"Indígenas werden marginalisiert und diskriminiert"
Fijáte 269 vom 25. Sept. 2002, Artikel 7, Seite 5
Original-PDF 269 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 - 10 - 11 --- Nächstes Fijáte
"Indígenas werden marginalisiert und diskriminiert"
Guatemala, 16. Sept. Die Indígenas in Guatemala seien weit davon entfernt, gleichberechtigte BürgerInnen zu sein, anerkannte der Sonderbeobachter für indigene Rechte der Vereinten Nationen, Rodolfo Stavenhagen. An einer Pressekonferenz nach einem zehntägigen Besuch in Guatemala referierte Stavenhagen über die ethnische Situation des Landes: "Die Mayas, Xincas und Garífunas haben unter extremer Armut zu leiden und werden bei sozialen Entwicklungen (Bau von Schulen oder Gesundheitszentren, Zugang zu Land) nicht berücksichtigt." Diese Erkenntnis ist zwar nicht neu, doch ist es sicher wichtig, dass sie von offizieller Seite einmal mehr bestätigt wird. Schwieriger wird es dann, wenn zwar von internationaler Seite Druck auf die Regierung ausgeübt wird, sich für die Rechte der indigenen Bevölkerung einzusetzen, man sich aber mit der Einsetzung umstrittener Gesetze zufrieden gibt. So geschehen im Falle von MINUGUA, die der guatemaltekischen Regierung für die Änderung des Diskriminierungsgesetzes gratulierte, welches jedoch von den meisten Indígenaorganisationen abgelehnt wird. Das neue Gesetz gegen Diskriminierung wurde vom Kongress am 12. September mit einer Zweidrittelmehrheit angenommen. Im Gesetz wird Diskriminierung definiert als "jede Form von unterschiedlicher Behandlung, Ausschluss, Benachteiligung oder Bevorzugung einer Person aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Rasse, ihrer Ethnie, ihres Alters, ihrer Religion, ihrer ökonomischen Situation, ihres Gesundheitszustandes oder ihres Zivilstandes". Wer gegen das Gesetz verstösst, hat mit einer Gefängnisstrafe von einem bis drei Jahren zu rechnen und einer Busse von 300 bis 5000 Quetzales. Die Mayaorganisationen kritisieren das Gesetz, weil das Thema Diskriminierung global abgehandelt wird, wodurch die Förderung der Mayakultur verloren geht. Man wolle ein Gesetz, das die Rechte der indigenen Völker schütze und nicht diejenigen der Ethnien im allgemeinen, erklärte Juan León von der Defensoría Maya. Auch Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchu bezeichnete das neue Gesetz als "lau". Es sei eine der typischen Machenschaften der Regierung, ein Gesetz zu verallgemeinern anstatt den Rassismus konkret zu bekämpfen. Nach oben |
Ihrerseits ist die Regierung fein raus, entspricht doch das Gesetz den internationalen Konventionen und berücksichtigt das von den Indígenas geforderte "Gewohnheitsrecht". Die Anwendung des Gewohnheitsrecht bei leichten Vergehen ist zwar bereits im Friedensabkommen über die Rechte der indigenen Völker gewährt, wie es aber in der Praxis aussieht, zeigt folgendes Beispiel: Vier Mitglieder des Wasserkomitees des Dorfes Los Encuentros, Quiché, wurden auf Befehl der Staatsanwaltschaft verhaftet, weil sie das traditionelle Recht der Indígenas gegen das Dorfmitglied Julián Chumil angewendet haben. Die Tradition von Los Encuentros sieht vor, dass die Nachbarn entweder einen finanziellen Beitrag oder eine gewisse Anzahl Arbeitsstunden an die Ausführung eines Gemeindeprojekts leisten müssen. Wer das nicht macht, wird mit Sanktionen belegt. Chumil, der weder mitarbeitete noch seinen Beitrag bezahlte, wurde die Wasserzufuhr abgestellt. Da er und seine Familie in Zukunft weiterhin das Wasser vom nächsten Brunnen holen muss, wird das ganze Dorf Zeuge ihrer mangelnden Solidarität. Als er diesen Entscheid der Gemeinde zu spüren bekam, reichte Chumil bei der Staatsanwaltschaft eine Klage gegen das Wasserkomitee ein. Ohne Untersuchung bzw. ein Gespräch mit dem Komitee zu suchen, stellte die Staatsanwaltschaft die Haftbefehle aus und stellte sich somit über das anerkannte Gewohnheitsrecht der Indígenas. |
Original-PDF 269 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 - 10 - 11 --- Nächstes Fijáte