"Zeit, dass die Armee sich mit ihrer Geschichte konfrontiert"
Fijáte 212 vom 21. Juni 2000, Artikel 5, Seite 4
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"Zeit, dass die Armee sich mit ihrer Geschichte konfrontiert"
Guatemala, 2. Juni. Kate Doyle, die Direktorin des Projekts 'Dokumentation über Guatemala' des National Security Archive (NSA) präsentierte eine zweibändige Sammlung mit Geheimdienstinformationen des guatemaltekischen Militärs. Das NSA gehört der Universität George Washington (USA) an und wurde 1995 von engagierten JournalistInnen gegründet. Vor einem Jahr veröffentlichte das NSA zusammen mit drei anderen US-amerikanischen Menschenrechtsorganisationen ein Dossier der guatemaltekischen Armee, in dem die Fälle von 183 GuatemaltekInnen aufgeführt sind, die Anfang der 80er Jahre von der Armee entführt und/oder ermordet worden sind. Das nun vorliegende Dokument enthält bisher geheimgehaltene Informationen über die militärischen Strukturen während des bewaffneten Konflikts. Ebenso enthält es Informationen über die US-amerikanische Beteiligung an den Aktionen gegen die guatemaltekische Bevölkerung. Während der Präsentation des Dokumentes in Guatemala (die übrigens wegen einer Bombendrohung in einem anderen Hotel als vorgesehen abgehalten werden musste), erklärte Kate Doyle die Gründe, die sie zu dieser Arbeit bewegt hatten. Zum einen habe das NSA etwas zur Arbeit der guatemaltekischen Wahrheitskommission (CEH) beitragen wollen. Viele der für die Arbeit der CEH wichtigen Informationen seien in den Archiven des US-amerikanischen Geheimdienstes zu finden gewesen. Weiter ginge es ihr darum, dass aufgund der nun vorliegenden Daten die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden könnten. Ausserdem habe die Bevölkerung Guatemalas ein Recht darauf, genau über ihre Regierungen und die geheimen und mächtigen Kräfte darin informiert zu sein. Ebenso wichtig war es für Doyle, innerhalb der Vereinigten Staaten über die US-amerikanische Aussenpolitik und die Beteiligung ihres Landes an den Greueltaten in Guatemala zu informieren. Mit der Veröffentlichung dieser Daten gehe es ihr überhaupt nicht darum, die Situation in Guatemala zu destabilisieren, sondern sie wolle einen Beitrag zur jüngsten Geschichtsbewältigung dieses Landes leisten. Das Dossier enthält Informationen über geplante Staatsstreiche, über Konkurrenzkämpfe innerhalb der Militärführung, über von Politikern veranlasste 'Terroraktionen'. Rund 10'000 Geheimdienstdokumente liefern das Material zu dieser Sammlung. Der erste Band enthält die Namen von 232 Militärs, die im Laufe ihrer Karriere mit dem guatemaltekischen Geheimdienst zu tun hatten sowie Angaben über ihre militärische Karriere. Der zweite Band enthält Telefonaufzeichnungen, Briefe und Dokumente, die über die Rolle der Regierung der Vereinigten Staaten im guatemaltekischen Konflikt Aufschluss geben. Weiter enthält er 48 Dokumente, die über militärinterne Machenschaften zwischen 1966 und 1994 Aufschluss geben. Die Reaktionen auf die Veröffentlichung der zweibändigen Dokumentation fielen erwartungsgemäss sehr unterschiedlich aus: Nach oben |
Thierry de la Rue (Minugua): "Diese Dokumente bringen nichts Neues, ausser dass sie die Namen der Verantwortlichen enthalten. Ihr Wert liegt darin, dass sie als Beweismaterial in Prozessen verwendet werden können, vorausgesetzt, die Justiz erkennt ihren Wahrheitsgehalt an." Eddy Armas (Versammlung der Zivilgesellschaft, ASC): "Die Veröffentlichung dieser Informationen wird politische Konsequenzen nach sich ziehen. Ausserdem sind sie der Beweis dafür, dass der Völkermord eine staatlich geplante Strategie war. Hellen Mack (Menschenrechtsaktivistin): "Nach der Veröffentlichung dieser Daten kann das Militär seine Beteiligung an den Massakern nicht mehr leugnen". Mauricio López Baudillo (Ex-Oberst): "Die Dokumente zeigen die Position des Militärs im bewaffneten Konflikt auf und dienen als gutes Grundlagenmaterial für jemanden, der die Situationen studiert, mit denen sich das Militär konfrontiert sah. Ich glaube nicht, dass sie als Beweismaterial in Prozessen beigezogen werden können, da ihre genaue Herkunft nicht bekannt ist". Otto Pérez Molina (Ex-General): "Ich bin sicher, dass diese Dokumente nicht die Wahrheit beinhalten. Sie sind von Leuten zusammengestellt worden, die einen US-amerikanischen Blickwinkel haben. Man muss objektiv sein und denjenigen glauben, die wirklich glaubwürdig sind". Kopien der Informationssammlung wurden von Kate Doyle verschiedenen Dokumentations- und Informationszentren überreicht, damit das Militär selber, JournalistInnen, AkademikerInnen und die Öffentlichkeit Zugang zu den Informationen haben. Die Informationen sind auch im Internet abzurufen unter: www.gwu.edu/~nsarchiv. |
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