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Mit Feuer und Flamme das Schweigen beendet

Fijáte 278 vom 12. Feb. 2003, Artikel 1, Seite 1

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Mit Feuer und Flamme das Schweigen beendet

Nach und nach füllte sich der Zocalo mit Tzotziles, Mames, Tzeltales, Tojolabales und Zoques, und man hörte immer noch die Parolen aus der frisch hergerichteten Fussgängerzone. Zwischen Bühne und Kathedrale prangten Tausende von Transparenten: "Die Parteien sind eine Farce", "Die Regierung ist rassistisch".

Auf einmal hiess es :"Macht's Euch bequem, jetzt kommt die Comandancia!" Die Bühne füllte sich. Allen vorweg Comandante Mister (der grösste von allen), danach Comandante Esther in ihrem blumenbestickten Schal, Tacho, Fidelia, Omar, David, und der jüngste von allen, Bruce Lee.

Das fast zweijährige Schweigen der ZapatistInnen wurde an diesem Tag in jeglicher Hinsicht aufgehoben. Zweifel über eine Zerrüttung der EZLN wurden durch die sieben Ansprachen der Comandancia ausgeräumt. "Wozu sollen wir uns untereinander zanken, wenn es noch genug Feinde zum Streiten gibt?" fragte Comandante Omar. "Wir sind gekommen, um zu zeigen, dass wir da sind, dass wir noch leben und dass wir uns nicht ergeben haben. Wir sind weder entzweit noch zerstritten."

Gerüchte, dass sich Subcomandante Marcos zu weit aus dem Fenster gelehnt hätte mit seinem Projekt, im Frühjahr ein Rededuell mit dem VGspanischenNF Richter Garcón zu halten und gleichzeitig einen Kongress zur politischen Einigung im Baskenland stattfinden zu lassen, wurden dementiert. "Wir kennen die Welt, denn wir kennen all die Männer und Frauen dieser Länder, die unsere Gemeinden besucht haben. Sie haben uns von ihrem Kampf und ihrer Welt erzählt. In ihren Worten sind wir gereist, wir haben mehr Länder gesehen und kennen gelernt als jedweder Intellektuelle." erzählt Mister und ruft auf zur Globalisierung der Rebellion. "Wenn Subcomandante Marcos sagt, dass er den politischen Kampf der Völker unterstützt, so spricht er im Namen aller zapatistischen Frauen, Männer und VGKinderNF. An alle, die wir für Gerechtigkeit, Demokratie und Freiheit in der Welt kämpfen: Wir ZapatistInnen kämpfen an Eurer Seite, denn dieser Kampf ist auch unser Kampf. Deshalb kämpfen wir hier in Mexiko und in der ganzen Welt, bis wir einen würdigen Platz im Leben und in der Menschheit erreichen."

In letzter Zeit wurde den ZapatistInnen öfter vorgeworfen, sich nur nach Europa zu orientieren und die Problematiken des eigenen Kontinents unkommentiert zu lassen. An diesem 1. Januar wurde eindeutig die Solidarität mit den argentinischen Rebellen und der Souveränität des VGvenezolanischenNF Volkes ausgesprochen.

Was die Beziehung zur Regierung angeht, so sprach Comandante Esther klare Worte: "Ich sage Dir (VGVicente FoxNF): Das Volk ist enttäuscht von Deinen Betrügereien" und fragte "Wo ist der Frieden?" Es wurde heftig kritisiert, dass keine der Parteien zur Verabschiedung des Gesetzes über die Rechte der indigenen Völker beigetragen hat, "da ihnen ein Frieden in Chiapas nicht gelegen kommt", aus verschiedenen Gründen, und sei es, um wie im Falle Manuel Bartlett, einer Untersuchung über Verwicklungen im VGDrogenhandelNF zu entkommen.

Mit der PRD (linksliberale Partei der demokratischen Revolution), der während der Marcha Zapatista im März 2001 noch einige Hoffnung entgegengebracht wurde, wurde endgültig abgerechnet.

Auch Luis H. Alvarez (Partei der nationalen Aktion), dem offiziellen Vermittler der Regierung, wird zukünftig der Zutritt zu den zapatistischen Gemeinden verwehrt. "Er verteilt Gelder in den Gemeinden, um Zwiespalt zu säen und zu behaupten, die ZapatistInnenen wären gespalten" begründete Esther diese Massnahme.

Bruce Lee rief die indigenen Völker und den Rest der Welt auf, sich zu organisieren: "Der Moment ist gekommen, uns zu organisieren und unsere autonomen Landkreise zu formieren. Nur so kann es wirkliche Demokratie auf kommunaler Ebene geben. Wir haben nicht darauf zu warten, dass die schlechte Regierung uns die Erlaubnis dazu gibt." "Es lohnt sich, das Risiko des Kampfes einzugehen, denn sie töten uns sowieso täglich. Bevor wir aufhören zu existieren, öffnen wir einen Weg auf der Suche nach einem besseren Leben für unsere Kinder. Wir sind bereit zu kämpfen, koste es, was es wolle." So Omar.

Was den akuten Fall der Vertreibungen im Biosphärenreservat Montes Azules angeht, betonte die EZLN, dass es in den zapatistischen Dörfern keine friedliche Umsiedlung geben wird. Damit sind auch militärische Aktionen nicht mehr auszuschliessen.

Comandante David endet seine Ansprache mit der Aufforderung an die Compañer@s, nun ihre Brennspäne anzuzünden. "Dieses Licht symbolisiert unsere Stärke in dem langen Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit. Lasst uns ein grosses Licht entzünden, in dem die Welt das Licht der zapatistischen Rebellion sieht." Eine harzige Duftwolke umhüllte die Massen. Die Fussgängerzone war gesäumt von kleinen Feuern, in deren Licht man die gefällten Strassenlaternen liegen sah. Während ringsum immer mehr Feuer aufflammten, zogen sich bereits die ersten Gruppen von ZapatistInnen zurück, und noch Stunden später formierten sie sich in den Strassen, um auf offenen Pritschenwagen durch die klare Nacht auf ihre autonomen Dörfer zurückzufahren.


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