SeniorInnen auf der Strasse
Fijáte 362 vom 21. Juni 2006, Artikel 6, Seite 5
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SeniorInnen auf der Strasse
Guatemala, 16. Juni. Anfang Februar diesen Jahres wurde im guatemaltekischen Kongress nach hitziger Debatte das Gesetz über die Unterstützungsbeiträge an ältere Menschen ohne Sozialversicherung, gutgeheissen. Gemäss dem neuen Gesetz sollen über 65-Jährige mit einem monatlichen Beitrag von 463 Quetzales (ca. 57 US-$) unterstützt werden. (Die Lebenserwartung guatemaltekischer Männer liegt durchschnittlich bei 64, die der Frauen bei 66 Jahren.) Die Rechtsgültigkeit des Gesetzes wurde sofort von der Exekutive angefochten, hatte doch Präsident Berger zuvor bereits sein Veto gegen das Gesetz eingelegt. Rechtlich umstritten war jedoch der Zeitpunkt des Einspruchs. Ausserdem muss, um ein präsidiales Veto zu kippen, der Kongress mit qualifizierter Mehrheit abstimmen und nicht bloss mit einfacher, wie es in diesem Fall geschehen war. Die Angelegenheit wurde dem Verfassungsgericht übergeben. Dieses entschied dann Ende Mai, einem Rekurs des Anwalts Rafael Francisco Cetina, der als Privatperson auftrat, stattzugeben und das Gesetz provisorisch zu suspendieren. Cetina wies das Verfassungsgericht darauf hin, dass das Gesetz weder festlege, um viele Personen es bei den Pensionszahlungen denn überhaupt gehe noch, woher das Geld für die Unterstützungsbeiträge hergenommen werden solle. Ebenfalls befürchtet er, ein solches Gesetz verleite die älteren Menschen zum "Vagabundentum" und Gesetzesmissbrauch. Daraufhin erklärte sich die Nationale Vereinigung der SeniorInnen ohne Sozialversicherung im "Ausnahmezustand". Héctor Montenegro, Repräsentant der Bewegung, erklärte, der Staat zwinge sie regelrecht auf die Strasse. Dies hat die Vereinigung unterdessen mit diversen Protestmärschen gezeigt. Anlässlich einer Demonstration vom 2. Juni stellten die Grossväter und -mütter ans Verfassungsgericht die Forderung, ihre Anliegen binnen 24 Stunden zu behandeln. Da dies nicht geschah, traten am 5. Juni 35 SeniorInnen vor dem Gebäude des Verfassungsgerichts in einen Hungerstreik. Medizinisch begeleitet werden sie von der mit ihnen solidarischen Medizinischen Fakultät der Universität San Carlos. Gleichzeitig kündigten sie an, ihre Anliegen vor den Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof zu tragen. In Cobán, Alta Verapaz, demonstrierten rund 700 ältere Menschen in Unterstützung mit den Hungerstreikenden in der Hauptstadt, auch in Jutiapa solidarisierten sich die SeniorInnen mit ihren protestierenden AltersgenossInnen. Unterstützung bekamen sie auch von denjenigen Pensionierten, die das Glück haben, vom Sozialversicherungsinstitut (IGSS) eine Rente zu erhalten. Nach oben |
Die Hungerstreikenden scheinen trotz der widrigen klimatischen Bedingungen und den beginnenden Schwäche- und Gesundheitsproblemen frohen Mutes zu sein: Am 14. Juni ernannten sie die 91-jährige Octavia Estrada zu ihrer Steikkönigin und die 70-jährige María Gálvez zur "Patin des Streiks", beide Frauen sind sich darin einig, dass es keinen grossen Unterschied mache, ob sie nun vor dem Verfassungsgericht vor Hunger sterben oder zu Hause in der Misere vor sich hinvegetieren müssten. |
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