Landesweiter Protest wegen "historischer Tatsachen"
Fijáte 358 vom 26. April 2006, Artikel 5, Seite 5
Original-PDF 358 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 --- Nächstes Fijáte
Landesweiter Protest wegen "historischer Tatsachen"
Guatemala, 20. April. So wie im Rahmen des Nationalen Aufstands angekündigt, riegelten am Donnerstag diverse Sektoren der Zivilgesellschaft auf friedliche Weise wichtige Strassen und Kreuzungen ab, wurden jedoch mit Gewalt von den staatlichen Sicherheitskräften und Anti-Aufstandseinheiten zurückgedrängt, die ohne Federlesen körperliche Gewalt, Tränengas- und Rauchbomben einsetzten. Am Schluss der mindestens 15 Demonstrationen im ganzen Land, waren 28 Personen festgenommen und mindestens 15 teilweise schwer verletzt worden. Auch ging das Gerücht um eine Frau um, die ihren Schussverletzungen, abgegeben von der Polizei, erlegen sei, doch dies wurde nicht bestätigt. Die Regierung hatte bereits im Vorfeld angekündigt, auf den Demos keine Gewalt zu dulden und bedeutenderweise einen Tag vor der angekündigten Aktion die Spezialeinheiten der Polizei mit neuem Material ausgerüstet, darunter massenweise Tränengas- und Rauchbomben, Schusspatronen und -gewehre für die Gasgranaten sowie Maschinengewehre und schusssicheren Körperschutz im Gesamtwert von mehr als 17 Mio. Quetzales. Präsident Berger hat sich sowohl beim Festakt der Übergabe als auch in einer landesweit ausgestrahlten Fernseh- und Radioansprache geäussert: "Es ist schon peinlich, vor der Welt von unseren Schwächen zu sprechen. (...) Es ist ein grosser Fehler, einfach nur zu protestieren und die Rechte der anderen zu blockieren. Zu protestieren wegen historischer Tatsachen, die sich in vier Jahren nicht ändern." Daniel Pascual, Vertreter der BäuerInneneinheit CUC, verurteilte die "Null-Toleranz-Einstellung" der Regierung gegenüber der demonstrierenden Bevölkerung und informierte, dass während des Marsches durch die Hauptstadt auf der US-amerikanischen Botschaft Scharfschützen gesichtet worden seien. Nach langem Ringen liessen sich die DemonstrantInnen doch auf einen erneuten Verhandlungsversuch ein, hat doch die Vergangenheit gezeigt, dass erreichte Vereinbarungen keinerlei Verbindlichkeit bedeuten und die Regierung die Runden Tische bloss missbraucht, um den Anschein der Kompromissbereitschaft zu wahren. Es bleibt abzuwarten, was aus den weitreichenden Verständigungen wird. Abgemacht wurde laut eines Kommuniqués der Gruppe gegenseitiger Hilfe (GAM), dass Räume für die Konsultierung der organisierten Gesellschaft geöffnet werden hinsichtlich der Ausführung des Freihandelsvertrags mit den USA (TLC). Zudem soll garantiert werden, dass die Kompensations- und Komplementärgesetze gebilligt werden, die sicherstellen sollen, dass die Bevölkerung wenig Schaden durch den TLC davonträgt. Das Monitoring von Bauprojekten, die im Rahmen des Wiederaufbauprogramms nach Hurrican Stan errichtet werden, soll Korruption und Politisierung vermeiden, die Entschädigung der Opfer des Staatsterrorismus garantiert werden. Der Kongress wird aufgefordert, die Reformen zum Arbeitsgesetz, des Agrarkodices und der Schaffung von Agrartribunalen sowie das Gesetz für Kommunale Radios zu verabschieden. Das Wohnungsbauprogramm soll gestärkt und eine Lohnerhöhung für alle Arbeitenden in Erwägung gezogen werden. Nach oben |
Die Mobilisierung wurde derweil genutzt, um die Bewusstseinskampagne "Land, Tortilla und Arbeit, zum Teufel mit Hunger und Armut!" publik zu machen, die von zahlreichen BäuerInnen- und sozialen Organisation lanciert wird, um die Bevölkerung hinsichtlich der Ursachen der herrschenden prekären Situation zu sensibilisieren und auf eine Veränderung hin zu einer integralen Entwicklung des Landes zu insistieren. Indigene RegierungsfunktionärInnen finden sich unterdessen im politischen und moralischen Dilemma, seit sich die Konfrontationen zwischen der Exekutive und den BäuerInnenorganisationen verschärft haben. Auf der Demo Ende März waren sie explizit zum Rücktritt aus der Regierung aufgefordert worden. Daraufhin trafen sich rund 50 indigene Regierungsleute, doch ein Konsens liess sich nicht finden. So will Rosalina Tuyuk, Leiterin des Nationalen Entschädigungsprogramms PNR, tatsächlich zurücktreten, sollten alle Dialogoptionen ausgeschöpft und es zur Gewalt auf der Strasse kommen. Die Friedenssekretärin Norma Quixtán wollte indes bleiben. |
Original-PDF 358 --- Voriges Fijáte --- Artikel Nr. 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 --- Nächstes Fijáte