Eine Frage des Standpunktes?
Fijáte 277 vom 29. Jan. 2003, Artikel 3, Seite 3
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Eine Frage des Standpunktes?
Guatemala, 15. Jan. Zum dritten Jahrestag seiner Amtsführung legte Präsident Alfonso Portillo zwei Anzeichen des mangelnden Respekts gegenüber der guatemaltekischen Bevölkerung vor. Das erste fand ausserhalb des Kongresses, auf dem davor liegenden Platz der Konstitution, statt. Hierher hatte die FRG Tausende von SympathisantInnen herangekarrt, darunter Ex-PACs und BäuerInnen, mit dem Ziel, die öffentliche Unterstützung des Präsidenten seitens der 'Bevölkerung' unter Beweis zu stellen und damit schon einmal für den 'richtigen' Wahlkampf zu proben. Dass vom Obersten Wahlgericht das Durchführen von Wahlkampagnen noch nicht freigegeben ist, spielte dabei keine Rolle. Die zweite Missachtung spielte sich im Kongress selbst ab, wo der Mandatsträger seinen dritten Regierungsbericht präsentierte, in dem er die Themen, die für das Land von wirklicher Bedeutung sind, fast vollständig ausliess. Das 300 Seiten umfassende Dokument ist in vier Kapitel aufgeteilt: Das erste behandelt den politischen Rahmen, in dem die Regierung agiert, das zweite zeigt ein allgemeines Panorama des Landes auf, wobei ökonomische und soziale Phänomene für das öffentliche (Nicht-)Handeln herangezogen werden. Das dritte und umfangreichste Kapitel beschäftigt sich mit den Erfolgen der FRG-Regierung, darunter werden die in 2002 erreichte makroökonomische Stabilität, die wirtschaftliche Liberalisierung, die Strategie zur Armutsbekämpfung und die Erfüllung der Friedensverträge hervorgehoben. Letzterer Aspekt bezieht sich auf die Reduzierung des Präsidialen Generalstabs (EMP) um 25%, die Ende des Jahres verkündet worden war, und die Auflösung des Drogendepartements DOAN. Portillo hielt in diesem Zusammenhang auch die Entschädigung von Opfern des internen Konfliktes und die Demobilisierung einiger Militärstützpunkte für nennenswert. Im vierten Kapitel des Berichts werden als Herausforderungen für 2003 ein wirtschaftliches Wachstum und die Stärkung des demokratischen Systems genannt. Die herrschende Korruption rechtfertigte er durch deren Existenz seit der Geschichte des Landes selbst, v.a. bezugnehmend auf die autoritäre Form, in der die öffentliche Macht seit Jahr und Tag ausgeübt worden war. Dabei wies er darauf hin, dass keine Regierung sich so offen für die Überwindung dieses Übels gezeigt habe wie die seine. Zudem würde dieses Thema von mächtigen Gruppen als politische Waffe benutzt. Die Gründung der Transparenzkomission sei als wichtiger Schritt gegen diese Geissel anzusehen. Im Zusammenhang mit den vom Präsidenten stolz erwähnten Massnahmen zur Bekämpfung der "Nahrungsunsicherheit" im Land bleibt zu erwähnen, dass die Intervention des Welternährungsprogramms notwendig war, um Lebensmittel-Projekte durchzuführen. Die Agrarproblematik erklärte Portillo als Kolonialerbe; neben der Vergabe von einzelnen Ländereien beschränkten sich bisherige Massnahmen auf die Gründung des Sekretariats für Agrarangelegenheiten (SAA). Dieses soll eine Politik zur ländlichen Entwicklung vorlegen, die sich aus der Agrarreform heraus ergeben soll, im Endeffekt jedoch die anzustrebende Harmonie zwischen Staat, Markt und Zivilgesellschaft anzustreben hat. Der Bericht Portillos ist deutlich auf die externe Wahrnehmung hin ausgerichtet, wohl als Reaktion auf die in den letzten Wochen wiederholte Schelte von Seiten der USA und auch der EU in Bezug auf die Nichterfüllung der Vereinbarungen mit der Konsultivgruppe. Entsprechend hagelte es auch Kritik seitens der sozialen Organisationen. Nach oben |
So lauten die Bewertungen der 'Erfolge' von Seiten verschiedener BeobachterInnen doch etwas anders als die Portillos. Laut Wahrnehmung von Frank La Rue vom Menschenrechtszentrum CALDH, lebe der Präsident in einem anderen Land; diese drei Regierungsjahre hätten einen signifikanten Rückschritt in fast allen Bereichen mit sich gebracht, vor allem die Menschenrechte betreffend. María del Carmen Aceña vom Wirtschaftsforschungsinstitut CIEN erklärte, dass die Autoritäten keinerlei Aussenhandelspolitik aufgestellt hätten, genauso wenig habe man das Problem der ländlichen Entwicklung gelöst. Leider, so prognostizierte Jorge Briz von der Handelskammer, wird es die Regierung nicht schaffen, von den Worten zu Taten zu schreiten. Mario Polanco von der Gruppe gegenseitiger Hilfe (GAM) bewertete das Dokument als einen weiteren Akt der Demagogie, einzig dafür da, die Reihe der Werke und Projekte zu schmücken, die die Regierung der FRG angeblich realisiert habe. Dieser Bericht sei Teil der Vorbereitung für die Täuschungsmanöver des "blauen Händchens" bei den anstehenden Wahlen, was sich schon an der illegalen FRG-Aktion auf dem Platz der Konstitution erkennen liesse, so der Menschenrechtsaktivist. |
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