Notizen aus dem Wahlkampf
Fijáte 195 vom 6. Okt. 1999, Artikel 10, Seite 6
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Notizen aus dem Wahlkampf
Guatemala, 23. September bis 6. Oktober. Verschiedene Behindertenorganisationen luden die PräsidentschaftskandidatInnen sowie den "Nationalen Rat für Behinderte" (CONADI) zu einer Podiumsdiskussion ein, wo sie eine klare Politik, Programme und eine stärkere Verpflichtung seitens des Staates forderte im Umgang mit der spezifischens Situation Behinderter. An den Anlass eingeladen waren die elf PräsidentschaftskandidatInnen, welche, mit Ausnahme von Oscar Berger (PAN) und Alfonso Portillo (FRG), alle erschienen und ihre Regierungsprogramme bezüglich der Behindertenpolitik vorstellten. Der Forderungskatalog der Behindertenorganisationen umfasst die Suche nach integralen Ansätzen, speziell in den Bereichen Gesundheit und Bildung, Arbeit, Kultur und Sport sowie die Abschaffung von symbolischen und architektonischen Barrieren. Die Situation von Menschen mit Behinderung soll aus der Perspektive der Menschenrechte analysiert werden. Bei der Enttabuisierung des Themas hätten die Massenmedien einen wichtigen Beitrag zu leisten. Ausserdem wird verlangt, entsprechende Gesetze einzuführen sowie die bereits existierenden internationalen Konventionen zu ratifizieren. Als einziger der eingeladenen KandidatInnen verpflichtete sich Alvaro Colom (ANN), den Forderungskatalog der Behindertenorganisationen vollumfänglich in sein Regierungsprogramm aufzunehmen. Die Abwesenheit von Berger und Portillo beweise ihr Desinteresse an sozialen und humanitären Fragen, meinte Colom. Die fünfte Meinungsumfrage der Firma Borges & Asociados ergeben einen klaren Vorsprung des Kandidaten der FRG, Alfonso Portillo gegenüber seinem Konkurrenten, Oscar Berger von der Regierungspartei PAN. 37% der Befragten sprachen sich für Portillo aus, 29% für Berger. An dritter Stelle steht Alvaro Colom vom linken Parteienbündnis ANN. Verschiedene Oppositionskandi-datInnen sowie soziale Organisationen warnen davor, den Umfragen zuviel Bedeutung zuzumessen. Einigkeit herrscht jedoch darüber, dass sich die Wahl zwischen Berger und Portillo entscheiden wird, eine zweite Wahlrunde ist wahrscheinlich. Laut María Dolores Marroquín, Vertreterin von Kuchuj - Stimme der Bür-gerInnen, lassen sich viele Leute von den Ergebnissen der Wahlumfragen beeinflussen, ohne sich darum zu kümmern, was für Regierungsprogramme die einzelen KandidatInnen präsentierten, meinte Marroquín. Auch Fernando Solís vom Zentralamerikanischen Institut für politische Studien (IPES), glaubt nicht, dass ein dritter Kandidat eine Chance haben wird. Die ANN liege in den Umfragen zu weit zurück, um ein ernsthafter Rivale darzustellen. Carmen Aceña, Direktorin des Investigationszentrums für nationale Wirtschaft hingegen, warnt die PAN und die FRG davor, allzu siegesgewiss zu sein. Die Ergebnisse der Volksbefragung vom Mai dieses Jahres habe bewiesen, dass sich die Tendenzen innerhalb weniger Wochen drastisch ändern können. Dasselbe Unternehmen führte auch eine Meinungsumfrage in der Hauptstadt durch, um die Tendenzen bei der Bürgermeisterwahlen abzuschätzen. Von den 400 befragten Personen bevorzugten 41,3% Fritz García-Gallont (PAN), 23,5% würden für Luís Rabbé (FRG) stimmen. Viel interessanter als diese Zahlen sind jedoch die Ergebnisse einer anderen Frage, die während derselben Umfrage gestellt wurde: 4,3% der befragten Personen bezeichnen sich als Indigenas, 90,3% sagen von sich, dass sie keine Indigenas sind und bloss 5,3% bezeichnen sich als MestizInnen. Davon sind 60% Mitglieder der Katholischen Kirche, gegenüber 21%, die einer evangelischen Kirche angehören. Unter dem Namen "Intellektuelle Kraft gegen den Genozid" sprach sich in einem "ersten Manifest" eine Gruppe Intellektueller und KünstlerInnen gegen die Wahl der Republikanischen Front Guatemalas (FRG) aus. Die FRG sei verantwortlich für die Ermordung von Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und Alten, verantwortlich für den Schmerz und Ströme von Blut und Tränen. Heutzutage verfielen Teile der Bevölkerung der Annahme, es bräuchte Männer wie Rios Montt, um das Verbrechertum zu bekämpfen, am liebsten durch die Verhängung der Todesstrafe, heisst es in dem Manifest weiter. Die Intellektuellen und KünsterInnen betonen, dass auch der effizienteste Kampf gegen das Verbrechertum den Völkermord nicht legitimiert. Unterschrieben wurde das Manifest von Mario Monteforte Toledo, Hugo Arce, Marion Augusto Quiroa, Efraín Recinos, José Barnoya, Irma de Luján und anderen. Nach oben |
Erst rund vierzig Tage vor den Wahlen haben die verschiedenen Parteien ihre Regierungsprogramme bekanntgegeben. Einzig die Allianz Neue Nation (ANN) gab ihr Regierungsprogramm schon im Mai heraus, zu einem Zeitpunkt, wo es im Zuge der KandidatInnenwahl völlig unterging. Inhaltlich variieren die verschiedenen Programme nicht gross, fast alle beinhalten Themen wie die Friedensabkommen, die wirtschaftliche Situation, die Schaffung von Arbeitsplätzen, Sicherheit und Bekämpfung von Korruption, Erziehung und Gesundheit. Einzig beim Thema "militärische Strukturen" unterscheiden sich die einzelnen Programme: Während die ANN sich sehr zurückhaltend äussert und von einer Professionalisierung der Armee und einer militärischen Rekrutierung auf den Grundlagen eines Zivildienstgesetzes spricht, will die PLP den Präsidialen Generalstab abschaffen. Für die Acción Reconciliadora Democrática (ARDE) ist das Militär in seiner heutigen Form unantastbar, die Parteien PAN und FRG gehen in ihren Parteiprogrammen nicht speziell auf die Rolle des Militärs ein. Edy Armas, Vertreter der Versammlung der zivilen Sektoren, kritisiert die Programme der PAN und FRG als kurzsichtig und gutgläubig. Als Beispiel dafür nennt Armas das Thema "Menschenrechte". Beide Parteien hätten dieses Thema in ihrem Programm, verlören jedoch kein Wort über die Umsetzung der Empfehlungen der Wahrheitskommission. Die zivile Gesellschaft habe verschiedentlich versucht, die KandidatInnen zu einer Diskussion zu diesem Thema einzuladen, doch die politischen Parteien hätten offenbar kein offenes Ohr dafür. Wer sich nicht die Mühe macht, die einzelnen Programme zu lesen und zu studieren, (die Wahlveranstaltun- gen gleichen eher Zirkusvorstellungen als inhaltlichen Anlässen) könnte meinen, es gehe allen ums Gleiche. Und die wirklich relevanten Fragen bleiben unbeantwortet. |
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