Notizen aus dem Wahlkampf
Fijáte 193 vom 8. Sept. 1999, Artikel 11, Seite 6
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Notizen aus dem Wahlkampf
Guatemala, 26. Aug. bis 8. Sept. Die Partei der nationalistischen Versöhnungsaktion (ARENA) hat Flor de María Alvarado de Solís als Präsidentschaftskandidatin aufgestellt. Damit reagiert die Partei auf eine in der Tageszeitung Prensa Libre publizierten Meinungsumfrage, laut der sich 80% der Bevölkerung für eine Frau als Präsidentin ausspricht. Alvarado de Solís kandidierte schon 1995 im Namen der Demokratischen Kraft des Volkes (FDP) für das selbe Amt. Eine weitere Schlammschlacht gegen den Kandidaten der Republikanischen Front FRG, Alfonso Portillo, hat begonnen. Seine politischen Gegner haben eine Geschichte aus dem Jahr 1982 ausgegraben, laut der Portillo im mexikanischen Bundesstaat Guerrero zwei Männer ermordet hat. Portillo sei nie zu einem Prozess erschienen, weshalb die Untersuchung nach 14 Jahren eingestellt wurde. Zu seiner Verteidigung bringt Portillo vor, er sei zu dieser Zeit als Ausländer in Mexiko gewesen, sei ein Studentenführer gewesen und wäre mit Garantie zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Deshalb habe er es vorgezogen, nicht vor Gericht zu erscheinen. Das Oberste Wahlgericht (TSE) zeigt sich beunruhigt angesichts der Tatsache, dass die meisten Parteien ihre KandidatInnen noch nicht ins Wahlregister eingetragen haben. Erst 80% der insgesamt rund 3000 KandidatInnen hätten sich eingeschrieben, von den elf PräsidentschaftskandidatInnen seien es erst drei. Ebenso bemängelt das TSE, dass die Parteien keine Regierungsprogramme vorstellen, was wichtig wäre, damit die Bevölkerung sich eine Meinung bilden und bewusst wählen kann. Die laufende Kampagne folge gewissen Regeln, welchen nicht einem "normalen" Wahlverlauf entsprächen. Damit bezieht sich das TSE auf die gegenseitigen Verleumdungskampagnen der Regierungspartei des nationalen Fortschritts (PAN) und der Republikanischen Front Guatemalas (FRG). Weiter weist das Oberste Wahlgericht darauf hin, dass es strengstens verboten sei, öffentliche Gelder zur Finanzierung der Wahlkampagne einzusetzen und dass das Wahlgesetz eingehalten werden müsse. Die Regierung wurde vom TSE aufgefordert, die in den Parteifarben gehaltenen Transparente zu entfernen, auf welchen die "Taten, nicht Worte" gerühmt werden, welche die Regierung während der Amtszeit Arzu's vollbracht hat. Auch die Presse wird aufgerufen, sich kooperativ zu verhalten, damit die Bevölkerung auf eine positive und ausgewogene Art informiert wird und ihr Glaube an die Institutionen und das demokratische System nicht verliert. Der staatliche Nachrichtensender dürfe nicht zu propagandistischen Zwecken missbraucht werden und keine Werbung für eine politische Partei bzw. einzelne KandidatInnen machen. Nach einer Diskussionsrunde der PräsidentschaftskandidatInnen an der Universität San Carlos (USAC), kam es zu Handgreiflichkeiten gegen den Kandidaten der Republikanischen Front Guatemalas (FRG). Neun KandidatInnen kamen der Einladung der Universität nach, an einer Podiumsdiskussion zum Thema "Erziehung und Friedensprozess" teilzunehmen. Publikumsliebling war Alvaro Colom von der Allianz Neue Nation (ANN), der, bevor er seine Rede hielt, um eine Schweigeminute für die gefallenen StudentenführerInnen bat. Nach oben |
Nachdem die KanditatInnen ihre Meinung geäussert hatten, ergriff ausser Programm ein Student das Wort und wollte Erklärungen dazu haben, weshalb der Eintritt an die Veranstaltung für StudentInnen beschränkt sei. (Die OrganisatorInnen limitierten den Zutritt für StudentInnen, was diese jedoch nicht akzeptierten, sich Einlass verschafften und die Sitzplätze der "speziellen Gäste" besetzten.) Ebenfalls ausser Programm überreichte der Präsident der StudentInnenvereinigung (AEU), Fernando Sánchez , dem Kandidaten der FRG, Alfonso Portillo, die Ratschläge der Wahrheitskommission (CEH) an die Regierung. Portillo erklärte in seiner Rede nämlich, nichts von diesen Empfehlungen zu wissen. Sánchez kritisierte Portillo, einerseits auf seiner kürzlich erfolgten Reise in die Vereinigten Staaten die Einhaltung der Empfehlungen der CEH versprochen zu haben und andererseits im eigenen Lande nichts davon wissen zu wollen. Ebenso attackierte Sánchez in seiner Intervention den Kandidaten der Regierungspartei PAN, Oscar Berger, den Staat privatisieren zu wollen und die Friedensabkommen nicht einzuhalten. Beim Verlassen der Aula der Universität San Carlos wurde Portillo von StudentInnen angegriffen und sein wegfahrendes Auto mit Steinen beworfen. Der Rektor der USAC, Efraín Medina, drohte, die an der Störung der Veranstaltung beteiligten StudentInnen von der Universität auszuschliessen. Gleichzeitig beschuldigte er die Leitung der ANN, die StudentInnen zur Gewalt aufgerufen zu haben. Alvaro Colom seinerseits meinte, das einzige was er in seiner Rede gesagt habe, sei, dass das Land die Etappe der Auseinandersetzungen noch nicht abgeschlossen habe, was das Nichteinhalten der Empfehlungen der CEH seitens der Regierung beweise. Sánchez seinerseits meinte, wenn der Rektor die StudentInnen von der Universität ausschliessen wolle, würden sie ein Gerichtsverfahren einleiten. Die StudentInnen forderten eine seriöse politische Diskussion auf nationaler Ebene. Sie würden die nationale Realität genügend gut kennen, und liessen sich von den PräsidentschaftskandidatInnen und deren demagogischen Diskursen nichts vormachen. Alvaro Colom, Präsidentschaftskandidat der Allianz Neue Nation (ANN) bezeichnet sich selber als einen "kürzlich debütierten Linken". Wenn "links sein" bedeute, den sozialen Themen mit etwas mehr Wichtigkeit und Respekt zu begegnen, so sei er ein Linker. Weiter meint Colom, ein Sieg der Allianz Neue Nation (ANN) wäre für die internationale Öffentlichkeit genau so überraschend, wie die Unterzeichnung der Friedensabkommen. Falls die Linke diese Wahlen verlieren würden, regiere die Rechte für weitere 15 Jahre das Land. |
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