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"Land herzugeben, bedeutet für den Finquero, Macht zu verlieren"

Fijáte 432 vom 08. April 2009, Artikel 1, Seite 1

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"Land herzugeben, bedeutet für den Finquero, Macht zu verlieren"

Frage: Sind die Lebensbedingungen der Finca-ArbeiterInnen besser als diejenigen der KleinbäuerInnen?

H.V.: Es handelt sich meistens um dieselben Leute. Der Kleinbauer, dessen Land nicht fürs Überleben reicht, arbeitet temporär auf der Finca. Den BäuerInnen, die vertrieben werden, weil auf ihrem Land eine VGZuckerrohrplantageNF angelegt wird, offeriert man einen Dreimonatsjob bei der Zuckerrohrernte, wie das z.B. in Polochic der Fall ist.

Bei der VGÖlpalmeNF ist es noch schlimmer: deren Bewirtschaftung braucht fast keine menschliche Arbeitskraft. Die BäuerInnen werden vertrieben, ohne dass ihnen eine alternative Arbeitsmöglichkeit angeboten wird.

Frage: Ist es falsch, auf den landwirtschaftlichen Export zu setzen?

H.V.: Das Hauptziel der Landwirtschaft sollte sein, die Ernährungssicherheit und -souveränität zu garantieren. Ausserdem ist Land nicht bloss ein Produktionsmittel, sondern im Fall der Mayas Teil ihrer Kosmologie. Dies wird vom Agrobusiness nicht berücksichtigt. Zudem bietet die Agroexportwirtschaft weder gesicherte noch qualitativ gute Arbeitsplätze.

Ich kritisiere, dass es einzig darum geht, für die Märkte des Nordens zu produzieren. Monokulturen, ob Zucker oder Mais, sind immer problematisch. Es wäre etwas anderes, wenn mehr ProduzentInnen die Möglichkeit hätten, sich in den Markt zu integrieren. Dies würde Guatemala einen ähnlichen Entwicklungsschub erlauben, wie es VGCosta RicaNF dank der Agrarreform von 1948 gelungen ist.

In den letzten 20 Jahren hat sich die Landwirtschaft transnationalisiert, die Finqueros wurden zu Börsenspekulanten und haben Möglichkeiten ausserhalb der reinen Landwirtschaft gefunden, um Kapital zu akkumulieren.

Man hat uns weisgemacht, dass wir mit den ganzen subventionierten Überschüssen aus dem Norden nicht mehr selber anbauen müssen. Risikoreich wie die Landwirtschaft ist, würden wir besser und billiger von den VGUSANF kaufen, hiess es. Dies war die offizielle Politik, und damit wurde die Landwirtschaft zerstört.

Was man uns aber nicht erzählte, war, dass und in welcher Form die Preise der Lebensmittel längerfristig steigen würden. Gemeinden, die nach wie vor Mais anpflanzen, sind heute besser dran als jene, die Maismehl importieren. Maseca (mexikanischer Produzent von Maismehl) und andere Monopolisten importieren ihre Produkte zollfrei nach Guatemala. Das heisst aber nicht, dass sie die Produkte billiger verkaufen, der Gewinn bleibt bei ihnen.

Frage: Die VGFreihandelsabkommenNF begünstigen also diejenigen, die nach Guatemala importieren und nicht uns, die wir exportieren?

H.V.: Ja, denn wir haben ja ausser Zucker nicht viel zu verkaufen. Die Exporte in die USA sind seit der Unterzeichnung des Freihandelsabkommens nicht gestiegen, die Importe hingegen schon. Wir haben mehr nach Zentralamerika und Europa exportiert, aber nicht in die USA.

Frage: Wenn in einem Land mit so wenigen Arbeitsmöglichkeiten die Landwirtschaft alle Arbeitskräfte aufnehmen soll, kann sie nicht gleichzeitig wirklich produktiv sein?

H.V.: Die Agrarreform ist Teil eines Entwicklungsprozesses, wir wollen daraus kein Pol Pot-Regime machen. Nach zwei oder drei Generationen werden die VGKinderNF der BäuerInnen an der Universität studieren und nicht mehr in der Landwirtschaft arbeiten wollen. Diese wird somit nicht mehr der Hauptproduktionsfaktor sein.

Doch was können wir aktuell mit einer Masse ungebildeter BäuerInnen anderes machen, als sie in der Landwirtschaft zu beschäftigen? Ihre einzige Alternative ist, in den Norden zu emigrieren.

Frage: VGMigrationNF als Ventil, damit die VGLandfrageNF nicht zu einem Faktor politischer Mobilisierung wird?

H.V.: Die Migration hat tatsächlich die BäuerInnenorganisationen geschwächt, denn es sind die jungen Leute, die gehen. Wenn sie zurückkommen, wollen sie nicht mehr in der Landwirtschaft arbeiten, sondern sie kaufen sich einen Pick-up und werden HändlerInnen.

Frage: Hat die weltweite Teuerung der Grundnahrungsmittel den BäuerInnen als ProduzentInnen etwas genützt?

H.V.: Nein, denn mit der Verteuerung der Lebensmittel erhöhten sich auch die Produktionskosten für die BäuerInnen. Diese haben überdies in Guatemala das Problem, dass sie keinerlei Möglichkeiten haben, die Ernte zu lagern. Entweder sie verkaufen im Moment der Ernte oder diese verdirbt.

Frage: Werden denn die BäuerInnen überhaupt ernsthaft als LebensmittelproduzentInnen wahrgenommen oder einfach als marginalisierte Gruppe?

H.V.: Man sieht in ihnen einen rückständigen Sektor, den man mit Kompensationen vor dem Untergang retten muss. Auf der anderen Seite haben wir ältere BäuerInnen, die von den "guten alten Zeiten" träumen, den Zeiten, als unter den Militärdiktaturen ein rigides und korruptes System herrschte, das ihnen aber immerhin einen minimalen Zugang zu Krediten und technischer Unterstützung gewährte.


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