieser Hieb ist in erster Linie gegen Nineth Montenegro von der Partei Encuentro por Guatemala (EG) gerichtet, die jedoch von Roxana Baldetti, Fraktionschefin der Patriotischen Partei (PP) und dem Abgeordneten Manfredo Marroquín von der zivilgesellschaftlichen Monitoring-Initiative Acción Ciudadana sekundiert wird in ihren Zweifeln ob der Verwaltung der Gelder, die den verschiedenen Programmen der Sozialen Kohäsion überwiesen wurden. Denn diese verfügen über keine Buchhaltungsstruktur, die eine Finanzkontrolle möglich machen würde. "Der Kohäsionsrat hat sich in ein Super-Ministerium gewandelt, denn ihm sind inzwischen Fonds und Funktionen von anderen öffentlichen Institutionen übertragen worden, ohne dass herauszufinden ist, wie die Gelder ausgegeben werden, von wem was gekauft wird oder wer überhaupt begünstigt wird", bemängelt Montenegro. Sie erinnert daran, dass der Rat geschaffen wurde, um die Politikansätze in Sachen sozialer Investitionen zu beraten und zu koordinieren. Aber inzwischen habe er sich an die Aufgabe gemacht, die Ressourcen zu manipulieren, die den Hauptministerien zugewiesen wurden. Gemäss Montenegro seien beispielsweise 90 Mio. Quetzales (ca. US-$ 12 Mio.) beim Posten der Friedensstipendien vom Bildungsministerium und 50 Mio. (ca. US-$ 6,7 Mio.) im Gesundheitsministerium zugunsten des Kohäsionsrates gekürzt worden. Zudem versuche die Regierung die Ressourcen des Sozialen Investitionsfonds (FIS) zu kanalisieren, um sie zunächst auf das Konto des Präsidialen Koordinationssekretariats der Exekutive zu überweisen und von dort aus auf das des Kohäsionsrates. Das einzige Programm, bei dem es zu gelingen scheint die Buchhaltung mittels des staatlichen Rechnungssystems zu überprüfen, ist das "Meine Familie kommt voran", das über das Koordinationssekretariat läuft. Dieses Programm soll bis Ende des Jahres neben den aktuell 44 Munizipien in 40 weiteren Verwaltungsbezirken durchgeführt werden und besteht in der monatlichen Zahlung von 300 Quetzales an Familien, die im Gegenzug ihre Kinder zur Schule und zur regelmässigen Gesundheitsvorsorge zu schicken haben. "Aber es ist nichts über Qualitätskontrollen des Programmes und auch nichts bekannt über die Auswahlkriterien für die Begünstigung", so Montenegros Beobachtung. Das Programm verfügt über einen Etat von 131,5 Mio. Quetzales (ca. US-$ 17,8) für die Überweisung an bedürftige Haushalte. Bislang sind davon aber erst 39 Mio. ausgezahlt worden, was Montenegro zu der Frage verleitet, wozu für das nächste Jahr noch einmal 1 Mrd. Quetzales gefordert wurden. Nach oben |
Angesichts der Schwierigkeit der Fiskalisierung des Kohäsionsrates beantragte der Generalrechnungsprüfer Carlos Mencos jetzt beim Finanzministerium die Kodifizierung der einzelnen Kohäsionsprojekte. "Zum Beispiel bei den "Offenen Schulen" wird ein Teil vom Bildungsministerium finanziert, ein anderer vom Friedensfonds (FONAPAZ), ein dritter vom Präsidialen Koordinationssekretariat, ohne dass die Geldflüsse auseinandergehalten werden können", stellt Mencos fest. Inzwischen haben die vermeintlich sozialdemokratischen Regierungsbemühungen auch in der Zivilgesellschaft zu Meinungsverschiedenheiten geführt. So bezahlte der Gewerkschaftsbund UASP eine Anzeige, um zu bestätigen, dass die sozialen Programme der Regierung geholfen hätten, dem wirtschaftlichen Debakel die Stirn zu bieten. Diese Behauptung wurde jedoch klar zurückgewiesen von der Guatemaltekischen Bewegung der EinwohnerInnen (MGP), repräsentierende Organisation der Elendsviertel. Während die UASP die Regierung dazu auffordert, mit der Vergabe von Wohnraum, dem solidarischen Beutel, Werkzeug, Dünger und den Finanzspritzen sowie der Durchführung von Gesundheitschecks in den Gemeinden, die in Armut leben, fortzufahren, wertete die MGP diese Stellungnahme als "inkohärent". "Wie oft hat die UASP der Regierung vorgeworfen, dass sie ihnen bei nichts helfe und jetzt soll sie mit den Wohnungshilfen und anderen Sachen weitermachen", stellt Roly Escobar vom Vorstand der MGP in Frage. Escobar macht darauf aufmerksam, dass der Guatemaltekische Wohnungsfond (FOGUAVI) noch keines der angekündigten Wohnprojekte angefangen hätte. Ausserdem kritisierte er den solidarischen Beutel - die Vergabe von Nahrungsmitteln - da er nicht im ganzen Land verteilt würde und zudem nur an jene, die sich an der Wahlkampagne beteiligt hätten. Und auch der Dünger sei nicht gratis zu haben. Derweil Vizepräsident Rafael Espada einmal mehr den generalisierenden Mundtot-Vorwurf erhebt, der Argwohn gegenüber der Sozialen Kohäsion würde dem Interesse entspringen, die Regierung destabilisieren zu wollen, verkündet Colom in El Salvador, dass Guatemala jetzt das erste Mal eine Regierung habe, die an das Soziale denke. Man habe das Programm der Sozialen Kohäsion von Chile übernommen und jetzt sei es das erfolgreichste in Guatemala - meint Álvaro Colom. |
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