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Un su cafesito… - Ein Streifzug durch das guatemaltekische Spanisch

Fijáte 360 vom 24. Mai 2006, Artikel 1, Seite 1

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Un su cafesito… - Ein Streifzug durch das guatemaltekische Spanisch

Eine Erscheinung, die sich schon eher tatsächlich guatemaltekisch ausnimmt, ist die so genannte Asibilierung des "r". Im Klartext heisst das, dass aus dem "r", vor allem bei "tr" und "rr", ein Laut wird, der sich wie ein weiches "sch" anhört. Aus tres wird damit "tsches", aus otro wird "otscho"; carro wird zu "cascho" und perro zu "pescho" (bei den letztgenannten wird das "sch" ausserdem stimmhaft ausgesprochen) (der Reihe nach: "drei", "anderer", "Auto", "Hund"). Allerdings muss hinzugefügt werden, dass eine solche Asibilierung in städtischen Gebieten, und dort vor allem in der gehobenen Sprache, vermieden wird, im Glauben, dass es sich hierbei um indianisiertes Spanisch handelt. Auch unter jüngeren Generationen nimmt der Gebrauch ab.

Diese feinen Unterschiede in der Aussprache schriftlich wiederzugeben ist natürlich ein gewagtes und zweifelhaftes Unterfangen, aber mit etwas Phantasie lässt sich dieser Mangel durchaus beheben.

Wir kommen zur Syntax und damit zu Merkmalen, die nun wirklich ohne Bedenken den Guatemalteken zuschrieben werden können. Vermutlich kennen viele die Situation, dass man bei Bekannten zu Besuch ist und gefragt wird: "¿Usted no quiere un su cafesito?". (wörtlich: "Sie möchten nicht einen Ihren VGKaffeeNF?")Ein Spanier würde sich jetzt vermutlich über die eigenwillige Formulierung wundern, wir Guatemalakundigen hingegen erwidern ohne zu Zögern "Con mucho gusto" ("Sehr gern"). Das Ungewöhnliche bei dieser Formulierung ist die Kombination des unbestimmten Artikels (un su cafesito) mit einem Possesivpronomen (un su cafesito), die uns in Guatemala des öfteren begegnet: "Con una mi clase más que consiga…" oder "Echo un mi sueñito después de almorzar". Diese Konstruktion wird mit Ausnahme der gehobenen Sprache in beinahe allen sozialen Schichten auffallend häufig verwendet und ist klarer Ausdruck einer affektierten, gefühlsbetonten Sprache. Nicht ganz klar ist der Ursprung dieser Erscheinung. Zwar lassen sich bereits im Altspanisch und weiter bis Mitte des 15. Jahrhunderts ähnliche Konstruktionen erkennen, eher zum Tragen kommt aber vermutlich die Tatsache, dass es solche auch in den Mayasprachen Guatemalas gibt.

Wenn wir nun schon einmal beim Kaffeetrinken sind, stellt sich zwangsläufig auch die Frage, WIE man WEN anredet. Die Gastgeber mit usted, die anderen Gäste ebenfalls, deren VGKinderNF - da wird es schon schwieriger - mit tú oder doch eher vos? Die Freundin, die mit von der Partie ist, natürlich mit vos oder eben tú, je nachdem wie wir es gewohnt sind. Gar nicht so einfach also! Faktoren, die wir mit einbeziehen, um zu entscheiden, wie wir jemanden anreden, sind soziale Stellung, relative Autorität, Gruppenzugehörigkeit, Alter, Geschlecht, Gesprächsthema, oder Tonfall des Sprechenden, um an dieser Stelle nur einige zu nennen. In der Regel gilt usted als die höflichste und zugleich distanzierteste der Anredeformen. Der Gebrauch von tú wird als respektvoll, teilweise Zeichen von Höflichkeit und eher als korrekt angesehen, während vos einen freundschaftlichen und intimen Umgang signalisiert, der ebenso Zeichen von grossem Vertrauen und Solidarität zwischen den Sprechenden ist. Es ist allerdings auch möglich, dass eine einzige Person wechselweise mit allen drei Anredeformen angesprochen wird. In diesem Fall hängt die Wahl der jeweiligen Form mit der beabsichtigten Konnotation zusammen, die der Sprechende hervorrufen will. Ein Kind, das von seiner Mutter gewöhnlich mit tú angesprochen wird, weiss beispielsweise ziemlich genau, dass es brenzlig wird, wenn auf einmal ein deutliches usted ertönt. So schön dieses Schema nun ist, müssten wir es eigentlich sofort wieder verwerfen. Denn gerade die Anredeformen lassen sich in Guatemala nur sehr bedingt in festgefügte Formen pressen. Zur Verdeutlichung wieder ein Beispiel: Im Hochland, denken wir an VGSan MarcosNF oder VGHuehuetenangoNF, wird vos nur unter engen Freunden und sehr vorsichtig verwendet. Keine 200 Kilometer weiter, in Coatepeque, tierra caliente, wird

schon kritisch beäugt, wer einen Gleichaltrigen nicht mit vos anspricht.

Nach so vielem hin und her kommen wir nun zu etwas handfesterem, dem Wortschatz. Und damit auch zur Frage, inwiefern das guatemaltekische Spanisch von den indigenen Sprachen beeinflusst wurde und wird. Möglichen Vermutungen entgegen hat sich herausgestellt, dass der Einfluss indigener Sprachen weitaus geringer ist, als lange Zeit angenommen wurde. Und denken wir dabei an die Mayasprachen, liegen wir schon wieder falsch. Es ist nämlich das Náhuatl, eine alte Indianersprache, die auf die Sprache der Azteken und Tolteken zurückgeht, das mit Abstand die meisten Spuren hinterlassen hat. Die Einflüsse aus dem Náhuatl in Guatemala gehen zurück bis in die Zeit der Conquista, als es ein Herrschaftsgebiet im Süden des Landes gab, in dem eine Varietät gesprochen wurde, die dem zentralmexikanischen Náhuatl sehr ähnlich war. Später haben die spanischen Kolonisatoren dann Náhuatl-Bezeichnungen für Regionen, Dörfer, Flüsse und Vulkane offiziell in ihren Wortschatz übernommen. So lässt sich beispielsweise die Stadt VGChimaltenangoNF mit "lugar del pueblo de los escudos" ("Ort des Volkes der Schilde") übersetzen, die Stadt VGAmatitlánNF, aus der sich auch die Bezeichnung für den benachbarten See Lago de Amatitlán ergibt, heisst soviel wie "lugar de amates". Interessant ist auch, dass Ortsnamen aus dem Náhuatl in ihrer Bedeutung oft den Bezeichnungen entsprechen, die in den Mayasprachen den Ort beschreiben. Die Tatsache, dass das Náhuatl in der Kolonialzeit, genauer gesagt während dem Bestehen der Capitanía General de Guatemala, als Verkehrssprache fungierte und damit ein gewisses Prestige trug, ist ein weiterer Umstand, der seinen sprachlichen Einfluss stark begünstigte. Davon geblieben sind Pflanzennamen wie chiltepe, Tiernamen wie chompipe, Essensbezeichnungen wie chirmol oder Ortsnamen wie Cotzumalguapa (= arco iris - "Regenbogen"). Auch das rätselhafte xuco/a (=sucio, podrido, acedo - "dreckig", "verdorben") geht auf das Náhuatl zurück, ebenso wie die Endung -teco/a oder -eco/a.

Nachdem wir nun also wissen, warum es Guatemalteke und nicht Guatemalese oder Guatemaler heisst, schliessen wir unsere Reise mit dem Einfluss der Mayasprachen ab. Nach der Klassifizierung des Proyecto Lingüístico Francisco Marroquín (PFLM), die auch von der Academia de las Lenguas Mayas de Guatemala offiziell anerkannt wird, existieren in Guatemala 23 Mayasprachen. Die vier bedeutendsten Sprachen, K'iche', VGMamNF, Q'eqchi', und Kaqchikel werden dabei von 85% aller indigenen Sprecher gesprochen. Der Einfluss dieser verschiedenen Mayasprachen ist regional bedingt, das heisst, er ergibt sich aus dem Sprachkontakt der jeweiligen Sprachen mit dem Spanisch in einer bestimmten Region. Besonders auffällig sind hier Bezeichnungen für Bäume und Sträucher. Auch Orte tragen oft Maya-Namen. Xelajú (k'iche') beispielsweise ist eine gebräuchliche Bezeichnung für die Stadt Quetzaltenango, Uaxactún, Paxcamán, und VGTikalNF sind Ortsbezeichnungen im Tiefland Guatemalas, die ebenso auf eine Mayasprache zurückgehen. Nur konsequent erscheint, dass im südöstlichen Küstengebiet (Oriente) aufgrund des niedrigen indigenen Bevölkerungsanteils so gut wie keine Mayaeinflüsse zu finden sind. Insgesamt ist aber vorstellbar, dass durch eine sich verbessernde Bildungssituation der indigenen Bevölkerung, durch Programme mit bilingualem Unterricht und einer generellen Aufwertung der Mayasprachen durch den guatemaltekischen Staat der Einfluss und die Bedeutung der Mayasprachen für das guatemaltekische Spanisch zunehmen.

Der Autor Tobias Wildner studiert Spanisch, VGFranzösischNF und kath. Theologie auf Lehramt an der Universität Würzburg. Er hat selbst ein Jahr in San Marcos, Guatemala gelebt.


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