Ex-PAC nehmen Journalisten als Geiseln
Fijáte 296 vom 5. Nov. 2003, Artikel 2, Seite 3
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Ex-PAC nehmen Journalisten als Geiseln
Guatemala, 29. Okt. Die grosse Unbekannte der Wahlen vom kommenden 9. November sind zweifellos die ehemaligen Zivilpatrouillen (Ex-PAC). Wird die Strategie der Republikanischen Front Guatemalas (FRG), die Stimmen der Ex-PAC für sich zu gewinnen mit dem Versprechen der Entschädigung für ihre am Staat geleisteten ,,Dienste" während des bewaffneten Konflikts aufgehen? Letzte Woche gab Finanzminister Eduardo Weymann gar bekannt, die Zahl der zu entschädigenden Ex-PAC von 250'000 auf eine halbe Million zu erhöhen, was den Staatshaushalt mit zusätzlichen 400 Mio. Quetzales belasten wird. Weymann versprach, die erste Rate noch vor den Wahlen auszubezahlen, den Rest danach. (Mit Ausnahme von Alvaro Colom versprechen sämtliche Präsidentschaftskandidaten, die Zahlungen an die PAC im Falle eines Wahlsieges weiterzuführen). In einigen Fällen funktioniert die Taktik der FRG, vor allem dort, wo bereits Entschädigungen ausbezahlt und dadurch die Ex-PAC zu den treusten Besuchern der Wahlveranstaltungen wurden. In anderen Fällen jedoch hat sich das Blatt gewendet, und die ehemaligen Patrouillisten stören bzw. verunmöglichen die Meetings der FRG. So auch am letzten Wochenende in La Libertad, Huehuetenango, wo Ex-PAC noch vor der Ankunft des FRG-Kandidaten Ríos Montt Strassensperren errichteten, vier Journalisten der Tageszeitung Prensa Libre sowie einen Fahrer des Sekretariats für Verwaltungs- und Sicherheitsangelegenheiten (SAAS) als Geiseln festnahmen und die Anwesenheit des Departementsgouverneurs forderten, der für die Auszahlung der von der FRG versprochenen Entschädigungsgelder zuständig ist. La Libertad war zwei Tage lang von den Patrouillisten besetzt, weder die Presse noch das hinzugezogene Militär mit seinen Spezialeinheiten konnte sich Zugang verschaffen. Nationale und internationale Pressevereinigungen sowie Menschenrechtsorganisationen solidarisierten sich mit den Geiseln. In der Hauptstadt fand am Montag spontan eine Demonstration von JournalistInnen statt, welche die Freiheit ihrer Kollegen forderten. Die guatemaltekische Regierung hielt sich mit Kommentaren zurück. Vizepräsident Francisco Reyes López wehrt unterdessen jegliche Verantwortung in der Sache ab und liess gar durchblicken, das Problem der Ex-PAC in La Libertad sei, dass sie sich nicht als Mitglieder der FRG einschreiben liessen. Am Montag reisten der Menschenrechtsprokurator Sergio Morales, Frank LaRue vom Menschenrechtszentrum CALDH und der Direktor von Prensa Libre, Gonzalo Marroquín nach Huehuetenango, um über die Freilassung der Geiseln zu verhandeln, jedoch ohne Erfolg. Nach oben |
Erst am Dienstag gelang es dann einer Verhandlungsdelegation, angeführt von Catalina Soberanis vom Friedenssekretariat SEPAZ, dem Chef der Mission der Vereinten Nationen für Guatemala MINUGUA Tom Koenigs und einem Vertreter der staatlichen Menschenrechtskommission COPREDEH, die Geiseln freizubekommen. Im Gegenzug versprachen sie, die Listen der Ex-PAC noch einmal zu prüfen und noch vor den Wahlen mit dem Auszahlen der Entschädigung zu beginnen. Die Geiseln sind frei, doch zu welchem Preis? Das Vorgehen der Ex-PAC in La Libertad hatte ,,Erfolg": Mit Gewalt und Drohungen haben sie die Verhandlungskommission in die Knie gezwungen. Wer weiss, wie viele Ex-PACGruppen, die ebenfalls noch auf ihre Entschädigung warten, sich vom Vorgehen ihrer Kollegen in Huehuetenango inspirieren lassen? Und wie es in einem Kommuniqué der Mirna-Mack-Stiftung heisst: ,,Die Regierung der FRG hat sich angewöhnt, Gewaltakte und Störungen der öffentlichen Ordnung zu akzeptieren, zu tolerieren oder gar zu fördern, solange sie GegnerInnen der Regierung schädigen, wie OppositionspolitikerInnen, Justizbeamte, MenschenrechtsaktivistInnen, JournalistInnen oder UnternehmerInnen". Untersuchungen von MINUGUA zeigen, dass JournalistInnen am stärksten von der Gewalt während der Wahlkampagne betroffen sind. Auch das kürzlich im Land anwesende Komitee zum Schutz von JournalistInnen (CPI), eine internationale Organisation mit Sitz in New York, kam zu dem Schluss, dass Guatemala eines der gefährlichsten Länder Amerikas für JournalistInnen sei. Vor allem lokale ReporterInnen seien grossen Risiken ausgesetzt, da man sie überall kenne und sie nicht durch die Anonymität der Hauptstadt geschützt seien. Das Komitee fordert von Präsident Portillo, sich öffentlich für die Meinungsfreiheit auszusprechen und sich mit den JournalistInnen zu solidarisieren. Von den politischen Parteien fordert die CPI, keine Kommentare abzugeben, die als Aufforderung zu Angriffen auf die Presse verstanden werden können. |
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