Das Recht auf Nahrung in Guatemala
Fijáte 457 vom 31. März 2010, Artikel 1, Seite 1
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Das Recht auf Nahrung in Guatemala
Im März diesen Jahres wurde die Studie "Das Recht auf Nahrung in Guatemala" veröffentlicht. Eine internationale Kommission analysierte und dokumentierte mehrere Monate lang die verschiedenen Aspekte und Ursachen der Nahrungsmittelproblematik und der chronischen Hintergrund und Ziel der StudieAufgrund der Ernährungsunsicherheit und der Situation der chronischen Unterernährung in Guatemala sahen mehrere lokale Organisationen (1) die Notwendigkeit, eine Verifikationsstudie durchzuführen, welche auf einer externen und objektiven Perspektive basieren sollte. So schlossen sich verschiedene internationale Menschenrechtsorganisationen (2) zusammen, um diverse Fälle von Verletzung des Rechts auf Nahrung und der damit zusammenhängenden Verletzungen der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte zu dokumentieren und analysieren. So entstand die Studie Das Recht auf Nahrung in Guatemala, welche die Nahrungsmittelkrise in einen direkten Zusammenhang mit dem Abbau der Rohstoffvorkommen (Minen, sog. Agrotreibstoffe, Insgesamt wurden von der Mission zwölf Fälle von Die Räumungen von Panzós und Rechts- und Hungerlage in GuatemalaDas Recht auf Nahrung ist eines der Grundrechte, die der Staat Guatemala auf nationaler ( Um dies zu gewährleisten, besitzt Guatemala eine weit gefächerte institutionelle Struktur (Räte, Ministerien, Kommissionen, Gerichtsbarkeit für Die Regierung ist sich der Situation bewusst und führt sie auf den historischen Hintergrund von mehr als 30 Jahren Bürgerkrieg zurück. Doch schon zu Zeiten der Kolonialisierung tauchte dieses Phänomen auf, in Abhängigkeit von politischen, wirtschaftlichen und klimatischen Faktoren. Die Nahrungsmittelkrise ist also ein strukturelles Problem, welches der Staat mit verschiedenen Programmen zu lösen versucht. Im Moment trifft das Land eine schwere Lebensmittelkrise, die dazu führte, dass Guatemala am 8. September 2009 den Es wurde kalkuliert, dass etwa 54.000 Familien Hunger leiden und die Zahl bis Ende 2009 auf 400.000 steigen würde. Diese Rechnungen verschlimmerten sich aufgrund der Klimabedingungen: 2005 führte der Ein anderer Faktor ist die Preiserhöhung von Nahrungsmitteln seit dem Jahr 2006, welche 2008 ihren Höhepunkt fand und Guatemala hart traf. Der Preis von Grundnahrungsmitteln wie Mais oder Bohnen stieg um über 60%. Diesen Anstieg konnten viele Familien finanziell nicht verkraften, da es auch keine Lohnerhöhungen zu verzeichnen gab, was das Problem der Nahrungsmittelkrise vertiefte. Ausserdem führte die Finanzkrise dazu, dass die Verpflichtungen und Antwort des Staates GuatemalaIm August 2009 wurde vom Staat der Plan der Gefahren und Ernährungsnotfälle (PCEA2009) beschlossen, der Familien mit hohem Risiko an Nahrungsmittelknappheit helfen soll und für den 60 Millionen Quetzales veranschlagt wurden. Verabschiedet wurde der Plan allerdings erst vier Monate später. Insgesamt sollen über 200.000 Familien davon profitieren. Der Inhalt der Pakete, der je nach Risikostatus variiert, sind Bohnen, Mais, Huhn in Dosen, Neben diesem Plan existiert das Programm Mi Familia Progresa, welches 300 Quetzales monatlich an Gesundheits- und Bildungszuschüssen an arme und extrem arme Familien übergibt. Seit 2006 versucht der Staat die chronische Unterernährung mit einer Nationalen Strategie für Kinder unter fünf Jahren in den Griff zu bekommen. 2009 wurde dann der Strategische Plan der Nahrungssicherheit 2009-2012 formuliert. Allerdings hat die Finanzkrise dem Staat zu schaffen gemacht, der 2009 ein Defizit von über 40 Milliarden Quetzales verzeichnete. Dies verkomplizierte die Ausführung der Notfallpläne. Politische Unstimmigkeiten im Land, wie das Fehlen der Unterstützung des Präsidenten durch den Kongress, verunmöglichten es, die finanzielle Problemlage zu verbessern oder gar eine Finanzreform durchzusetzen. Dazu kommt personelle Instabilität im Landwirtschaftministerium, das ein relativ kleines Budget hat und noch weniger davon exekutierte. Auf internationaler Ebene, hat die Regierung sich mit verschiedenen Instanzen zusammengesetzt, um Massnahmen zur Ernährungssicherheit festzulegen, wie die Übergabe von Esspaketen und die Einrichtung von Notfallzentren für unterernährte Kinder. Weiterhin haben die internationalen Büros der Entwicklungszusammenarbeit verschiedenster Länder und andere internationale Organisationen Geld, Nahrungsmittel und technische Hilfe im Wert von insgesamt US$ 25,368,825.88 gespendet. Nach oben |
Trotzdem sind die Perspektiven auf kurze und mittlere Sicht nicht sehr erbauend. Aufgrund der Finanzkrise und des Klimawandels sieht die Regierung eine Verschlimmerung der Nahrungsmittelkrise voraus, da die Reserven an Lebensmitteln wegen der Ernteverluste nicht aufgefüllt werden können. Bei all dem ist aber nicht zu vergessen, dass der Staat gewisse Verpflichtungen gegenüber der Bevölkerung hat: * Verpflichtung des Respekts, was impliziert, dass der Staat den existierenden Zugang der Bevölkerung zu Nahrungsquellen respektieren muss. Dass dies nicht geschieht, zeigen klar die Beispiele von gewaltsamen Räumungen von Indígenas und BäuerInnen von ihrem Land. Dabei verlieren die Menschen ihre Unterkunft, ihre Ernte, die meistens verbrannt wird, und damit ihre Nahrungsgrundlage. Oft wird geräumt, ohne die traditionellen Rechte über Ländereien zu analysieren oder alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Verletzte, wenn nicht Tote, sind keine Seltenheit und auch Vergewaltigungen werden inoffiziell verzeichnet. Ausserdem wird den vertriebenen Menschen keine Wohnalternative angeboten, sie sitzen sprichwörtlich auf der Strasse und bleiben somit ohne Lebensmittelquellen. Auch der Anbau von Agrotreibstoff grenzt den Zugang zu Nahrungsmittelquellen und Wasser ein. Ebenso wird Druck auf die BäuerInnen ausgeübt, ihr Land zu verkaufen, so dass sie im Endeffekt mit Nichts zurück bleiben. Auf gleiche Weise wird die Bevölkerung durch Megaprojekte wie die Mine Marlin oder das Wasserkraftwerk Xalalá beeinträchtigt. Der Staat fördert diese Projekte, ohne das Volk um seine Meinung zu fragen, was aber das * Eine andere Verpflichtung des Staates ist der Schutz der Bevölkerung, wenn der existierende Zugang zu Nahrungsquellen von Dritten bedroht wird. In diesem Sinn hat der Staat auch die Aufgabe, die ArbeiterInnen zu schützen, deren Rechte tagtäglich und in fast totaler * Der Staat ist ebenso verpflichtet, das Recht auf Nahrung zu garantieren. Dies wird teilweise erfüllt, allerdings auf einseitige Art und Weise. Der Staat stellt bei Notwendigkeit an Nahrungsmittelhilfe diese zur Verfügung; er verhilft aber den Menschen nicht dazu, Eigenanbau bzw. Selbstversorgung zu betreiben, was die Gemeinden in eine Situation der Abhängigkeit drängt. Es verletzt auch das Recht auf Selbstbestimmung über die Art der Ernährung. Zum Beispiel haben die Gemeinden von San Mateo Ixtatán Nahrungsmittel der Regierung zurückgewiesen, da diese transgenetischen Mais enthielten. * Auch muss die Nicht- Oft sind Frauen mehr von der Nahrungsmittelkrise, dem erschwerten Zugang zum Wasser etc. betroffen, da diese Aktivitäten aufgrund der sexuellen Arbeitsteilung, die in Guatemala vorherrscht, in ihren Arbeitsbereich fallen. Frauen sind auch häufiger Teil der ärmsten Bevölkerung und haben weniger Zugang zu Land, Bildung und Information als Männer. Die Situation der MenschenrechtsverteidigerInnenSo wie indigene BäuerInnengemeinden vertrieben und bedroht werden, so werden auch diejenigen, die für deren Rechte eintreten, eingeschüchtert. Wie zu Zeiten des Bürgerkrieges sind noch heute die gleichen Mächte die treibende Kraft, die schon damals MenschenrechtsverteidigerInnen bedroht und ermordet haben. Auch heute wird getötet, eingeschüchtert und kriminalisiert. Zu den damaligen Machtinteressen kamen neue wirtschaftliche Interessen hinzu, die mit den Megaprojekten in Verbindung stehen. Öffentliche Sicherheitskräfte und das Rechtssystem werden missbraucht, um MenschenrechtsverteidigerInnen einzuschüchtern - Verbrechen, die aufgrund der wirtschaftlichen und politischen Macht der Auftraggeber ungestraft bleiben. So stieg die Kriminalisierung der sozialen Proteste in den letzen beiden Jahren ernorm an. GewerkschafterInnen und ArbeiterInnen sind Opfer von schweren Verletzungen ihrer Rechte, ohne dass strafrechtliche Verfolgung zu erwarten wäre. Multinationale Firmen schränken das Gewerkschaftswesen durch Aggressionen ein. Die Landproblematik ist nicht von den Interessen jener Firmen zu trennen, und die indigene ländliche Bevölkerung wird nicht selten Opfer von Gewalt durch öffentliche Kräfte. Die Aggressionen gegen MenschenrechtsverteidigerInnen stiegen rasant an: von 58 im Jahr 2000 sind es 2009 mehr als fünfmal so viele, also fast eine Attacke pro Tag. Mindestens 15 MenschenrechtsverteidigerInnen wurden 2009 ermordet. Bevor es zu Ermordungen kommt, sollen Bedrohungen ausreichen, um die MenschenrechtsverteidigerInnen von ihrer Arbeit abhalten. Dies geschah im Fall der Gemeinden in Panzós, Ebenso greift man auf die Methode der Kriminalisierung zurück, d.h., das Gesetz wird auf eine Art eingesetzt, dass MenschenrechtsverteidigerInnen für ihre Arbeit angezeigt werden können. Personen und ganze Bewegungen werden stigmatisiert, in Verruf gebracht oder rechtlich belangt, damit sie ihre Arbeit nicht weiter verfolgen. Dies passierte z. B. José Pilar Álvarez, der verhaftet wurde, da er mit der Lutheranischen Kirche und dem Verein zum Schutz des Berges Granadillas für die Erhaltung der Wasservorkommen bzw. Waldvorkommen der Region eintritt, und deswegen der Störung privatem Eigentums beschuldigt wurde. Mit dieser ausführlichen Verifikationsstudie ist zu erhoffen, dass die internationale Gemeinschaft noch grössere Aufmerksamkeit auf die Menschenrechts- und Nahrungsmittelsituation Guatemalas richtet und jede/r BürgerIn sich genau überlegt, wo und welchen (1) (2) |
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