Justizsystem im Umbruch
Fijáte 215 vom 2. Aug. 2000, Artikel 5, Seite 5
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Justizsystem im Umbruch
Guatemala, 28. Juli. Die Anzeigen gegen FunktionärInnen des Justizwesens wegen Korruption häufen sich. Laut der lokalen Presse gehen durchschnittlich über 110 Beschwerden im Monat aus der Bevölkerung ein. Die Direktion des Gerichtswesens (SGT) sah sich daher gezwungen, eine Liste derjeniger Richter aufzustellen, welche sich bis März dieses Jahres am meisten Beschwerden eingehandelt hatten. Zur selben Zeit gab der Oberste Gerichtshof (CSJ) bekannt, dass er die Akten derjeniger Richter untersuche, deren Fünfjahresverträge auslaufen würden. Als Konsequenz davon gab der Präsident des CSJ, José Rolando Quezada Fernández, am 14. Juni die Absetzung von achtzehn Straf-, Zivil- und FamilienrichterInnen bekannt, die nicht nur ihre Dienstzeit absolviert hatten, sondern auch in den Rapporten der SGT aufgetaucht sind. Anstelle der abgesetzten RichterInnen würden AbgängerInnen der Schule für juristische Studien für diese Posten eingesetzt. Die abgesetzten RichterInnen bezeichneten das Vorgehen des CSJ als willkürlich und reichten Rekurs dagegen ein. Ein weiteres Problem, mit dem das guatemaltekische Justizsystem konfrontiert ist, ist der Mangel an Zivilgerichten. Um diesem Problem zu begegnen, wurde das private Zentrum für Urteile, Schlichtung und Schiedspruch (CDCA) gegründet, dessen Entscheidungsgewalt derjenigen eines Zivilrichters gleich ist. Behandelt werden Fälle, die das Zivilgesetz betreffen, wie Ehe- und Familienstreitigkeiten. Die legale Grundlage dieses Zentrums beruht auf einem Dekret des Kongresses aus dem Jahre 1995. Für Fälle wie Entführung, Autodiebstahl, Bankraub oder Drogenhandel wurden in Quetzaltenango und Chiquimula spezielle Instanzen eingerichtet, die seit Mitte Juli funktionieren. Von dieser Massnahme verspricht sich der CSJ einerseits eine bessere juristische Kontrolle dieser Art Vergehen sowie eine Beschleunigung der Prozessführung. Am 21. Juli reichte der Oberste Gerichtshof (CSJ) eine Gesetzesinitiative ein, die die Stärkung der Friedensgerichte und die Schaffung mobiler Gerichte vorsieht. Mit der Schaffung von mobilen Gerichten, die auch in die abgelegensten Gemeinden reisen sollen, will CSJ-Präsident einen Schritt Richtung Umsetzung der Friedensabkommen machen. Den 300 existierenden Friedensgerichte sollen grössere Befugnisse zugestanden werden. Problematisch an dieser Massnahme ist jedoch, dass Friedensrichter oft eine nicht sehr hohe Akzeptanz in der Bevölkerung geniessen. Dies beweisen die Fälle der beiden Friedensrichter Carlos Raúl Cuéllar und Virgilio Monterroso, die ihre Versetzung aus San Carlos Alzatate, Jalapa bzw. aus Cajolá, Quetzaltenango, beantragt haben. Cuéllar behauptet, Opfer von Todesdrohungen und Einschüchterungsversuchen zu sein. Er führt die Hetze gegen seine Person auf die Ausstellung eines Haftbefehls gegen die Verdächtigen eines Massakers an einer örtlichen Familie zurück. Nach oben |
Monterroso hingegen schiebt Ex-Guerilleros die Schuld an seinem Rücktritt zu. Er sei durch Gemeidemitglieder von Cajolá zum Rücktritt gezwungen worden und erklärte das Dorf als unregierbar, er sei bereits der zweite Richter, der vertrieben worden sei. Er behauptete, die Gruppe, die seinen Rücktritt verlangt habe, sei von 60 Demobilisierten der Guerilla aufgehetzt worden. Sie hätten sogar die Absicht gehabt, ihn zu lynchen. Für Monterroso gäbe es keine Entschuldigung, er habe ihre Sprache gesprochen, und das Gewohnheitsrecht angewandt, aber diese Leute würden weder Gesetz noch Regierung akzeptieren, führte er aus. Grund für den Unbill der Bevölkerung war, dass Monterroso die nationale Zivilpolizei (PNC) aufforderte, bei einem Bewohner des Dorfes eine Hausdurchsuchung wegen illegalen Waffenbesitzes zu veranlassen. Der CSJ veranlasste die vorübergehende Schliessung des Gerichtsbüros von Cajolá. |
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