Volksbefragungen: Ein Sieg der (oder über die) Demokratie?
Fijáte 358 vom 26. April 2006, Artikel 2, Seite 4
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Volksbefragungen: Ein Sieg der (oder über die) Demokratie?
Guatemala, 20. April. Das guatemaltekische Verfassungsgericht bestätigte am 4. April die Rechtsgültigkeit der beiden Volksbefragungen von Río Hondo, Zacapa, und von Sipakapa, San Marcos, wo sich die Bevölkerung gegen den Bau eines Wasserkraftwerks bzw. die Tätigkeit einer Tagebaumine aussprach. In beiden Fällen berufen sich die InitiantInnen der Befragungen auf die Umweltschäden, die von den Unternehmen angerichtet würden und beschweren sich, dass sie als betroffene Bevölkerung vor der Lizenzvergabe an diese Firmen nicht konsultiert wurden, wie es das Abkommen 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) vorschreibt. In Sipakapa nahmen rund 600 Personen aus dreizehn Dörfern an der im letzten Juni durchgeführten Abstimmung teil, davon sprachen sich elf Dörfer gegen die Minentätigkeit aus, eines dafür und eines enthielt sich der Stimme. In Río Hondo fand die Befragung ebenfalls im letzten Juni statt, von den 2'800 teilnehmenden Personen sprach sich die grosse Mehrheit gegen den Bau des Wasserkraftwerkes aus. An beiden Orten wurde vor den Volksbefragungen seitens der Unternehmen versucht, Verwirrung über die Rechtsgültigkeit von solchen, von den Gemeinden autonom durchgeführten Abstimmungen zu säen. In Sipakapa z.B. wurden ein paar Tage vor der Abstimmung Flugblätter verteilt, die vermeintlicherweise sagten, die consulta sei abgesagt worden. Und auch wenn es das Unternehmen abstreitet, eine Filmequipe, die einen Film über die Volksbefragung und überhaupt das Problem der Minenpräsenz in Sipakapa drehte, sah bei einem Besuch in der Mine schachtelweise diese Flugblätter herumstehen. Nach oben |
Der Entscheid des Verfassungsgerichts löste grosse Freude unter den sozialen Organisationen aus, die sich zum Thema engagieren. Als einen historischen Moment bezeichnete die Nationale BäuerInnenkoordination CNOC dieses Urteil, mit dem die nationalen und internationalen Abkommen über die Rechte der indigenen Bevölkerung über die Partikularinteressen einiger Weniger gestellt wurden. Am 18. April übernahmen dann die neugewählten RichtInnen und ihre respektiven Ersatzrichter des Verfassungsgerichts ihre Ämter (siehe ¡Fijáte! 357). Ihre Vorgänger traten jedoch zurück, nachdem sie zwar die Entscheide in den Fällen Río Hondo und Sipakapa gefällt hatten, aber ohne alle notwendigen Dokumente zu unterzeichnen. Im Fall von Río Hondo soll es ein unterschriebenes Urteil aber keine rechtsgültige Verkündung desselben geben. Im Fall Sipakapa ist es noch schlimmer, da gibt ein zwar gefälltes, aber nicht von allen Richtern unterzeichnetes Urteil. Die (schwindende) Hoffnung der Bevölkerung der betroffenen Orte besteht nun darin, dass die NachfolgerInnen der abgetretenen RichterInnen das Urteil nicht noch einmal revidieren, sondern so schnell wie möglich ihre Unterschriften darunter setzen. Ansonsten wären die nationalen juristischen Möglichkeiten ausgeschöpft und es bliebe nur noch die Variante, ihre Fälle vor den Interamerikanischen Menschenrechts-Gerichtshof (CIDH) zu tragen. |
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