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Das Recht, ein Leben in Würde zu führen

Fijáte 251 vom 26. Dez. 2001, Artikel 1, Seite 1

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Das Recht, ein Leben in Würde zu führen

Wenn Sie auf die letzten fünfzig Jahre zurückblicken: Hat die Lebensqualität der GuatemaltekInnen zu- oder abgenommen?

G.V.: Ich könnte Ihnen die eine oder die andere Behauptung beweisen oder widerlegen. Will ich die These verteidigen, dass die Situation heute besser ist als vor fünfzig Jahren, argumentiere ich folgendermassen:

Vor fünfzig Jahren war der Zugang zu Bildung mehr Menschen verwehrt und das Thema Land war ein noch grösseres Tabu als heute. Das heisst, vor fünfzig Jahren besassen noch weniger Menschen das Land, das sie bebauten und sie hatten noch weniger die Chance, zu einem Landtitel zu kommen. Vor fünfzig Jahren war die technologische Entwicklung sehr rückständig. Ich erinnere mich, dass mir in den 70er Jahren ein VGspanischerNF Jesuit nach einem Besuch in einem Dorf im VGQuichéNF sagte, er habe an diesem Ort nichts angetroffen, dass darauf hingewiesen hätte, dass wir im 20. Jahrhundert leben. Heute hat sich das geändert, ob zum Guten oder zum Schlechten, sei dahingestellt.

Vertrete ich die gegenteilige These, nämlich, dass es vor fünfzig Jahren besser war, argumentiere ich so:

Es gab zu dieser Zeit eine Reihe von Werten, an die sich die Leute heute zurückerinnern und nach denen sie sich sehnen: Sicherheit, Zugehörigkeit und der Stolz, in einem ruralen Land zu leben. Letzteres birgt auch einen gewissen Fatalismus in sich, gibt aber gleichzeitig ein Gefühl von Familienzugehörigkeit in einem grösseren Rahmen: Es gab Mechanismen sozialer Sicherheit die selbstverständlich funktionierten. Die sozialen Netze waren enger und tiefer und stützten die Gemeinschaft. Auf dem Lande gibt es viele ältere Menschen, die sagen, die heutige Jugend habe es viel einfacher als sie es damals hatten: Heute hätten sie Zugang zu Gütern, würden Schuhe tragen (während sie noch barfuss gingen) und die Mädchen müssten den Mais nicht mehr mit dem Stein mahlen...

Was können die GuatemaltekInnen machen, um ihre Lebensqualität zu verbessern?

G.V.: Wir brauchen eine Gesellschaft, in der alle dieselben Möglichkeiten haben und die auf Gerechtigkeit beruht. Das ist das Ziel Nummer eins, auf das wir hinarbeiten müssen. Wir sind ein Land mit enormer Ungleichheit, mit enormen Distanzen zwischen Arm und Reich, mit einer ungleichen Verteilung des Einkommens, mit einer ungleichen Verteilung des Landes... Das Problem ist, dass es schon immer so war und wir den Film nicht zurückdrehen und noch einmal von vorne und besser beginnen können. Dieser Film hat schlecht begonnen und läuft schon zu lange. Wir zwar können schauen, dass er ab heute besser ist, aber zurück können wir nicht.

Klar ist es nicht einfach, eine Umgebung zu schaffen, die es den Menschen ermöglicht, Mechanismen zu entwickeln, die zu mehr Gerechtigkeit führen. Dies wäre aber dringlich und notwendig und ich glaube, dass die Themen, die unsere Gesellschaft heute beschäftigen, wie zum Beispiel die Gewalt, das Ergebnis einer traurigen Geschichte sind, die wir weder ignorieren noch leugnen können. Gewisse Muster zu durchbrechen, wäre aber eine Art, diese Geschichte zu überwinden und Veränderungen herbeizuführen.

Was hat das alles mit dem Foro Guatemala zu tun, in dem Sie sich engagieren?

G.V.: Was das Foro Guatemala anstrebt, ist einen Dialog zu lancieren, an dem Sektoren teilnehmen, die traditionellerweise nie miteinander gesprochen haben, ein Dialog über gewisse Grundsatzfragen, die unser Land betreffen. Es ist sehr wichtig, dass wir einen Rahmen schaffen, in dem ein solcher Dialog möglich ist.

Es ist nicht so, dass wir uns nun zum Gespräch hinsetzten, weil es die grossartige Idee von Herrn Portillo ist... nein, ich glaube, innerhalb der Gesellschaft finden sehr viele Dialoge statt. Vielleicht bringen wir es zu einem Nationalen Dialog, vielleicht können wir den Raum schaffen, in dem ein paar grundsätzliche Abkommen getroffen werden. Aber es hat keinen Sinn, das ganze nur von seiner öffentlichkeitswirksamen Seite her zu betrachten.

Ich persönlich glaube immer noch daran, dass es möglich ist, die Bedingungen für einen Dialog zu schaffen. Das wichtige ist, Kommunikation zwischen Sektoren aufzubauen, die sonst nicht miteinander kommunizieren, auch zwischen der Regierung und Sektoren der Zivilgesellschaft. Dies ist ein Terrain, in dem es viel aufzubauen und zu gewinnen gibt, aber dazu müssen viele Hindernisse überwunden werden. Den Dialog zum vornherein auszuschliessen ist ein riskantes Unternehmen, ebenso, bedenkenlos in ihn zu vertrauen. Man muss vorsichtig vorgehen.

Die bisherige Geschichte Guatemalas beweist, dass, wenn sich die Türen des Dialogs schliessen, schlimme Zeiten folgen. Im Moment ist es uns viel wichtiger, keine Rückschritte zu erleiden, als voranzukommen. Wir sehen eine reale Gefahr, im Demokratisierungsprozess Rückschritte zu erleiden. Im Moment befinden wir uns eher in der Defensive als auf Angriffskurs.


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