"Jede Meinungsumfrage ist relativ..."
Fijáte 215 vom 2. Aug. 2000, Artikel 3, Seite 4
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"Jede Meinungsumfrage ist relativ..."
Guatemala, 17. Juli. Ein halbes Jahr Regierung Portillo: Zeit, eine erste Zwischenbilanz zu ziehen. Zwei von drei GuatemaltekInnen (65%) sprachen sich laut einer von Vox Latina im Auftrag der drei wichtigsten Tageszeitungen durchgeführten Umfrage gegen die Regierung Präsident Portillos aus. Auch der Kongress erhielt für seine Arbeit der letzten sechs Monate schlechte Noten. Auf die Frage, wer in Guatemala das Sagen habe, antworteten 32% der insgesamt 1210 befragten Personen mit: Kongresspräsident Ríos Montt. 26% sehen in Präsident Portillo den Tonangebenden und nur 4% sehen im Militär noch die führende Kraft. Auf die Frage nach den Wahlversprechen Portillos wurde an erster Stelle die Garantierung der Sicherheit genannt (32%), danach kam die Verbesserung der ökonomischen Situation (11%), Regierbarkeit (10%) und Lohnerhöhung (5%). Einzig 2% erinnerten sich daran, dass Portillo die Aufklärung des Falls Gerardi versprach. 31% der befragten Personen erinnerten sich an gar keines der Wahlversprechen mehr... Die Ergebnisse der Umfrage sind weiter nicht erstaunlich, wenn wir uns an die zahlreichen politischen Skandale erinnern, die sich Portillo in den letzten sechs Monaten geleistet hat. Seit dem ersten Tag seiner Regierungszeit hat sich Portillo Feinde geschaffen: Das Militär, durch die Ernennung eines Oberst als Verteidigungsminister; die Presse, durch die Absetzung des Fernsehmagazins T-mas de Noche; die Privatwirtschaft mit der Gehaltserhöhung und der Zuckerpreiserhöhung. Weiter haben die Ausschreitungen wegen der Preiserhöhungen im Transportwesen, die der Kontrolle Portillos völlig entglitten sind, einen starken Prestigeverlust für ihn bedeutet. Mit der oft willkürlichen Absetzung oder Auswechslung von MinisterInnen kann er nicht über die Mängel in seiner Führung hinwegtäuschen. Auch die internen Machtkämpfe der Regierungspartei schwächen immer mehr die Position Portillos und beeinflussen die Arbeit des Kongresses, der Ministerien und der verschiedenen Regierungskommissionen. So verkommen die simpelsten Kongressgeschäfte oft zu einem verbitterten Kräftemessen zwischen den AnhängerInnen Portillos und den Gefolgsleuten Ríos Montt's. Entsprechend ist es Portillo denn auch nicht möglich, seine 'grossen' Projekte und Wahlversprechen durch- bzw. umzusetzen, wie z.B. das Regierbarkeitsabkommen, einen Sicherheitsplan oder die mit den Friedensabkommen zusammenhängenden Gesetzesänderungen. Verschiedene Persönlichkeiten und Organisationen haben anlässlich der ersten sechs Monate der Regierungszeit Portillos ebenfalls eine erste Bilanz gezogen: Der ehemalige General Otto Pérez Molina meinte, der Administration Portillo fehle es an drei grundlegenden Elementen: Qualifiziertes Personal, ein nationales Projekt an dem alle gemeinsam arbeiten und einer Führerperson, die Vertrauen einflösst und mit den verschiedenen Interessengruppen verhandeln kann. Nach oben |
Alfonso Bauer (ANN) spricht von einer Unregierbarkeit, ausgelöst durch das Sicherheitsproblem, der Krise im Sozialwesen und dem mangelnden Willen der Regierung, die sozialen Probleme zu lösen. Auch er kritisierte, dass Portillo Leute in wichtige Positionen gesetzt hat, nicht wegen ihrer Fähigkeiten, sondern weil er ihnen einen Gefallen schuldete. Der Ex-Präsidentschaftskandidat der ANN und scharfe Kritiker Portillos, Alvaro Colom, beschreibt die ersten sechs Monate Portillos bildhaft: Es käme ihm vor, als sei Portillo in ein Boot gestiegen, habe das Ruder übernommen und jetzt, nach sechs Monaten suche er den Kompas. In einem Interview spricht Colom von einer Unzufriedenheit innerhalb der Bevölkerung, von einem Mangel an Organisation und Koordination innerhalb der Regierung und von internen Machtkämpfen zwischen dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und dem Kongresspräsidenten. Als positiv bewertet Colom die Entwicklungen im Erziehungswesen, die Ernennung Edgar Gutiérrez' als Leiter des Sekretariats für strategische Analysen (SAE) und die positiven Initiativen, die trotz ihrer Jugendlichkeit (!), von der Präsidentengattin, Evelyn Portillo ausgegangen seien. Präsident Portillo selber bezeichnet seinen Regierungsstil als regular, was soviel bedeutet wie 'gewöhnlich'. Ríos Montt, auf die Ergebnisse der Umfrage von Vox Latina angesprochen, meinte: "Die Resultate jeder Meinungsumfrage sind relativ. Wenn ich wirklich derjenige wäre, der regieren würde, sähe die Sache ganz anders aus." |
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